Kölner SpurensucheRomy Schneider war ein „kölsches Mädchen“

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Siisi Romy Schneider

Immer wieder Romy: Sie posierte 1957 vor einem DKW-Coupé mit Kölner Kennzeichen. Mit „Daddy Blatzheim“ (Mitte, l.) traf sie Schauspieler wie Horst Buchholz (r.) und Boy Gobert. In Köln wohnte sie in einem Gründerzeithaus an der Trajanstraße 1 in der Südstadt, heute steht dort ein eher schmuckloses Mehrfamilienhaus.

Köln – „Romy wird die nächsten sechs Monate kaum zu Hause, das heißt in Köln sein“, schreibt die Kölnische Rundschau im April 1957. Dass das „Wiener Madel“ Romy Schneider überhaupt in Köln zu Hause gewesen sein soll, mag viele Menschen überraschen. Als „Kölsches Mädchen“ begann sie aber ihre Schauspielkarriere. Ihre ersten Autos hatten Kölner Kennzeichen, ihre Autogrammadresse lag am Hildeboldplatz, ihre Wohnung in der Trajanstraße 1. Wie kam das?

Romy Schneider, damals noch Rosemarie Magdalena Albach, hatte im Juli 1953 in Österreich ihre Mittlere Reife gemacht und sich nun für Dekorationsmalerei an der Kunstgewerbeschule Köln eingeschrieben. In Köln, weil hier ihre Mutter Magda Schneider lebte. Zwischen die 14-jährige Rosemarie und ihre Kölner Schulkarriere zwängte sich nun die Hauptrolle, die Mutter Magda in „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ ergattert hatte. Für die Besetzung ihrer Filmtochter fand man nämlich eine sehr überzeugende Lösung: die leibliche Tochter. So kam es, dass Romy Schneider Ende 1953 erstmals vor die Filmkamera trat und nicht die Kölner Schulbank drückte.

Köln war karrierebestimmend für Romy

Köln war in den folgenden Jahren jedoch karrierebestimmend für Romy, liefen doch alle Geschäfte des Nachwuchsstars über ihren Stiefvater, den Kölner Gastronomen Hans Herbert Blatzheim, der damals mit Familie in der Trajanstraße 1 wohnte.

Romy Schneider

Romy mit Mutter (r.) und "Daddy" Blatzheim (2. v. r.) im "Fran­zis­ka­ner" am Ring.

Blatzheim hatte einen riesigen Unterhaltungskonzern aufgebaut („Gönn’ dir was – geh’ zu Blatzheim“) und gerade erst den „Kaiserhof“ am Hohenzollernring 90 mit großem Pomp neu eröffnet. Ebenfalls ihm gehörten etwa das nebenan liegende „Theater Kaiserhof“, der „tabu Existenzialistenkeller“ am Hohenzollernring 97, später auch die Bastei und die Bewirtung des Gürzenich. Blatzheim wusste schon im Dezember 1953 die Hochzeit mit Magda Schneider, deren Stern eigentlich verblasst war, hervorragend zu vermarkten. Er merkte schnell, welch nützliche Tochter er unverhofft angeheiratet hatte.

„Daddy Blatzheim“ legt ihr Image fest 

Ornamente, gezeichnet von der unbekannten Rosmarie, hatten es schon zuvor in einige der zahlreichen Werbeschriften des Blatzheim-Konzerns geschafft. Nun konnte er mit einem jungen Filmstar, ab 1955 gar mit Kaiserin Sissi wuchern.

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Die Schau­spie­le­rin Romy Schneider als Kaiserin Elisabeth

„Daddy Blatzheim“, wie Romy ihn nannte, legt ihr Image fest (Zitat Blatzheim: „Wenn wir auf Kurven machen wollten, dann könnten wir dat auch, denn die Romy ist ja zauberhaft gebaut“), handelte die Gagen aus, sondierte Rollenangebote und sorgte zudem dafür, dass Romy auch in seinen eigenen Läden den Umsatz steigerte. Sie fand als Namensgeberin für Gerichte wie „Würstchen Romy“ oder „Hühnerbrüstchen à la Romy“ den Weg auf die Speisekarten. Und während ihrer Urlaube, gerne im familieneigenen Hotel „Bellevue“ in Rodenkirchen verbracht, fand Romy Zeit für publikumswirksame Besuche, etwa indem sie das Capitol zur Wiedereröffnung 1954 mit Kölsch taufte.

Der Dummse Tünn passte auf

Bewacht wurde sie bei diesen Gelegenheiten vom Besten, was das Kölner Rotlichtmilieu zu bieten hatte, etwa vom ehemaligen Boxer Anton Dumm, genannt „Dummse Tünn“.

Dann aber drehte sich der Wind. „Bis zuletzt hat es Gerüchte gegeben, dass Sie nicht kommen werden“, witzelte Moderator Dietmar Schönherr, als er Romy Schneider 1974 in Köln bei seiner Talk-Show begrüßen durfte. In der Tat machte sie sich damals in Deutschland rar. Ende der 1950er Jahre war sie einer Welt, die in ihr immer nur Sissi sehen wollte, entflohen und gemeinsam mit Film- und Lebenspartner Alain Delon nach Paris gezogen. Selbst zur Beerdigung ihres Stiefvaters 1968 war Romy nicht erschienen.

Hartnäckig hielten sich Gerüchte, dass Blatzheim große Teile des Vermögens seiner Stieftochter veruntreut hat, um den Bankrott seines eigenen Konzerns abzuwenden. Ein halbes Jahr nach der Beerdigung aber wurde Romy von Reportern im Kölner Hotel Excelsior entdeckt, während Leserinnen die Redaktion der Kölnischen Rundschau anriefen, weil sie Romy am heute eingeebneten Grab Blatzheims auf dem Alten Hauptweg von Melaten gesichtet hatten.

Späte Genugtuung für Romy Schneider in Köln

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 Sammlerartikel zur Schauspielerin Romy Schneider, die im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main ausgestellt sind.

Köln hielt dann aber eine späte Genugtuung für Romy Schneider bereit: Am 2. Advent 1976 war sie in der Hülchrather Straße 7 bei Heinrich Böll zu Gast. Romy Schneider verehrte Böll sehr. Sie hatte schon 1962 eine Rolle in „Das Brot der frühen Jahre“ wegen Terminkonflikten absagen müssen und später vergeblich versucht, die Hauptrolle in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ zu bekommen. Als sie schließlich in „Gruppenbild mit Dame“ die Leni spielen sollte, hörte Romy, dass Böll ihre Besetzung kritisch sehe. Regisseur Aleksandar Petrovic versuchte zu vermitteln. Böll habe in der Zwischenzeit „Das Mädchen und der Kommissar“ gesehen und gemeint: „Ich vertraue auf ihre schauspielerische Qualität und auf ihre Sensibilität.“ Romy glaubte ihm nicht.

Verzweifelte Briefe im Nachlass

Während der Dreharbeiten entspannte sich die Situation nicht sonderlich. Böll wirkte zwar am Drehbuch des Films mit, kümmerte sich aber kaum um die Dreharbeiten. In Romy Schneiders Nachlass finden sich verärgerte bis verzweifelte Briefe, die sie wohl nie abgeschickt hat, in denen sie Böll fragt, ob er sie nicht ernst nehme.

Endlich kommt die lange ersehnte Anerkennung in Form der Einladung in Bölls Wohnung am 5. Dezember 1976. Romy bringt zwei Flaschen französischen Rotwein, einen Adventskranz und zur moralischen Unterstützung Alice Schwarzer mit. Böll empfängt sie im Wohnzimmer, die Kerzen werden angezündet. Es wird ein gutes Gespräch, das die Ehrfurcht Schneiders vor dem Literaturnobelpreisträger vergrößert. „Wenn man den Mann so reden hört, kommt man sich ziemlich klein vor. Da muss ich mich wirklich fragen, was ich eigentlich aus meinem Leben gemacht habe“, schreibt sie. Nach dieser Begegnung erzählt Romy Schneider einer Freundin nachts am Telefon: „Die besten vier Stunden, die ich in Deutschland hatte, waren die mit Böll.“

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