Legendäre Plattenabteilung verbanntSaturn baut Filiale am Kölner Hansaring um

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Saturn Hansaring Umbau

Volle Regale, volle Gänge: In den 1980ern kamen fünf Millionen Kunden pro Jahr zu Saturn am Hansaring.

  • Der Elektromarkt Saturn am Kölner Hansaring baut um, und zwar kräftig.
  • Die Musik-Abteilung zieht beispielsweise in das Technikhaus an der Maybachstraße um.
  • Was künftig mit dem Haupthaus am Hansaring passiert, ist unklar. Die Gerüchteküche brodelt.

Köln – Die Veränderungen sind nicht zu übersehen. Die Regale mit den CDs leeren sich, die DVDs und BlueRays stehen an ungewohnten Stellen. Wo sich früher im Saturn-Haupthaus am Hansaring die Filme meterlang aneinanderreihten, wird eine neue Rigips-Wand eingezogen. Statt harmonischer Töne erklingen laute Bohrgeräusche. „Wir bauen für Sie um. Für Einschränkungen während der Umbauphase entschuldigen wir uns und bitten um Ihr Verständnis“, erklärt ein orangefarbener Aufsteller. 

In der ersten Etage rücken die Fernseher zur Seite

„Umbauphase“? Es ist weit mehr als das. Was gerade bei Saturn passiert, ist wie das Ende einer Ära: Nach Rundschau-Informationen zieht die Musik-Abteilung in das Technikhaus an der Maybachstraße um. Kein Wunder, dass die CD-Regale sich leeren – nebenan wäre wohl kaum genug Platz für alles. Für die Tonträger wird aktuell in der ersten Etage Fläche freigeräumt. Die Abteilung mit den Musikanlagen rückt weiter an den Rand, die Fernseher werden offensichtlich etwas zusammengeschoben. Markierungen auf dem Boden zeigen die Stellflächen.

Was künftig mit dem Haupthaus am Hansaring passiert – unklar, Saturn schweigt, kündigt Informationen für einen späteren Zeitpunkt an, „wenn die Planungen abgeschlossen sind“. Es gibt aber längst Gerüchte. Eines besagt, dass dort eventuell ein riesiger Showroom entstehen könnte: Viel zum Schauen und Spielen, neue Entwicklungen, Promis und Sternchen.

„Größte Alben zum kleinen Preis“

Davon ist das geschichtsträchtige Haus (siehe Kasten) im Moment noch ein ganzes Stück entfernt. Mittwochmittag ist eine einzige Kasse geöffnet. Wartezeiten gibt es nicht. Alte Deckenleuchten sind schon auf dem Boden gestapelt, die leeren Papphalter mit den „größten Alben zum kleinen Preis“ in die Ecke gestellt. Die Mitarbeiter in den hellblauen Saturn-T-Shirts sortieren, was noch da ist, beraten freundlich, helfen bei Fragen, die seltenere Musikstile betreffen. Aber auch die Mitarbeiter sind weniger geworden.

Saturn hatte Ende des Jahres mehr als ein Drittel der Belegschaft entlassen: 57 der 150 Mitarbeiter aus Technikhaus und Haupthaus mussten gehen. Als Grund wurden sinkende Umsätze bei Video- und Tonträgern genannt. Dass das Haus eine lange Tradition hat, habe die Entscheidung schwierig gemacht. In Zeiten von Streaming sei „die Nachfrage in diesem beratungsintensiven Geschäft aber schon seit längerem rückläufig“, teilte der Elektronikriese mit.

Gebäude mit langer Geschichte

Das Hochhaus direkt am Hansaring wurde 1924 gebaut. Mit 65 Metern war es damals das höchste Haus Europas. 1961 wurde Saturn am Hansaring gegründet, der Schriftzug prägt seitdem das Klinker-Mauerwerk. Mit einer Fläche von mehr als 10 000 Quadratmetern galt Saturn als „größtes Entertainment-Haus der Welt“ mit einer riesigen Auswahl an Musik, Film, Software, Spielen und Konsolen. In den Etagen über dem Geschäft befindet sich seit 2008 ein Hotel. Das wenige Schritte entfernte Technik-Haus wurde 1994 eröffnet. Hier gibt es traditionell Elektrogeräte, Fernseher, Kameras und Handys. (kl)

Früher kamen die Musikfreunde aus dem ganzen Land, wenn nicht gar aus der ganzen Welt nach Köln, um hier ihre Schallplatten zu kaufen. Was auch immer es angeblich nur in den USA gab – die Wahrscheinlichkeit, dass man in einem Regal am Kölner Hansaring fündig wurde, war relativ groß. 

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Die Platten waren nach einem ausgeklügelten System sortiert. Wenn eine scheinbar vergriffen war, führte eine Kennziffer zu einem Regal in der Wand, das auch als Lager diente. In den 1980er Jahren galt Saturn am Hansaring mit mehr als fünf Millionen Kunden pro Jahr als das beliebteste Ziel in der Stadt nach dem Dom. Es folgte der Siegeszug der CD für Musik und der DVD für Filme. Schließlich kamen die Streaming-Dienste, mit denen die klassischen Tonträger immer mehr an Bedeutung verloren.

Gründerfamilie krempelte die komplette Branche um

Fritz und Anni Waffenschmidt gründeten den Elektrohändler Saturn im Jahr 1961. Sie krempelten die Branche um, etablierten ein Selbstbedienungskonzept für Schallplatten und senkten die Preise. In den 1980ern verkauften sie ihr Geschäft und zogen in die USA. Erst 2011 kehrte die Familie zurück. Fritz Waffenschmidt starb im April 2017, seine Ehefrau Anni nur wenige Wochen später. (kl/ngo/bos)

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