Renan Demirkan im Interview„Die Demokratie ist aus der Balance“

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„Es gibt keine bessere Form des Zusammenlebens“: Die Schauspielerin Renan Demirkan engagiert sich.

„Es gibt keine bessere Form des Zusammenlebens“: Die Schauspielerin Renan Demirkan engagiert sich.

Sie ist Schriftstellerin, Schauspielerin und Kämpferin für die Demokratie. Renan Demirkan gründete den Verein Checkpoint-Demokratie, schreibt Bücher, nun will sie in der Volksbühne wachrütteln. Dominic Röltgen sprach mit ihr. 

Frau Demirkan, ist die Demokratie in Gefahr?

Ich hoffe nicht, dass sie in Gefahr ist, aber es wird an ihr gezerrt – und das ist nie ein gutes Zeichen. Ich würde sagen, die Demokratie ist aus der Balance geraten. Die Menschen denken, meinem Gefühl nach, dass es etwas Besseres gäbe. Es gibt aber keine bessere Form des Zusammenlebens. Die Demokratie ist nicht einfach nur eine politische Gesellschaftsform, sondern auch eine Geisteshaltung, ein moralischer Imperativ der offenen Gesellschaft, der Rechte und Pflichten des Einzelnen, der Verantwortung, die wir füreinander haben, und natürlich auch die der Solidarität. Demokratie mit Aus- oder Abgrenzung und Rassismus funktioniert nicht.

Hat die Politik Schuld an der Entwicklung?

Ich glaube, die Schuldfrage ist eine heikle Angelegenheit. Ich glaube aber, dass die Politik der letzten etwa 20 bis 25 Jahre die Demokratie für zu selbstverständlich genommen hat. Sie hat sie nicht gepflegt, gefordert oder abgesichert. Meiner Meinung nach hat die Politik die Moderne, etwa wie Menschen heute arbeiten, verschlafen.

Es gibt Kritiker, die sagen, dass die Demokratie prinzipiell keine Abgrenzung demgegenüber kenne, worüber und was entschieden wird. Wie verhindert man, dass Menschen wie Hitler, der auch demokratisch gewählt wurde, an die Macht kommen?

Das ist die Achillesferse der Demokratie – dass sie eben auch ihre Feinde zur Wahl stellt. Deswegen ist es so unsagbar wichtig, dass sich jeder einzelne bewusst ist, dass die Demokratie immer nur mit ihm gemeinsam funktionieren kann. Die Verantwortung spielt dabei eine große Rolle. Demokratie ist zunächst einmal ein Angebot an die Menschen, in Freiheit zu leben. Und wenn sie dieses Angebot nicht pflegen und achten, wird ihnen auch die Freiheit der Wahl wieder aus den Händen genommen werden.

Sehen Sie dennoch optimistisch in die Zukunft?

Ich bin von meinem Wesen her Optimistin. Ich bin – vielleicht hängt das auch mit meinem Migrationshintergrund zusammen – damit aufgewachsen, dass das Leben eigentlich nur besser werden kann. Es gab für mich immer ein Gestern, das war besser, und ein Morgen, das wird noch besser sein. Und das Jetzt galt es anzugehen und zu verbessern. Nur das verbindende Prinzip ist das Friedensprinzip, das trennende ist das Kriegsprinzip.

Sie haben in dem Buch „Impulse für eine Demokratie der Moderne“ Beiträge veröffentlicht. Gab es unter den Autoren jemanden, der sie besonders überrascht hat?

Die Geschichte von Nico Hoffmann (Regisseuer und Produzent/Anm. d. Red) hatte ich so nicht erwartet. Er beschreibt, wie seine Mutter von einer Mitläuferin als Journalistin zu einer Kämpferin der Demokratie geworden ist. Was mir die Arbeit an dem Buch generell gezeigt hat, war, dass die Idee der Demokratie, die so porös zu sein schien, in kleinen Dialogen plötzlich wieder unheimlich aktiviert wurde.

„Demokratie: Analoge Pflicht – digitale Kür?“: Mittwoch, 30. Januar, Volksbühne am Rudolfplatz. Die Autoren Ayshe Gallé, Clelia Sarto und Lucas Gerrits lesen, 19 Uhr, 9 Euro.

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