Seit 120 JahrenKölner Sanitätshaus Appelrath Kemper kümmert sich um Rückenleiden

Lesezeit 3 Minuten
Mit einer Feile bearbeitet Nicolaj Reberg das Gipsmodell für ein Korsett.

Mit einer Feile bearbeitet Nicolaj Reberg das Gipsmodell für ein Korsett.

  • 1949 fängt die Geschichte von Appelrath Kemper an – mit der Korsettleibbinde.
  • Aus dem kleinen Laden entwickelte sich das Sanitätshaus Appelrath Kemper, das nun seit 120 Jahren Menschen mit Rückenleiden versorgt.
  • Wir stellen das Traditionsunternehmen vor.

Köln – Brief und Siegel stammen vom Kaiserlichen Patentamt: Die Urkunde von 1912 bezeugt, dass Anna Appelrath, geb. Hollerbach, aus Cöln ein Patent für die „Korsettleibbinde“ hält. Ihr Ehemann hatte 1899 ein Unternehmen gegründet. 120 Jahre später stehen ihre Urenkel Andrea Kemper-Gawel (60) und Martin Kemper (57) in dem Geschäft an der Hahnenstraße. Damals wie heute sind Rückenleiden ein Schwerpunkt im Sanitätshaus Appelrath Kemper.

Knallbunt ist das moderne Skoliose-Korsett, das für ein Mädchen mit einer verkrümmten Wirbelsäule hergestellt wurde. Es ist maßgenau gefertigt, wie vor mehr als 100 Jahren. Die Technik ist allerdings eine ganz andere: „Das Korsett entsteht anhand von Gipsabdrücken und Röntgenbildern“, erklärt Martin Kemper in der Werkstatt. Dort feilt ein Mitarbeiter gerade das Gipsmodell für ein weiteres Korsett aus Kunststoff. Es wirkt schief. Aber das muss so sein, weil mit der eingearbeiteten „Druckzone“ dem verformten Rückgrat entgegengewirkt wird.

Seit 30 Jahren führen Martin Kemper und Andrea Kemper-Gawel das Geschäft.

Seit 30 Jahren führen Martin Kemper und Andrea Kemper-Gawel das Geschäft.

Traditionsunternhemen besteht seit 1949

Manche Kinder und Jugendliche kommen über Jahre ins Sanitätshaus. „Bis zum Wachstumsende“ könne man die Wirbelsäule richten, erklärt Andrea Kemper-Gawel. „Danach nicht mehr.“ Im schlimmsten Fall werde im Alter ein Schmerzkorsett notwendig. Diese werden auch von Hand maßgeschneidert. Vier Nähmaschinen stehen in der Werkstatt, die Mitarbeiterinnen vernähen dicken Baumwollstoff, Metallschienen und Klettverschlüsse. „Der Rücken ist im Moment das Thema Nummer Eins“, sagt Orthopädietechnik-Meister Martin Kemper. Langes Sitzen und zu wenig Bewegung trügen dazu bei. Dabei wird es möglicherweise nicht bleiben: „Ich denke, dass in 30 bis 40 Jahren wegen der Handy-Nutzung die Halswirbelsäule große Probleme machen wird.“

Anna Appelrath, Urgroßmutter der heutigen Inhaber, erhielt das Patent über die Korsettleibbinde.

Anna Appelrath, Urgroßmutter der heutigen Inhaber, erhielt das Patent über die Korsettleibbinde.

1949 eröffnete das Sanitätshaus an der Hahnenstraße, in der vom Kölner Architekten Wilhelm Riphahn geplanten Ladenzeile. Die Familiengeschichte an diesem Standort reicht viel weiter zurück: Hier stand auch das Haus von Anna und Heinrich Appelrath, es wurde im Krieg durch Bomben zerstört. Im heutigen Büro hängen Familienfotos, vier Generationen von Inhabern. Die fünfte Generation ist schon bereit: Martin Kempers Sohn wird den Familienbetrieb übernehmen. „Die Arbeit hört nie auf“, sagt Martin Kemper, der das Geschäft seit 1989 gemeinsam mit seiner Schwester führt.

„Wir können helfen“

Nach dem Krieg mussten vor allem Prothesen angefertigt werden. Auch heute noch werden künstliche Gliedmaße in der Werkstatt hergestellt. Zangen, Schraubendreher, Feilen gehören zum täglichen Werkzeug der Orthopädietechniker. Die Werkstoffe sind hingegen vielfältiger geworden, moderne Prothesen sind High-Tech-Geräte – das alte „Holzbein“ ist Geschichte.

Das könnte Sie auch interessieren:

Andrea Kemper-Gawel berät als gelernte Bandagistin auch Frauen, die nach einer Brustkrebsoperation eine Prothese benötigen. „Früher gab es nur mit Reis gefüllte Säckchen“, erzählt sie. Später wurde flüssiges Glycerin verarbeitet, inzwischen sei Silikon der Standard.

Appelrath Kemper hat 35 Mitarbeiter. Büros, Werkstätten, Anproberäume und der Verkaufsbereich erstrecken sich inzwischen auf etwa 1000 Quadratmetern. Im Geschäft gibt es auch bunte Kompressionsstrümpfe, Spezialkleidung, Sportbandagen, Reha-Bedarf. „Wir arbeiten aktiv an den Menschen und können helfen“, sagt Andrea Kemper-Gawel. „Das ist das Schöne an unserem Beruf.“

Appelrath Kemper, Hahnenstr. 19, Telefon 0221/ 9215400, geöffnet montags bis freitags 9 bis 18 Uhr, samstags 10 bis 14 Uhr appelrath-kemper.de

Rundschau abonnieren