Showdown in der SPDKossiski und Amtsinhaber Joisten streiten um den Vorsitz

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Kossiski September 2020

Andreas Kossiski

Köln – Rund 8400 Stimmen mehr als im ersten Durchgang vor zwei Wochen hat SPD-Kandidat Andreas Kossiski (62) bei der Stichwahl am Sonntag geholt. Mit 40,73 Prozent kam er auf ein respektables Ergebnis. Die Geschlossenheit, mit der Kandidat, Partei und Fraktion zuletzt aufgetreten sind, dürfte dazu einiges beigetragen haben. Doch damit war es bereits am Wahlabend vorbei.

Mit Kossiskis Ankündigung, für den Vorsitz der Ratsfraktion zu kandidieren, die für viele überraschend kam, und der Reaktion des amtierenden Fraktionschefs Christian Joisten (48) darauf, der ebenfalls antritt, steht die Kölner SPD erneut vor einer Zerreißprobe. Wie groß die Nervosität ist, zeigt der Umstand, dass die Partei eine für Montagmittag angesetzte Pressekonferenz mit Kossiski, Joisten und Parteichefin Christiane Jäger (57) kurzfristig eine Stunde vorher absagte. Nun läuft alles auf einen Showdown in der Fraktionssitzung am Mittwoch hinaus. Fraglich ist, ob Joisten dann eine Mehrheit der 19 Mitglieder hinter sich versammeln kann oder ob Kossiski gewinnt.

Es steht Aussage gegen Aussage

Wie berichtet, wirft Joisten Kossiski vor, sich nicht an Absprachen gehalten zu haben. Mit ihm habe es die klare Vereinbarung gegeben, dass Kossiski nicht in den Rat gehe. Das habe auch Jäger gewusst – was diese jedoch zurückweist. Es steht Aussage gegen Aussage.

Andreas Kossiski erklärte auf Anfrage: „Ich weise die Vorwürfe weit von mir. Es hat während des Wahlkampfs keinerlei Absprachen oder Zusagen von mir gegeben, dass ich auf irgendeine Funktion verzichte. Ich bin nicht für Hinterzimmerabsprachen. Das mache ich nicht.“ Er sei angetreten, um OB zu werden, jetzt wolle er im Rat Verantwortung übernehmen. „Ich bin sechs Monate durch Köln gelaufen und habe den Menschen versprochen, mich um diese Stadt zu kümmern, und genau das will ich jetzt tun. Daraus einen Vorwurf zu machen und mir zu unterstellen, ich hätte irgendwelche Abmachungen gebrochen, ist für mich nicht nachvollziehbar“, so Kossiski.

Kossiski habe mehrmals betont nicht in den Rat zu wollen

Er habe ein Angebot gemacht, darüber werde die Fraktion demokratisch entscheiden. „Ich will Gräben zuschütten und stehe dafür, mit allen zusammenzuarbeiten.“ Christian Joisten zeigte sich auf Anfrage zuversichtlich, dass er die Wahl am Mittwoch für sich entscheiden kann. „Ich erfahre derzeit viel Unterstützung aus den Reihen der neuen Fraktion.“ Er blieb bei seiner Aussage, dass Kossiski ihm gegenüber eindeutig erklärt habe, er wolle nicht in den Rat. Das habe Kossiski auch bei mehreren Gelegenheiten vor anderen SPD-Vertretern inklusive Jäger klar gesagt.

Es sei wichtig, „dass die neue Fraktion auf einer soliden, wertschätzenden und solidarischen Basis miteinander arbeitet. Dafür ist das Gespräch miteinander die wichtigste Grundlage“ sagte Joisten mit Blick auf Kossiskis Ankündigung. Die Fraktion habe Kossiski im Wahlkampf mit aller Kraft unterstützt, sie habe „die relevanten Themen gesetzt und im Rat wichtige Entscheidungen wie das 45-Millionen-Euro-Corona-Hilfspaket oder den Erhalt der Siedlung Egonstraße herbeigeführt“. Es gehe nun darum, in der neuen Fraktion gut, verlässlich, und an der Sache orientiert Politik zu machen. „Dafür stehe ich zur Verfügung“, so Joisten.

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In der Partei hat der Machtkampf Unruhe ausgelöst. Die alten Streitigkeiten, die seit dem Ausscheiden von Ex-Fraktionschef Martin Börschel immer wieder zu Tage traten (siehe Kasten), flammen für alle sichtbar wieder auf. Während einige darauf hoffen, die Ära Joisten jetzt beenden zu können, meinen andere, dass im Hintergrund noch immer Börschel und Ex-Parteichef Jochen Ott die Fäden ziehen und es an der Zeit wäre, dass dies endlich aufhöre. Der Fraktionschef der SPD im Bundestag, Rolf Mützenich, und SPD-Bundeschef Norbert Walter-Borjans – beide Mitglied der Kölner SPD – wollten sich nicht direkt zum Zweikampf zwischen Kossiski und Joisten äußern.

Chronik der Querelen

Der öffentliche Streit um den Fraktionsvorsitz ist ein weiterer Höhepunkt in dem seit Jahren schwelenden Dauerkrach in der SPD. Einige Beispiele.   Stadtwerke-Affäre: Der langjährige SPD-Fraktionschef Martin Börschel versucht 2018, ohne Ausschreibung neuer   Stadtwerke-Chef zu werden, der Plan scheitert und führt zur größten Krise der SPD seit vielen Jahren. Börschel gibt sein Amt am 22. Juli ab. Statt des von ihm favorisierten Klaus Schäfer wählt die Fraktion Christian Joisten mit 13 zu 11 Stimmen zu ihrem Chef.   Verdienstausfall: Im September 2019 verklagt Joisten die Stadt, es geht um die Höhe der Erstattung seines Verdienstausfalls. Parteichefin Christiane Jäger wirft ihm  einen Alleingang vor, weil er Partei und Fraktion nicht vorher informiert hat. Sie schreibt ihm: „Zumindest bei mir ist  nachhaltig Vertrauen in die Zusammenarbeit zerstört worden.“ Joisten zieht die Klage im März 2020 zurück. Geschäftsführung: Die langjährige Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Barbara Lübbecke, hört Ende Mai 2020 auf. Um Ostern hat sie Joisten vorgeworfen, er habe sie aus dem Amt gedrängt. Andere Genossen meinen, als Börschel-Vertraute habe Lübbecke Joisten nie uneingeschränkt unterstützt. Als neuen Geschäftsführer nominiert Joisten im Mai seinen Vertrauten Rafael Struwe. Der fällt im ersten Wahlgang glatt durch, wird erst im zweiten Versuch mit 15 von 27 Stimmen gewählt.   Abwahlantrag: Im Zuge des Zoffs um Lübbecke stellen die drei stellvertretenden Fraktionschefs Peter Kron, Andreas Pöttgen und Monika Schultes im April 2020 einen Antrag, Joisten als Fraktionschef abzuwählen. Mehrere Gesprächsrunden bleiben ohne Ergebnis. Der SPD-Parteivorstand schaltet sich ein, verlangt ein Ende der Streitigkeiten. Am Ende ziehen die Antragsteller ihren Antrag zurück. (fu)

Mützenich sagte aber immerhin, Kossiski habe „einen überaus engagierten und an Sachthemen ausgerichteten Wahlkampf geführt und dabei ein herausragendes Ergebnis erzielt. Er hat den Takt und die Themen gesetzt, wie eine soziale und gerechte Stadtpolitik aussehen muss.“

Auch Walter-Borjans erklärte, Kossiski habe „mit seiner Kandidatur Maßstäbe für die Stadtpolitik gesetzt. Ich würde sehr begrüßen, wenn die Kölner Sozialdemokraten diese Linie geschlossen weiterverfolgen würden. Die klare sozialdemokratische Handschrift in vielen Bereichen der Bundespolitik ist das Ergebnis der vertrauensvollen Zusammenarbeit, die wir in Berlin praktizieren. Ich kann nur dazu raten, das auch auf städtischer Ebene so zu handhaben.“

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