Versenkbare Poller?Sperrung der Schaafenstraße am Wochenende ist manchen nicht genug

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Nachdem ein Auto jemanden angefahren hat, dürfen die Wirtinnen und Wirte die Straße am Samstagabend sperren. 

Köln – Um 21 Uhr ist es an diesem Samstag recht ruhig auf der Schaafenstraße. Zum einen ist es noch früh und es war eigentlich Regen angesagt, zum anderen aber haben die breitschultrigen Männer von der Security gerade die Straße für den Verkehr gesperrt. Ruhig liegt der Asphalt nun da und wartet auf die vielen Grüppchen, die dort später zusammenstehen werden.

Stadt erlaubt Wirten Sperrung der Schaafenstraße

Im Eilverfahren hatte die Stadt den Wirtinnen und Wirten vor gut zwei Wochen das selbstständige Sperren am Wochenende erlaubt. Auslöser war ein Vorfall eine Woche davor gewesen, bei dem eine 34-jährige Person mutmaßlich mit Absicht von einem Auto angefahren wurde, der Fahrer floh. Die Polizei ermittelt noch, ob es sich um einen homophoben Angriff gehandelt hat.

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Robin ist auf der Schaafenstraße auch als Drag-Queen unterwegs.

„Ich erwarte in Köln Solidarität“, sagt Robin, der auf der Schaafenstraße manchmal auch als als Drag-Queen unterwegs ist.

In der Kneipe „Mumu“ ist schon am frühen Abend ein bisschen was los, aber Betriebsleiter Daniel Klemenz hat noch Zeit für einen Plausch. Er beobachte in der Zeit geschlossener Clubs und abgesperrter Plätze, dass sich szenefremdes Partyvolk unter die Menge mische, das eigene Musik mitbringe und viel Müll hinterlasse. Da komme es zu Konflikten. „Die können hier mitfeiern, aber sie müssen sich auch anpassen“, findet er.

„Mumu“ wird zunehmend zur No-go-Area

Klemenz unterstützt daher den öffentlichen Hilferuf des „Mumu“-Betreibers Mario Becker vor drei Wochen. Darin hieß es, der Hotspot für die LGBTIQ-Szene (lesbisch, schwul, bisexuell, intersexuell, transgender und queer) entwickle sich zur „No-Go-Area“, es komme mehr und mehr zu verbalen und teils körperlichen Angriffen. Der Kölner Robin (21) hat auch mitbekommen, dass es in letzter Zeit öfter mal Ärger gab.

Er ist an den meisten Wochenenden auf der Schaafenstraße unterwegs, sei es als Kellner, als die Drag-Queen „The Only Naomy“ oder, wie heute, einfach als Gast. Es komme zu Konflikten, wenn Leute mit ihren Autos durch die Menge fahren. „Das schaukelt sich dann hoch“, sagt er. Manchmal fielen homophobe Beleidigungen, es seien auch schon vereinzelt Flaschen auf die Fahrzeuge geflogen.

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Daniel Klemenz, Betriebsleiter der Kneipe „Mumu“.

„Die Leute können hier mitfeiern, aber sie müssen sich auch anpassen“, sagt Daniel Klemenz, Betriebsleiter Kneipe „Mumu“.

Kölner Schaafenstraße: Warum keine versenkbaren Poller?

Nach dem Vorfall mit dem Auto bekundeten alle größeren Kölner Parteien außer der AfD ihre Solidarität mit der LGBTIQ-Szene. „Ich muss sagen, das erwarte ich in Köln auch“, sagt Robin. Er findet die Absperrung gut, sagt aber, die Politik könne mehr tun, als Beispiel nennt er versenkbare Poller, wie sie in der Domumgebung errichtet wurden. „Ein Statement schützt mich noch nicht.“

Die meisten empfinden die Schaafenstraße an diesem Abend immer noch als sicheren Raum. „Eine No-Go-Area kann ich nicht bestätigen“, sagt zum Beispiel Stefan W. aus Köln. „Wir fühlen uns total sicher hier“, sagt auch der Kölner Joao Souza (50) auf der Hennes-Terrasse und gibt seinem Partner Gereon Blönnigen (60) einen Kuss. Blönnigen wohnt in Solingen, im Vergleich zu Köln gehe es dort insgesamt konservativer zu. Trotzdem betont Souza, dass er mit dem Kuss außerhalb der Schaafenstraße vorsichtiger wäre.

„Mega-tolerante“ Stadt Köln: Nur ein Trugbild?

Tatsächlich finden nicht alle, dass Köln seinem Selbstbild als offene und mega-tolerante Stadt immer entspricht. Johannes (29) zum Beispiel hat lange in Berlin gelebt und sagt: „In Köln würde ich mir zweimal überlegen, wie ich auf die Straße gehe, zum Beispiel mit Schminke. Darüber habe ich in Berlin nie nachgedacht.“

Gerade deshalb müssten Orte wie die Schaafenstraße sicher bleiben. Auch Robin, der in seiner Drag-Rolle auch U-Bahn fährt, gibt zu: „Natürlich verunsichern mich auch Vorfälle wie der mit dem Auto.“ Seine Reaktion: „Ich denke dann: Jetzt erst recht, das ist meine Straße. Es klingt hart, aber ich lasse mich lieber zusammenschlagen, als meine Freiheit nicht zu leben.“

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