Wohnen in KölnWie die WG-Suche während der Pandemie funktioniert

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Viele Namen, ein Haushalt: Bei begrenztem Wohnraum, wie in Köln, ist die Wohngemeinschaft eine beliebte Form des Zusammenlebens. Freie Zimmer sind dementsprechend begehrt.

  • Alles ist schwieriger in der Pandemie, auch die Wohnungssuche und erst recht die Suche nach einer Wohngemeinschaft. Unsere Autorin hat es trotzdem gewagt.
  • Und Erfolg gehabt.

Köln – Noch einmal die Anzeige durchlesen, einen Schluck Tee trinken und den Laptop ausrichten. Auf dem Bildschirm ist das Programm Skype geöffnet, der Videoanruf kann gleich starten. Noch ist das Bild schwarz, dann bimmelt es leise, und die Kameras gehen an. Eine in Köln-Sülz. Sie zeigt Vivien, Karsten, Manu und Mario (Namen geändert), die sich auf ein kleines olivgrünes Sofa quetschen. Karsten sitzt auf der Lehne. Die Wand hinter ihm ist vermutlich weiß, durch das Licht einer Stehlampe wirkt sie zartrosa. Erster Eindruck: gemütlich.

Die andere Kamera erfasst mich, an meinem Schreibtisch, der noch in einem Zimmer in Wuppertal steht. Ich begrüße die Wohngemeinschaft mit einem simplen, aber freundlichen „Hallo“. Alle schauen mich für ein paar Sekunden erwartungsvoll an, schließlich sagt Vivien: „Wir hören dich leider nicht.“ Das Mikro war aus. Dann kann es losgehen – das Corona-konforme WG-Casting.

Zahlen und Portale

437 Euro betrug die durchschnittliche Warmmiete für ein WG-Zimmer in Köln im Jahr 2020 laut einer Studie von Immobilienscout und wg-suche.de. Gerade in Zeiten der Wohnungsnot ist die Wohnform für junge Menschen attraktiv. Neben den finanziellen Aspekten (geteilte Kosten reduzieren die Belastungen) schätzen viele die Gesellschaft. Wer neu in der Stadt ist, hat in einer WG sofort Kontakte.

27 798 Angebote für Wohngemeinschaften finden sich derzeit (Stand 21. April) im Portal WG-gesucht für ganz Köln. Studierende leben häufig in einer WG, aber auch Berufstätige nutzen diese Form des Zusammenlebens. Heutzutage ist das Konzept der Senioren- oder der Mehrgenerationen-Wohngemeinschaft ebenso beliebt. Dabei unterstützen sich die Mitbewohnenden gegenseitig beim Einkaufen oder Kinderbetreuen.

Portale erleichtern die Suche nach Wohngemeinschaften. Die beliebtesten sind etwa: wg-gesucht.de, wg-suche.de, wohnungsboerse.net oder unspezifische Webseiten wie eBay-Kleinanzeigen, immonet oder immobilienscout24.

Suchende können ein Profil von sich erstellen und bei einem Suchauftrag ihre Anforderungen angeben, wie die Zimmergröße, Anzahl der Mitbewohnenden oder Barrierefreiheit. (khe)

Alles ist schwieriger in der Pandemie, auch die Wohnungssuche und erst recht die Suche nach einer Wohngemeinschaft. Schließlich kommt es doch darauf an, die potenziellen Mitbewohner zu beschnuppern. Geht das virtuell? Die Wohnung in Sülz war eine von 119 Anzeigen, die auf dem Portal „WG-gesucht“ aufgelistet wurden. Dabei hatte ich die Suche nach einem Zimmer in Köln bereits eingegrenzt beispielsweise mit der Auswahl der Veedel. Doch die Beschreibungen der Wohngemeinschaften grenzen die Suche weiter ein. Kater Apollo aus der Maisonette-Wohnung in Ehrenfeld würde mich aufgrund meiner Allergie umbringen. In Wohnungen für Studierende darf ich nicht einziehen, weil ich nicht mehr an einer Universität oder Hochschule eingeschrieben bin.

Das erste Gespräch

Die Unterhaltung dauert zehn Minuten, in weiteren fünf Minuten zeigt mir Manu die Wohnung. Dafür läuft er mit dem Laptop in den Händen durch die Räume. Eine recht wackelige Angelegenheit, aber es genügt für einen kurzen Einblick. Die Wohnung ist aufgeräumt, aber sehr dunkel. Wohnzimmer, Küche und Bad haben keine Fenster. Dann ist das Casting vorbei. Wir verabschieden uns. Eine Woche später bekomme ich Bescheid: eine Absage.

Zwischenzeitlich habe ich 20 Wohngemeinschaften angeschrieben, sieben haben geantwortet. Drei davon haben eine Standardnachricht geschickt: „Hallo, vielen Dank für dein Interesse. Wir werden zunächst alle Anfragen sichten. Leider können wir bei der Menge der Nachrichten nicht alle einladen.“

Es folgen vier weitere Vorstellungsrunden per Video-Telefonat. Dabei bekomme ich auch einen Blick auf die andere Seite. „Wir haben über 100 Nachrichten bekommen“, erzählte Nico aus einer Wohngemeinschaft in der Nähe vom Heumarkt. Die Videoanrufe sind zeitlich getaktet, um so viele Bewerber wie möglich kennenzulernen. Das ganze Prozedere ist ermüdend. Für beide Seiten.

Nächster Versuch

Zwei WGs haben mich persönlich eingeladen. An einem Montag fahre ich nach der Arbeit in die Südstadt. Nina, Anja, Max und Thorben öffnen mir die Tür im vierten Stock. Sie haben gerade ihr Abendessen beendet und räumen den Tisch ab. Alle tragen eine Maske.

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Danach sehe ich die restliche Wohnung das erste Mal in echt: Sie geht über zwei Etagen. An der oberen ist eine große Dachterrasse – das Herzstück der Wohngemeinschaft. Nach dem Treffen warte ich gespannt auf die Nachricht. Sie sagen mir für das Zimmer, auf das ich mich beworben habe, ab. Doch ein zweites Zimmer wird frei. Wir treffen uns auf einen Spaziergang. Steffen ist dieses Mal dabei. Er hat das erste Zimmer „gewonnen“ und darf nun mit auswählen. Vier Tage später kommt die Nachricht: „Es ist uns nicht leicht gefallen, aber wir haben uns für jemand anderen entschieden. Alles Gute bei der weiteren Suche.“ Normales Geschäft bei der WG-Suche, aber: Ich bin enttäuscht.

Dass Köln gerade bei jungen Menschen beliebt ist, ist klar, aber dass trotz der Pandemie so viele auf Wohnungssuche sind, ist doch etwas erschütternd. Das Coronavirus erschwert das Ganze. Videoanrufe und Treffen mit Abstand und Maske schaffen vor allem eines: Distanz. Doch Corona ist auch einer der Gründe, warum ich in einer Wohngemeinschaft leben möchte. In Zeiten, in denen Kontaktbeschränkungen gelten, bin ich froh Gesellschaft zu haben, wenn ich sie möchte. Nicht zuletzt spielt der finanzielle Aspekt eine Rolle.

Volltreffer

Eine Woche später bin ich erneut im Kölner Süden. Johanna und Semjon haben mich nach der ersten Kennenlernrunde online in ihre Altbau-Wohnung eingeladen. Auch sie führen mich per Kamera durch die Zimmer. Besonders aufgefallen sind der Dielenboden und die hohen Decken. Große Fenster durchfluten das Zimmer mit Licht. Der Balkon ist im Hinterhof: Idylle mitten in der Stadt. Als ich in der Straße ankomme, ist es dunkel. Ich finde das Haus nicht, bis ich merke dass es die Nummer sechs und nicht die neun ist, die ich suche.

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Kennenlernen in der Pandemie: Johanna, Semjon und Autorin Kaja Hempel (v. l.) trafen sich zuerst online. Nun wohnen sie zusammen.

Mit Abstand setzen wir uns in die Küche. Wir unterhalten uns so lange, bis Johanna sagt: „Es tut mir leid, ich muss ins Bett. Ich hab Frühdienst und muss um 5 Uhr aufstehen.“ Es ist 23.20 Uhr. Bei der Verabschiedung sagt sie: „Wenn du möchtest, kannst du einziehen.“ Wir wollen alle noch eine Nacht darüber schlafen. Doch klar ist: Nach zwei Monaten Suche bin ich endlich in meinen 18 Quadratmetern in Köln angekommen. Am Mittag sende ich den beiden eine WhatsApp-Nachricht mit meiner Zusage. Zurück kommt: „Herzlich Willkommen.“

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