Essen und der Rhein-Sieg-Kreis haben bereits angekündigt, die Kosten an die Bürger weiterzugeben. Köln kämpft noch um eine Einigung und spricht von einem „Webfehler“ im Sozialgesetzbuch. Ein Überblick
RettungseinsätzeNRW-weit drohen höhere Kosten für den Krankenwagen

Weil viele Rettungswagen mittlerweile nach Notrufen leer zurückfahren, sind die Einsatzkosten pro Fahrt stark angestiegen.
Copyright: Monika Skolimowska/dpa
Bei einem Unfall oder gesundheitlichen Unglücksfall ist der erste und häufig auch lebensrettende Gedanke, die Notfallnummer 112 anzurufen. In rund zehn Minuten ist in Großstädten wie Köln dann der Rettungswagen da und gewährleistet die medizinische Erstversorgung der verletzten oder erkrankten Personen. Auf den Patienten kam lediglich ein Eigenanteil von höchstens zehn Euro zu. Bisher war es demnach ein hohes Gut, nicht groß darüber nachdenken zu müssen, wer eigentlich die Hauptkosten für den alarmierten Rettungseinsatz übernimmt. Das kann sich möglicherweise künftig ändern, wenn sich die kreisfreien Städte und Kreise mit den Krankenkassen bei der Kostenübernahme nicht mehr einigen sollten. Womöglich müssen Angehörige oder sonstige Helfer insbesondere „leere“ Rettungsfahrten bald regelmäßig mitbezahlen.
Worüber streiten Kassen und Kommunen?
Rettungseinsätze werden in Nordrhein-Westfalen (NRW) von den kommunalen Trägern – Städte und Kreise – organisiert. Dabei werden die Einsätze sowohl von eigenen Kräften wie den Feuerwehren oder von vertraglich beauftragten Unternehmen wie Deutsches Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund, Malteser Hilfsdienst oder Johanniter-Unfall-Hilfe durchgeführt. Die Kosten für die Rettungsdienstfahrten werden in NRW über kommunale Gebührenordnungen refinanziert.
Bisher einigten sich Träger und Krankenkassen regelmäßig. Doch seit Herbst 2024 kommt es wegen der Kosten landesweit zum Streit: Die Krankenkassen akzeptieren häufig nicht mehr, insbesondere für die sogenannten „leeren“ Rettungsfahrten zu zahlen, in denen nach der Alarmierung kein Patiententransport stattfindet, weil es medizinisch nicht erforderlich ist oder der Patient am Unfall- oder Unglücksort verstirbt. Laut Angabe des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) NRW würden diese mittlerweile in vielen Kommunen und Kreisen einen erheblichen Anteil von rund 25 Prozent ausmachen.
Alles zum Thema Deutscher Bundestag
- Bei Bundespolizei in Berlin Drohnenabwehrzentrum eingeweiht: Arbeit beginnt im Januar
- Bundesregierung Von Rente bis Wolf: Kabinett bringt Reformen auf den Weg
- Bloß nichts überstürzen Was Sparer angesichts geplanter Riester-Reform jetzt tun sollten
- Konjunktur Ifo-Index fällt erneut - „Jahr endet ohne Aufbruchstimmung“
- Rettungsschwimmer DLRG: „Hundertfach lebensbedrohliche Situationen“ im Wasser
- Ukraine-Krieg Merz fordert „klares Signal an Russland“ bei EU-Gipfel
- Nach neun Jahren Sanierung Beethovenhalle neu eröffnet - „Ort der Demokratiegeschichte“
Wie ist die aktuelle Gesetzeslage?
Die Kostenübernahme bei Rettungseinsätzen ist im Sozialgesetzbuch V geregelt. Der §133 SGB V verweist grundsätzlich auf landesrechtliche und kommunalgesetzliche Bestimmungen zur Finanzierung von Rettungsdiensten und Krankentransporten. Die Norm sieht jedoch eine „Ausstiegsklausel“ für die kommunalen Träger vor, wenn die Kosten für Rettungsfahrten grundsätzlich von den betroffenen Bürgern über eine Gebührenerhebung übernommen werden müssten. In diesen Fällen haben sich die Krankenkassen und Kommunen in Nordrhein-Westfalen bisher über die Finanzierung regelmäßig geeinigt: Sprich die kommunalen Träger übernahmen die Einsätze der Rettungswagen (RTW), Krankentransportwagen (KTW) und Noteinsatzfahrzeuge (NEF). Und die Kassen zahlten anstatt der betroffenen Bürger die entstandenen Gebühren an die Städte und Kreise. Bis Herbst 2024 hat das auch weitgehend funktioniert.
Was sagen die Krankenkassen?
Die Krankenkassen in NRW berufen sich im Sinne des §60 SGB V darauf, dass sie insbesondere die Kosten für die häufigen Leerfahrten nicht übernehmen müssen. Wenn keine Einigung mit den kommunalen Trägern zustande komme, dann sollen in diesen Fällen gemäß §133 Abs. 2 SGB V nur noch die jeweils für die Kommunen berechneten „Festbeträge“ an die Versicherten gezahlt werden. Die tatsächlichen Kosten für einen Rettungseinsatz liegen jedoch regelmäßig – je nach Kommune oder Kreis – um mehrere Hundert Euro höher. Die Folge ist, dass Bürger, die den Rettungsdienst in Anspruch nehmen, auf einem Teil der Gebührenkosten sitzenbleiben würden, wie das die Stadt Essen oder der Rhein-Sieg-Kreis bereits angekündigt haben.
Der Verband der Ersatzkassen (vdek) NRW kritisiert dieses Vorgehen: „Die Verantwortung für die Finanzierung des Rettungsdienstes, einschließlich der Kosten aus Fehlfahrten, liegt bei den Kommunen als Träger des Rettungsdienstes. Eine Weitergabe der Kosten an die Bürger ist nach dem Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen nicht vorgesehen.“
Was kritisieren die kommunalen Träger?
Die Stadt Köln spricht von einem „Webfehler“ im SGB V, da die Krankenkassen sich neuerdings bei den Verhandlungen zur Übernahme der Rettungsdienstkosten im Sinne des §133 Abs. 1 SGB V auf die Festbetragsregelung im Abs. 2 berufen, was davor so nicht praktiziert wurde. Dieses Vorgehen der Kassen führe aktuell nun zu großen Unsicherheiten, die sich ohne eine Lösung zum Nachteil für die Patienten auswirken könnten, so die Stadt weiter.
Welche möglichen Lösungen stehen im Raum?
Laut dem Verband der Ersatzkassen und der Stadt Köln habe der Bund die aktuelle Problematik erkannt und einen Lösungsvorschlag zur „Notfallreform“ erarbeitet. Danach würde die „Ausstiegsklausel“ des §133 SGB V entfallen und stattdessen eine Schiedsstelle mit dem Ziel zur Konfliktlösung zwischen Kassen und Kommunen gesetzlich vorschreibe, um Blockaden bei den Kostenvereinbarungen künftig aufzulösen.
Die Stadt Köln setzt aktuell darauf, dass es in den laufenden Verhandlungen mit den Krankenkassen noch zu einer Einigung kommt. Dazu habe die Stadt ihre kommunale Gebührenkalkulation für Rettungsdienste angepasst. Über Details, wie es zu einer Einigung kommen könnte, wollte die Stadt jedoch keine Angaben machen.

