Kreis EuskirchenSo kämpfen die Karnevalsvereine gegen Corona-Verunsicherung

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2G, 3G oder gar 2G plus? Die Karnevalsvereine im Kreis Euskirchen sind sich unschlüssig, wie sie ihre Veranstaltungen durchführen werden.

2G, 3G oder gar 2G plus? Die Karnevalsvereine im Kreis Euskirchen sind sich unschlüssig, wie sie ihre Veranstaltungen durchführen werden.

Kreis Euskirchen – Karneval? Ja. Nein. Vielleicht! So manch ein Verein wird flutbedingt auf die Session verzichten (müssen). Aschermittwoch noch vor dem Elften im Elften. Andere Vereine wiederum sind unsicher, ob sie ihre Veranstaltung als 3G, 2G oder gar 2G plus durchführen sollen. Die Unsicherheit ist mindestens so groß wie die Vorfreude auf die fünfte Jahreszeit.

Euskirchen

Für die Jecken im Euskirchener Rosenmontagszug gilt laut Zugleiter Michael Fischenich die 3G-Regel, für Zuschauer ebenfalls. Stand jetzt. Kontrolliert werden sollen die Zuschauer stichprobenartig vom Ordnungsamt oder der Polizei. Die Zugteilnehmer müssen vor dem Start eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass sie entweder genesen oder geimpft sind. Eine offizielle Genehmigung für den Zug liegt noch nicht vor. Wohl auch, damit die Stadt eine größtmögliche Sicherheit und möglichst wenig Einschränkungen bieten kann. Bei der Sessionseröffnung am 13. November auf dem Alten Markt wird die 3G-Regel angewendet.

Die Session steht in Euskirchen aber nicht nur im Zeichen der steigenden Corona-Zahlen, sondern auch im Zeichen der Nachwirkungen der Flut. Das City-Forum wird für keine Veranstaltung zur Verfügung stehen. Damit das künftige Dreigestirn nicht als Trümmer-Trifolium in die Geschichte eingeht, darf es gleich zwei Jahre lang die Jecken in Euskirchen regieren. Wie und in welcher Form dat Trömmelche gehen wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Fest steht aber, dass es für 186 Senioren eine Veranstaltung im Casino geben wird. Stand jetzt nach 3G-Regel. „Das ist ein Spagat“, so Michael Fischenich.

KV Blau-Weiß Schleiden

Auch die Schleidener Karnevalisten müssen in diesem Jahr auf ihren angestammten Veranstaltungssaal, die Aula im Schulzentrum am Mühlenberg verzichten. Als Ersatz könne die Mensa an der Realschule genutzt werden, so Norbert Niebes, Vorsitzender des Vereins. Allerdings fasse diese nur die halbe Anzahl an Gästen. So werde die Prinzenproklamation genauso wie die Prunksitzung durchgeführt werden können. Noch nicht sicher sei, ob in Sachen Corona die 3G-Regelung oder 2G plus zum Einsatz komme, bei dem ein PCR-Test verlangt werde. Was allerdings nicht stattfinde, sei der Schleidener Karnevalszug. Durch den Wegfall des Schulzentrums gebe es keine Möglichkeit, einen Auflösungsort für den Zug bereitzustellen, erläuterte Niebes.

KG Rot-Weiß Gemünd

Noch ist nicht endgültig klar, wie die Nach-Flut-Session 2021/22 in Gemünd aussehen wird, teilte der Vorsitzende der KG Rot-Weiß-Gemünd, Andreas Mertens, mit. Der Verein ist durch das Hochwasser schwer getroffen worden. Nicht nur das Vereinsheim ist von den Grundmauern geschwemmt worden, auch der angestammte Veranstaltungssaal, das Gemünder Kurhaus, wird erst ab dem Sommer wieder zur Verfügung stehen. Also werden weder Sessionseröffnung noch Proklamation noch die Prunksitzung stattfinden. „Wir werden vielleicht eine vereinsinterne Party am 13. November machen“, so Mertens. Auch das Festzelt auf dem Marienplatz werde es nicht geben – ebenso wenig wie Tollitäten.

Ein besonderes Problem stellt in Gemünd der Rosenmontagszug dar. Denn der Zugweg ist praktisch komplett von der Flut betroffen gewesen. „Ob wir einen Zug machen können oder wollen, wird noch entschieden“, erklärt Mertens.

KG Olefer Jecken

Einen Totalschaden haben die Olefer Jecken erlitten, der sogar das Ende des Vereins bedeuten könnte. „Wir werden Mitte November darüber diskutieren, ob wir den Verein auflösen müssen“, kündigt Präsident Ernst Mauel an. In diesem Jahr werde auf jeden Fall gar nichts passieren, denn bei dem Hochwasser seien die Trainingsräume in Oberhausen mit Bühne, Deko und Bühnentechnik komplett abgesoffen. Es fänden sich zur Zeit aber noch nicht so viele Leute, die den Wiederaufbau engagiert angehen wollten, bedauert Mauel.

Iversheim/Bad Münstereifel

„Bei uns findet in diesem Jahr nichts statt“, sagt Peter Kolvenbach von der KG RW Iversheim. Das sei bereits im August klar gewesen. „Die Hälfte vom Vorstand ist direkt betroffen, und viele Menschen haben noch kein Dach über dem Kopf. Da können wir keinen kommerziellen Karneval feiern“, so Kolvenbach. Es könne aber durchaus sein, dass man in Iversheim ein wenig „Karneval fürs Hätz“ feiern werde – beispielsweise im Dorfsaal. „Vielleicht machen wir da einfach die Tür auf, lassen etwas Musik laufen, und wer kommt, der kommt“, berichtet der KG-Chef.

Ob ein Zug durch Bad Münstereifel ziehen wird, ist noch offen. „Das hängt alles davon ab, wie die Stadt zu diesem Zeitpunkt aussehen wird“, sagt Petra Schneider-Jonas, Mitglied der IG „Rettet den Karneval“, die seit 2019 den Zug in der Kurstadt organisiert. Sie geht davon aus, dass in irgendeiner Form Karneval gefeiert werden wird. „Das Schöne bei uns ist, dass wir recht flexibel sind. Das, was wir planen, können wir auch 14 Tage vorher beschließen“, so Schneider-Jonas.

KG Süetenicher Schlipse

Auch die Schlipse aus Sötenich sind heimatlos geworden. Mit dem Bürgerhaus, das mittlerweile abgerissen worden ist, ist nicht nur der Veranstaltungsort ein Opfer der Flut geworden, sondern auch die Bühne, Bühnentechnik und Deko. Da fielen auch die einzelnen Dinge, die noch vom Speicher des Bürgerhauses hätten gerettet werden können, keine Rolle. Besonders die fehlenden Trainingsmöglichkeiten für die Tanzgarden fielen ins Gewicht. „Bis zum Sommer wird die Turnhalle saniert, und wir waren mit dem Training in das Bürgerhaus ausgewichen“, so der Vorsitzende Sebastian Müller. Als Ausweichmöglichkeit für das Tanztraining wird das Bürgerhaus in Rinnen genutzt. Dort sollen auch die Sessionseröffnung am 13. November und die Kostümsitzung am 12. Februar stattfinden. Die avisierten Tollitäten haben ihr Prinzenjahr auf die kommende Session verschoben. Für die Veranstaltungen werden die Schlipse 2G plus verwenden – geimpft, genesen und mit PCR-Test getestet. Einen Zug wird es geben.

KG Blau-Gold Weilerswist

Die KG Blau-Gold Weilerswist hat sich für die anstehende Damen- und Herrensitzung für eine 2G-Regel entschieden. „Wir haben erst einmal geschaut, wie es denn die Nachbarn so halten“, berichtete Vorstandsmitglied Walter Dederichs auf Anfrage. 1000 Karten pro Sitzung in der Erft-Swist-Halle verkauft der Verein derzeit. Allen Käufern sei bereits angekündigt worden, dass sie einen Impf- oder Genesenen-Nachweis und einen Personalausweis zur Kontrolle am Einlass mitbringen müssten. Da man auch jetzt nicht ausschließen könne, dass sich bis Januar, wenn die erste Sitzung stattfindet, die 3G-Regelung wieder verschärft, wolle man mit 2G auf Nummer sicher gehen. So laufe man nicht Gefahr, nachher doch die getesteten Leute wieder von der Veranstaltung ausschließen zu müssen. „Wir wollen gesundheitlich nichts riskieren. Wir haben jüngere Gäste, aber auch viele ältere“, sagt er.

KG Löstige Bröder Kall

Weil die Bürgerhalle saniert wird, werden die „Bröder“ mit ihrer Kindersitzung und der großen Sitzung nach Scheven umziehen, kündigt Simone Sassmann, die Vorsitzende, an. Dabei solle die 3G-Regel angewendet werden beziehungsweise die Regelung, die dann von der Coronaverordnung festgelegt werde. Noch nicht spruchreif sei die Frage, ob ein Zug durch Kall ziehe. Zum einen gebe es in diesem Jahr keine Tollitäten, zum anderen wolle der Verein nach der Flut nicht die Haussammlung durchführen, mit der der Zug normalerweise finanziert wird. Dazu käme, dass Teile des Zugwegs von der Flut zerstört worden seien. „Die offizielle Entscheidung wird in der nächsten Woche fallen“, so Sassmann.

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Zülpich

Die vier großen Zülpicher Vereine haben sich für eine 2G-Regel bei Veranstaltungen ausgesprochen – auch die Sessionseröffnung im Innenhof des Rathauses am Sonntag und die Mädchensitzung im Forum einen Tag zuvor fallen darunter. „So starten wir in die Session. Wir müssen flexibel sein und gegebenenfalls nachbessern“, sagt Robert Frings, Präsident der Zölleche Öllege. Ihm sei bewusst, dass man Menschen ausschließe. Auch mit dem Vorwurf des Impfzwangs durch die Hintertür sei er konfrontiert worden. In den nächsten Tagen will er das Gespräch mit der Stadt suchen, wie und ob der Rosenmontagszug stattfinden kann.

Die Hölle von Vettweiß

Die Hölle von Vettweiß. Vier Wörter und jeder weiß, auf was er sich bei den sechs Veranstaltungen einlässt. In diesem Fall aktuell 3G. „Bei den ganzen Impfdurchbrüchen ist ein Test vielleicht sogar sicherer, als geimpft oder genesen zu sein“, sagt Peter Eversheim, Vorsitzender der KG Vettweiß.

Pro 2G: Es schunkelt sich deutlich unbeschwerter

Die 2G-Regel ist der sicherste Weg, eine erneute Ausbreitung der Pandemie zu verhindern. Sie bewahrt davor, neuerliche Einschränkungen in Kauf nehmen zu müssen. Die Impfung schützt statistisch vor schweren Krankheitsverläufen. Ja, die Impfdurchbrüche werden mehr. Ja, jeder hat das Recht, sich nicht vor Krankheiten zu schützen. In dem Moment aber, wo diese Lebensart die Gesundheit der anderen gefährdet, greift das Solidarprinzip. Die Rücksicht auf die Gemeinschaft wiegt dann schwerer als der individuelle Wunsch nach Selbstbestimmung. Das ist schlichtweg ein uraltes Prinzip. 2G ist keine Impfpflicht durch die Hintertür. Sie lässt unbeschwerter schunkeln. So wie man schon vor Ausbruch der Pandemie bestimmte Länder nicht bereisen konnte, ohne geimpft zu sein, gilt eben auch im Karneval eine Einschränkung für Ungeimpfte. Die 2G-Regel bietet den Vereinen die derzeit größtmögliche Planungssicherheit.

Pro 3G: 2G wird die Kluft vergrößern

So unangenehm es für die Karnevalisten ist: Im Hinblick auf die Corona-Pandemie müssen sie am Ende doch auf Sicht fahren. Sollten die Ansteckungszahlen weiter in diesem Maß steigen, kann auch das beste Konzept an seine Grenzen kommen. Man mag verstehen, dass Veranstalter im Karneval angesichts finanzieller Risiken auf die größtmögliche Sicherheit setzen, sprich auf 2G. Doch hundertprozentige Sicherheit gibt’s auch so nicht.

Können wir aber so unbeschwert Karneval feiern? Während der Corona-Pandemie wurde ganz bewusst kein Impfzwang eingeführt. Wir haben Menschen also das Recht eingeräumt, sich aus individuellen Gründen nicht impfen zu lassen und ihre Mitmenschen auf andere Weise zu schützen: durchs Testen. Sperren wir Getestete nun im Karneval aus, so vertiefen wir die Kluft, die das jecke Miteinander im Karneval hätte schließen können. Daher ist aus meiner Sicht 3G der bessere Weg.

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