Massivhaus-Hersteller IBGHunderte von Bauherren getäuscht?

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Kreis Euskirchen/Kiel – Rund 2400 Gläubiger, Hunderte betroffene Bauherren, Handwerker und Lieferanten – die Pleite des norddeutschen Massivhaus-Herstellers IBG aus Büdelsdorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde) hat vor fünf Jahren eine desaströse Spur hinterlassen. Die Firma war mit ihren bundesweiten Tochterunternehmen einst einer der größten Fertighaushersteller in Norddeutschland.

Seit Mittwoch stehen drei Verantwortliche in Kiel vor Gericht. Sie sollen trickreich Geld aus der Firma herausgezogen haben. Einer der beiden Geschäftsführer (58) und der Steuerberater der Firma (46) stammen aus dem Kreis Euskirchen.

Vor rund fünf Jahren musste die Firma Insolvenz anmelden. Die 1994 gegründete IBG Holding GmbH gehörte damals mit ihren Regionalgesellschaften zu den führenden Herstellern schlüsselfertiger Massivhäuser in Norddeutschland. Die Anklage gegen die beiden früheren Geschäftsführer sowie den Steuerberater laute „im Wesentlichen auf gewerbs- und bandenmäßige Untreue und Steuerhinterziehung in Millionenhöhe“ beziehungsweise Beihilfe dazu, teilte die Staatsanwaltschaft vorab in einer nur wenige Zeilen langen Mitteilung mit.

Gerichtssprecherin Rebekka Kleine bezifferte den Schaden auf rund elf Millionen Euro. Zwei Millionen Euro davon sollen die Angeklagten veruntreut, neun Millionen Euro dem Fiskus vorenthalten haben. Tatzeitraum waren demnach vor allem die Jahre 2008 bis 2012.

Mehrfach verschoben

Der Prozessstart war im vergangenen Jahr mehrfach verschoben worden. Schon damals hatten die Geschädigten gespannt nach Kiel geblickt. Seither ermittelte die Staatsanwaltschaft weiter und bündelte ihre Erkenntnisse in mittlerweile elf Anklagen, die Gegenstand des komplexen Hauptverfahrens am Kieler Landgericht sind.

Vorwurf der Untreue

Laut Anklage soll es beim Vorwurf der Untreue um die Vermittlung von Versicherungen zu überhöhten Preisen gehen. Die beiden 41 und 58 Jahre alten Geschäftsführer kassierten demnach über eine eigens gegründete Gesellschaft kräftig mit, der Steuerberater (46) soll ihnen geholfen haben.

Vor rund einem Jahr hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, nach Aktenlage und nach Anklageerhebung seien diverse Kunden über eine vermeintliche Versicherung, die sie bei Abschluss eines Hausbauvertrages miterwerben sollten, getäuscht worden. Es habe sich jedoch nur um eine Scheinversicherung gehandelt, die lediglich mit Hilfe einer Scheinfirma existierte. Sie verfügte jedoch über kein Kapital.

Die Pleite der Firma hatte 2012 bundesweit Aufsehen erregt. Damals beschäftigte das Unternehmen 155 Mitarbeiter. Der Vermögensschaden ist beeindruckend: Gegen Muttergesellschaft und Tochterunternehmen bestehen nach Angaben des Insolvenzverwalters Reinhold Schmid-Sperber Ansprüche von rund 120 Millionen Euro. Sie werden von rund 2400 Gläubigern geltend gemacht, darunter Hunderten geschädigten Bauherren, Handwerksbetrieben und Lieferanten. Die Zahl von Bauherren, deren Bauten zwar fertig sind, die aber noch Gewährleistungsansprüche besitzen, geht demnach bundesweit sogar in die tausende. Ihre Chancen, den Schaden erstattet zu bekommen, sind jedoch mangels Masse gering.

Festgenommen wurden die Beschuldigten am 20. Januar 2013. 40 Kriminalbeamte, zwei Staatsanwälte und drei Beamte der Steuerfahndung waren damals an der Durchsuchung von neun Objekten in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Bayern beteiligt. Bereits drei Monate zuvor hatten 65 Kriminalbeamte, sieben Staatsanwälte und mehrere Steuerfahnder Firmensitze der Baufirma und deren Tochtergesellschaften sowie Privathäuser der Verantwortlichen durchsucht – auch das Privathaus des heute 46-jährigen Steuerberaters im Kreis Euskirchen.

Gegen Auflagen entlassen

Die beiden Beschuldigten wurden nach ein paar Monaten aus der Untersuchungshaft gegen Auflagen (teilweise Kaution, teilweise Meldeauflagen, Abgabe des Reisepasses) entlassen. Im Juni 2013 wurde von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Kiel Anklage erhoben. Die 6. Strafkammer hat 40 Verhandlungstermine festgesetzt. Grund: Der Prozessstoff ist laut Staatsanwaltschaft sehr umfangreich. Wenn sich daran nichts ändert, könnte das Urteil am 19. Juni 2018 verkündet werden. (red/mit dpa)

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