Geschichte zum AnfassenRömerlager in Nettersheim bietet historische Einblicke

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Taktik und Bewaffnung der Römer demonstrierten die Mitglieder der Interessengemeinschaft mit größtmöglicher Authentizität. 

Nettersheim – Farbenprächtig war die Antike und vor allem interessant, befinden Daria, Wiebke und Sara. Mit Blick auf die große Wiese an der „Steinrütsch“, unweit des römischen Kleinkastells, dem zentralen Punkt der einstigen Siedlung, steht das Dreier-Grüppchen aus Köln und beobachtet fachsimpelnd die Vorführung der Mitglieder der „Classis Augusta Germanica“, die ein Stück unterhalb von ihnen stattfindet.

Die Authentizität steht bei den „Classis“ im Vordergrund

In aufwendigen Rüstungen und Gewandungen stellen die Mitglieder der Interessengemeinschaft das Geschehen auf dem Schlachtfeld zu Zeiten der Römer dar. Besonders der gelb-blaue Federputz auf dem Helm von Tristan Koehn, der in der Legion der „Classis“ den Optio verkörpert, ist den Mädchen aufgefallen. „Ich dachte, die hatten nur roten Kopfschmuck. Das ist schon spannend zu sehen“, meint die elfjährige Wiebke.

Genau wie ihre Freundinnen interessiere sie sich für Geschichte, erklärt sie. Daher hatten schon einige Besuche im Römisch-Germanischen Museum in Köln auf dem Programm gestanden, ergänzt Mutter Daria Schönenborn: „In Nettersheim sind wir zum ersten Mal. Auch als Erwachsener kann man hier wirklich noch was lernen.“

Wissen weiterzugeben und den Alltag der Menschen in der Antike lebendig werden zu lassen, das ist Sinn und Ziel der Interessengemeinschaft „Classis Augusta Germanica“, die das Lagerleben im detailliert ausgestalteten Reenactment – so wird die Neuinszenierung geschichtlicher Ereignisse mit größtmöglicher Authentizität bezeichnet – für die Besucher vorführen.

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Die römische Reiterei wurde in diesem Jahr erstmals von den Reenactment-Darstellern auf der Wiese neben dem Lager präsentiert.

Anders als beim Fantasy-Role-Play oder LARP komme es wirklich auf die möglichst genaue Darstellung an, erläutert Susanne Steinküller, die mit Mann Olaf aus Gummersbach angereist ist, um das Lagerleben zu demonstrieren. Deshalb sind auch die Wollmützen auf dem Tisch vor dem Zelt der beiden nadelgebunden statt gestrickt, die Kleidung der Geschichtsbegeisterten original mit der Hand genäht.

„Und nicht einfach mit der Nähmaschine“, sagt die studierte Historikerin lächelnd. Das, was man dem Publikum präsentiere, sei natürlich immer nur der Versuch einer möglichst detailgetreuen Interpretation des Lebens in vergangenen Zeiten – jeweils mit dem aktuellsten Wissen der Forschung im Hinterkopf, so Steinküller: „So weiß man heute, dass die Häuser und Gewänder der Römer nicht weiß waren, wie man es auf Darstellungen aus dem 18./19. Jahrhundert kennt.“ Damals hatte man es nicht besser erforschen können, heute sei jedoch bekannt: „Das Leben der Römer war bunt.“

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Farbenfrohe Pflanzenfärberei zeigten Olaf Steinküller-Jansen und Susanne Steinküller an ihrem Stand.

Im Archäologischen Landschaftspark und speziell während des jährlich stattfindenden Römerlagers in unmittelbarer Nähe zur einstigen Agrippa-Straße zwischen Köln und Trier sowie zum Matronen-Heiligtum wolle man den Besuchern Geschichte zum Anfassen bieten, erklärt Sonja Dittebrandt. Die Archäologin war bei den Ausgrabungen dabei, die dort zwischen 2011 und 2017 stattgefunden hatten, und ist zuständig für den Landschaftspark als auch für die Ausstellung.

Seit drei Jahren finde das Marsch- und Handwerkslager nun direkt „an Ort und Stelle“ an der „Steinrütsch“ statt, schildert sie: „Das ist etwas rustikaler als oben am Naturzentrum, aber die Besucher können die Geschichte noch besser visualisieren.“ Fragen stellen und selber mal Kettenhemden, Schilde oder andere Handwerksprodukte in die Hand nehmen, sei unbedingt erwünscht. Dittebrandt: „Für die Besucher ist das noch mal ein ganz anderes, besonderes Erlebnis.“

Die Angebote

Beim Römerlager der „Classis Augusta Germanica“ werden dem Publikum verschiedene historische Gewerke präsentiert. Grundprinzip ist das „Offene Lager“, beim dem die Besucher je nach Interesse von Stand zu Stand gehen können. Färben mit Pflanzenfarben, Holzschnitzerei sowie römische Kosmetik und Medizin werden vermittelt. Es gibt eine Live-Malerin, die das Geschehen festhält. Eine Eisenschmiede und erstmals die Vorführung der römischen Reiterei bieten weitere Einblicke in das Alltagsleben.

Vorführungen zeigen an beiden Tagen des Veranstaltungswochenendes die Bewaffnung und Taktik im römischen Militär. Ein besonderes Highlight sind laut Sonja Dittebrandt die Fahrten des römischen Reisewagens. „Das ist eine originalgetreue Rekonstruktion, mit der die Gäste eine Tour unternehmen können“, so die Archäologin. Besonders die Federung der Replik sorge häufig für Erstaunen.

Eine Wanderung zu den Stationen im Archäologischen Landschaftspark, über die Römerstraße Köln-Trier und vorbei an dem Matronenheiligtum „Görresburg“ biete der Kollege Achim Koopmann an.

Im Kulinarischen sei das Angebot auf die Antike ausgelegt, erläutert die Archäologin weiter. So gebe es vom Nettersheimer Bioladen Naturale an römische Spezialitäten angelehnte Speisen. (hab)

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