„Kaderschmiede der Nazis“Antisemitismusbeauftragte nach Vogelsang-Besuch erschüttert

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Über Antisemitismus und das NS-Regime sprachen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (v.l.), Markus Herbrand, Thomas Kreyes und Stefan Wunsch während des Rundgangs durch die Ausstellung „Herrenmensch“. 

Schleiden-Vogelsang. – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war beeindruckt und erschüttert. Die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen und frühere Bundesjustizministerin hatte zum ersten Mal die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang besucht. „Das war eine Kaderschmiede der Nazis. Hier wurde die Elite herangezogen, die später an vielen Orten in der Welt Massenmorde begangen hat“, erklärte die Politikerin. Rassismus und Antisemitismus seien auch heute wieder eine große Gefahr.

Leutheusser-Schnarrenberger ist Ansprechpartnerin für Opfer von antisemitischen Taten und koordiniert präventive Maßnahmen. Bei ihrem Besuch wollte sie sich über aktuelle Schwerpunkte der Bildungsarbeit von Vogelsang IP informieren. Mit Geschäftsführer Thomas Kreyes sprach sie unter anderem darüber, wie man den Standort und das Bildungsangebot noch bekannter machen und mehr Besucher anlocken könnte. Der Bundestagsabgeordnete Markus Herbrand (FDP), der den Besuch vermittelt hatte, war bei dem Gespräch dabei.

„Ich habe mir die Dimension der Anlage nicht vorstellen können“, meinte die Antisemitismusbeauftragte nach einem kurzen Rundgang, der im ehemaligen belgischen Kino begonnen hatte. Die Besucherin staunte auch über die Größe des Kinos und erfuhr, dass es heute für Konzerte, Filmvorführungen und andere Kulturveranstaltungen genutzt wird. „Es ist aber auch Teil unseres Bildungsangebots“, betonte Kreyes. Der Erhalt des Gebäudes und der Anlage sei eine Herausforderung, hier und da bröckele schon der Putz ab.

„Beklemmende Atmosphäre“

Weiter ging es vorbei an der Kaserne Van Dooren zur alten Burgschänke. „Hier wurde also gefeiert. Das ist schon eine beklemmende Atmosphäre“, sagte die ehemalige Justizministerin. Der wissenschaftliche Leiter Stefan Wunsch präsentierte an mehreren Standorten alte Aufnahmen von Vogelsang aus der Nazi-Zeit und führte auch durch die Ausstellung „Herrenmensch“.

„Das war ein Führerkult, dem sich alles unterwerfen musste. Da gab es dann für viele keine Grenzen mehr“, sagte die Antisemistismusbeauftragte mit Blick auf die Taten der „Ordensjunker“. Deshalb hätten die „Ordensburgen“ auch eine große Bedeutung gehabt: „Dort wurden Menschen aus der Mitte der Gesellschaft zu einem gewissenlosen Mob erzogen.“

Erinnerung an den Krieg

Betroffen war Leutheusser-Schnarrenberger, als sie vor der Karte stand, auf der das ehemalige Reichskommissariat Ukraine abgebildet war: „Wenn man bedenkt, dass es dort aktuell wieder einen Krieg gibt. Und unter welchem Vorwand.“ Die frühere Ministerin unterstrich die Bedeutung von Vogelsang als historischem Ort: „Das Land betreibt 30 Gedenkstätten, aber darunter ist nur eine ehemalige Ordensburg.“

Für das Gedenken seien solche Orte unentbehrlich: „Zur Erinnerungskultur gehört ein Blick auf die Täter und die Opfer. Der ist hier gut möglich.“ Wichtig sei, dass möglichst viele Menschen nach Vogelsang kämen und sich informierten. Das gelte auch und gerade für junge Leute. Mit der Bildungsarbeit dürfe nicht nachgelassen werden. Vogelsang biete die Kombination von einem internationalen Platz, wunderbarer Natur und einem außergewöhnlichen Erinnerungsort.

„Ich bin froh, dass sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Zeit genommen hat. Antisemitismus und Ausgrenzung spielen auch bei uns eine viel zu große Rolle“, sagte Herbrand. „Es gibt viele wirre Köpfe, die die Lebensweise anderer nicht tolerieren und zur Gewalt greifen.“ In Vogelsang habe sich schon viel getan, aber man dürfe nicht nachlassen, um Mittel zu werben, damit der Platz auch erhalten werden könne. Da hakte Thomas Kreyes ein: „Vogelsang ist ein historisches Denkmal von nationaler Bedeutung. Wir sind auf die Unterstützung des Landes angewiesen.“ Beim Thema Antisemitismus müssten alle Demokraten zusammenstehen.

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