Weniger AuszubildendeFriseure im Kreis Euskirchen sorgen sich um Nachwuchs

Lesezeit 7 Minuten
Roswitha und Alfred Breuer (v.l.) und Ottilie Huy finden keinen Nachfolger für Ottis Haarstudio.

Roswitha und Alfred Breuer (v.l.) und Ottilie Huy finden keinen Nachfolger für Ottis Haarstudio.

  • Am Beispiel von „Ottis Haarstudio“ zeigt sich ein Problem, das die Friseurbranche im Kreis Euskirchen gut kennt.
  • Wenn kein Nachwuchs da ist, kein Nachfolger gefunden wird, müssen viele Läden schließen.
  • „Die Jungen Leute gehen das Risiko nicht mehr ein“, sagt Ottilie Huy, die nächstes Jahr in Rente geht.

Kreis Euskirchen – Waschbecken, Föhn, Spiegel – alles ist da, nur ein Friseur fehlt in Ottis Haarstudio. Das ist ab Januar 2020 zu befürchten, denn: Friseurin Ottilie Huy geht dann in Rente und bisher ist noch kein Nachfolger gefunden. „Wir haben alles versucht“, erzählt Alfred Breuer. Er sitzt auf einem der Frisierstühle und schaut resigniert drein.

Ihm gehört der Salon und er hatte die Räume in den vergangenen 24 Jahren an Huy verpachtet. Er war bei der Handwerkskammer, in Berufsschulen, hat in der Zeitung und im Internet inseriert und sich selbst tagelang ans Telefon geklemmt. Doch nichts. Niemand möchte den Laden übernehmen – obwohl die Einrichtung kostenlos übernommen werden könnte.

„Wir haben zu wenig Auszubildende“

Damit ist Breuer im Kreis Euskirchen nicht alleine. Bernadette Hein, Obermeisterin der Friseur-Innung des Kreises, blickt mit wachsender Sorge auf die Nachwuchssituation ihrer Branche. Wie im gesamten Handwerk gebe es schlichtweg nicht genug Personal. „Wir haben zu wenig Auszubildende“, so Hein. Das bestätigt auch Huy. Sie habe eine Bekannte, die ihr Geschäft habe schließen müssen, weil sie keine vernünftigen Angestellten gefunden habe.

Doch woran liegt das? Hein führt den demografischen Wandel als Grund an. Am Geld liegt es ihrer Meinung nach nicht. Die Situation für Friseure habe sich in den vergangenen Jahren sehr verbessert: „Ich glaube, dass eine gute Friseurin gutes Geld verdienen kann.“

Breuer ist frustriert. Er versteht nicht, warum niemand den Salon übernehmen will. Schließlich sei er ideal, um sich selbstständig zu machen: Geräte und Kundenstamm sind genauso vorhanden wie eine erfahrene Mitarbeiterin. Doch bisher scheint das niemanden zu überzeugen. Selbst eine Friseurkette habe abgelehnt. Der eigens engagierte Makler hat ebenfalls nichts gebracht. Nun fragt Breuer sich, ob die jungen Leute keine „Traute“ mehr haben.

„Selbstständig heißt selbst und ständig“

„Ich finde schon, dass es ein Generationenproblem ist“, sagt Huy: „Die jungen Leute gehen das Risiko nicht mehr ein.“ Sie war 41 Jahre alt, als sie sich selbstständig machte – ein „Spätzünder“, wie sie sagt. Viele Jüngere seien nicht bereit, von morgens bis abends im Laden zu stehen. Hein sieht das ähnlich. Die blonde 67-Jährige sitzt in ihrem stilvoll eingerichteten Haus am Esstisch und überlegt: „Es liegt wahrscheinlich auch an der fehlenden Investitionsbereitschaft der jungen Leute.“

Bernadette Hein ist Obermeisterin der Friseur-Innung im Kreis.

Bernadette Hein ist Obermeisterin der Friseur-Innung im Kreis.

Seit mehr als 25 Jahren steht sie auch der Innung vor. Heute sei die Freizeit für junge Leute wichtig: Urlaub, am Wochenende wegfahren, abends noch in der Stadt etwas unternehmen. Als Selbstständiger sei das schwierig: „Selbstständig heißt selbst und ständig.“ Hein sieht ein weiteres Problem: Das Alter der nachkommenden Meister. Junge Friseure können direkt nach der Gesellenprüfung den Meister machen. In dem Alter habe aber kaum einer großes Kapital, erklärt Hein. Und es fehle noch etwas: „Wenn man sich mit 19, 20 Jahren selbstständig macht, hat man zu wenig Kundenerfahrung.“

Die Meisterpflicht

Um sich als Friseur selbstständig zu machen, ist ein Meistertitel Pflicht. So war das auch in vielen anderen Handwerksberufen. Doch 2004 wurden 53 Berufe von dieser Meisterpflicht befreit. Uwe Günther nennt die Fliesenleger als Beispiel: „Die Zahl der Selbstständigkeiten ist nach oben geschossen.“ Die der Ausbildungen jedoch nicht. Denn um ausbilden zu können, bedurfte es weiterhin eines Meistertitels.

In diesem Jahr hat die Bundesregierung beschlossen, für zwölf dieser 53 Berufe die Meisterpflicht wieder einzuführen. „Da freuen wir uns drüber“, so Günther.

Fliesenleger, Orgelbauer, Raumausstatter, Rollladentechniker, Betonsteinhersteller, Estrichleger und einige mehr können sich ab dem nächsten Jahr wieder nur mit einem Meistertitel selbstständig machen. Bisher existierende Betriebe ohne Meister dürfen aber auch weiterhin bestehen bleiben.

Hein ist seit 47 Jahren Friseurin und hat vor gut 27 Jahren ihren eigenen Laden eröffnet. Das Rentenalter hat sie überschritten, aber aufhören will sie noch nicht. Eine Betriebsübergabe müsse zudem Jahre im voraus geplant werden. Das haben Huy und Breuer nicht getan. Sie suchen erst seit April diesen Jahres nach einem Nachfolger für Ottis Haarstudio.

Hein glaubt zudem, dass ein großer Salon mit Angestellten für manche ein zu hohes Risiko sei: „Ein junger Meister macht sich lieber auf ein paar Quadratmetern selbstständig.“ Das wiederum sei für die gesamte Branche problematisch. Gerade in einem Ein-Mann-Salon sei es fast unmöglich, jemanden auszubilden. Viel zu wenige böten Ausbildungsplätze an. Im Altkreis Schleiden seien es seit Jahren immer dieselben Salons, die ausbildeten: „Es kommt nichts nach.“ Und weniger Ausbildungsplätze bedeuten am Ende weniger Meister, die einen Laden wie den der Huys übernehmen können.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wenn Breuer bis zum Januar keinen Nachfolger findet, muss er sich etwas anderes überlegen. „Im Endeffekt bin ich gezwungen, umzubauen und Wohnungen daraus zu machen“, sagt er seufzend. Ganz will er die Hoffnung aber noch nicht aufgeben, dass Föhn und Waschbecken auch 2020 noch in Ottis Haarstudio zum Einsatz kommen.

6 Fragen an eine selbstständige Friseurin

Yvonne Klinkhammer, Sie sind 30 Jahre alt und haben seit acht Jahren einen Friseursalon in Blumenthal. Warum haben Sie sich entschieden, sich selbstständig zu machen?

Yvonne Klinkhammer: Das war aus einem spontanen Affekt. Ich habe in München gearbeitet nach dem Meister. Allein eine Stelle zu finden als Meister war damals sehr schwierig. Der Arbeitsmarkt war nicht so, dass ich überhaupt tariflich bezahlt worden wäre. Das war unmöglich. Und dann haben wir, meine Eltern und ich, gesagt, dass ich mich dann selbstständig mache.

Was waren die Schwierigkeiten bei der Gründung?

Ich bin nicht bei der Bank ernst genommen worden, ich bin nicht bei den Leuten ernst genommen worden, wo ich nachgefragt habe wegen eines Ladens. Es wird den Jungen nichts zugetraut, das habe ich auch bei den Kunden gemerkt. Und dann natürlich mit der Bank: Wenn man jung ist, hat man nichts. Und dann will man einen Kredit haben. Deshalb bin ich da auch mit meinen Eltern hingegangen.

Warum haben Sie sich für einen kleinen Laden entschieden?

Einen bestehenden Laden zu übernehmen ist deutlich einfacher, als von Null auf Hundert neu zu starten. Aber damals gab es keinen Laden, der in näherer Zukunft zugemacht hätte, und wo ich hätte arbeiten wollen, weil er einfach zu altbacken war.

Bieten Sie Ausbildungsplätze in Ihrem Betrieb an?

Nicht mehr. Ich wollte es unbedingt. Ich wollte auch Personal haben, der Laden ist für Personal ausgerichtet. Ich habe es mit drei, vier Leuten ausprobiert, es geht überhaupt nicht. Die hatten einfach keinen Bock. Und dann habe ich beschlossen, keinen in die Lehre zu nehmen. Das ist nur weggeworfene Arbeit und weggeworfene Zeit. Ich habe dieses Jahr auch nur einen Bewerber gehabt. Da kommt nichts mehr.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Die Bezahlung. Und woher soll ein Friseur gut bezahlt werden? Dann muss ich es vom Kunden nehmen – und der Kunde zeigt mir einen Vogel. Würden Sie sich heute noch einmal selbstständig machen? Nicht mehr von Null auf Hundert. Wenn, dann in einem Laden, in dem schon Personal ist, das man kennt. In einem Laden, der auch schon moderner ist. Alleine würde ich es nicht mehr machen – zu viel Stress, zu viel Arbeit, zu viel, was das Finanzamt verlangt.

Das sagt die Handwerksammer

„Die Friseure sind nicht meine größten Sorgenkinder“, sagt Uwe Günther, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Rureifel. Die Zahl der Friseurbetriebe sei in den vergangenen Jahren eigentlich beständig.

Mehr Sorgen bereiten ihm das Lebensmittelgewerbe und das Handwerk für den gewerblichen Bedarf. Zur ersten Gruppe zählen Betriebe wie Fleischereien und Bäckereien. Dort sei ein Rückgang von elf Prozent zu verzeichnen. Noch härter trifft es die andere Gruppe, zu der beispielsweise Metallbauer, Maschinenbauer und Elektrobetriebe zählen. Hier sei die Anzahl der Betriebe um 15 Prozent geschrumpft. „Da habe ich ein wahrnehmbares Problem“, so Günther.

Uwe Günther von der Kreishandwerkerschaft.

Uwe Günther von der Kreishandwerkerschaft.

In anderen Branchen gebe es hingegen einen positiven Trend. So etwa in der Baubranche: Von 21 abgeschlossenen Meisterprüfungen im Kreis Euskirchen im Jahr 2018 waren elf im Baugewerbe. Die Lage im Handwerk sei eben nicht schwarz-weiß zu betrachten.

Besonders deutlich zeige sich das in der Kfz-Branche. Kfz-Mechaniker gebe es seit Jahren viele im Kreis Euskirchen. Aus dieser Sicht gehe es dem Gewerbe gut. Allerdings gebe es auch dort Probleme. „Fabrikatshändler haben es im Moment auch nicht leicht“, erläutert Günther. Als Gründe dafür führt er den Diesel-Skandal mit manipulierter Software an. Auch wenn der einzelne Händler gar nichts dafür könne, spüre der die direkten Konsequenzen.

Handwerkskammer ist eher optimistisch

In den allgemeinen Abgesang auf das Handwerk will Uwe Günther keinesfalls einstimmen. „Wir klagen teilweise auf hohem Niveau“, sagt er. Sicherlich gebe es in manchen Branchen Probleme – aber eben nicht überall. Gerade auch das Interesse an Ausbildungen sei trotz des demografischen Wandels bisher stabil geblieben. Und die Wertschätzung des Handwerks sei sowohl in der Politik als auch in der Bevölkerung aus seiner Sicht gestiegen. „Im Augenblick bin ich ganz im Allgemeinen eher optimistisch eingestellt“, so Günther.

Rundschau abonnieren