World Police and Fire GamesTrotz Radikalität zweimal Bronze

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Zum Fressen gern hat Ingo Cremer seine Medaillen.

Zum Fressen gern hat Ingo Cremer seine Medaillen.

Euskirchen – Die Vorbereitung war alles andere als optimal. Dennoch holte der Justizvollzugsbeamte Ingo Cremer zwei Bronze-Medaillen – mehr als er sich bei den „World Police and Fire Games“ (WPFG) in Belfast ausgerechnet hatte. „Selbst mit idealer Vorbereitung wäre das ein Traum gewesen“, so Cremer, der seit 1999 in der JVA Erlenhof arbeitet. Für den 38-jährigen Euskirchener galt Anfang August bei einer der großen Sportveranstaltungen der Welt nur der olympische Gedanke: Dabeisein ist alles.

An Medaillen in den Disziplinen Bankdrücken und Kraftzweikampf verschwendete er keinen Gedanken. „Ich wollte einfach nur die Atmosphäre genießen und Erfahrung sammeln. Es war ja schließlich mein erster Wettkampf überhaupt“, so Cremer. Doch dann wuchs Cremer im nordirischen Belfast über sich hinaus.

„Ich habe taktisch gedrückt“, so Cremer. Er habe langsam in den Wettkampf reingefunden, schließlich habe er vorher noch nie 105 Kilo vor rund 700 Leuten eine Armlänge von sich weggestoßen. Am Ende stand beim Bankdrücken ein Maximalgewicht von 120 Kilo auf der Habenseite.

Bei seiner zweiten Disziplin ging Cremer ebenfalls taktisch vor. In der Kombination aus Bankdrücken und Kreuzheben – dem Kraftzweikampf – drückte und hob der Justizbeamte wieder sehr sicher, insgesamt 265 Kilo. Der Spanier, der Silber holte, schaffte auch 265 Kilo. „Er brachte aber 200 Gramm weniger als ich auf die Waage und platzierte sich daher vor mir“, so der Euskirchener.

Cremer kann noch immer nicht fassen, dass er zweimal Bronze holte. Denn die Vorbereitung für den Wettkampf sei alles andere als ideal verlaufen. „Ich habe mich kurzfristig entschlossen, in einer anderen Gewichtsklasse zu starten“, sagte Cremer, der bei Ankunft in Belfast knapp 80 Kilo wog. Damit war klar, dass der Sportler beim Wettkampf für Polizisten, Feuerwehrleute sowie Justiz- und Zollbeamte in der Gewichtsklasse bis 82 Kilo starten muss – eigentlich.

Doch dann kam die Planänderung. „In unserem Team war die Klasse bis 75 Kilo plötzlich nicht besetzt“, so Cremer. Nun hatte er nur zwei Tage Zeit, fünf Kilo abzuspecken. „Ich habe nichts mehr gegessen und getrunken. Nachts bin ich mit dem Jogginganzug ins Bett, damit ich schwitze“, sagte der zweifache Familienvater. Und er hat mächtig geschwitzt: Pünktlich zum Wettkampf brachte er nur noch 74,5 Kilo auf die Waage. Die Radikaldiät war freilich nicht das einzige Hindernis auf dem Weg zum Edelmetall. So war zunächst überhaupt nicht geplant, dass der Justizvollzugsbeamte in Belfast im Bankdrücken und im Kraftzweikampf für Deutschland an den Start gehen würde. Cremer wollte nämlich im Boxen antreten. Seit Jahren steigt er in den Ring und trainiert bei „Faustkämpfer Düren Grüngürtel“ Schüler und Kadetten. Aber die olympische Regel, die auch bei den WPFG gilt, besagt, dass man ab dem 37. Lebensjahr nicht mehr zum Boxen antreten darf.

Cremer war schlicht zu alt für seinen Lieblingssport. Doch wie es sich für einen Sportler gehört: Aufgeben gilt nicht. Und dann erhielt Cremer sogar Unterstützung von ganz oben. Der Präsident der „German Police and Fire Federation“ wollte den Sportler nicht einfach abweisen. Er schlug Cremer vor, seine Fitness in einer anderen Disziplin zu beweisen. Schnell war klar, dass Cremer in Belfast im Kraftsport an den Start gehen wird. Es folgte ein hartes Trainingsprogramm, um sich innerhalb von zehn Monaten in seiner neuen Disziplin auf Wettkampfniveau zu bringen.

Damit er die WPFG von Anfang bis Ende genießen konnte, gewährte man ihm zwölf Tage Sonderurlaub. Von „Geißbock Schänke“-Betreiber Henning Kastenholz wurde der 38-Jährige ebenfalls unterstützt. Cremers Frau Sabrina arbeitet in der Gaststätte am Euskirchener Alten Markt, und als diese vom Vorhaben ihres Mannes berichtete, war der sportbegeisterte Kastenholz sofort Feuer und Flamme. Der FC-Fan sponserte Cremer Trainingsklamotten. „Ich bin zwar nicht unbedingt ein Fußballfan, aber in Belfast sprachen mich viele auf den 1. FC Köln an“, so Cremer.

In der nordirischen Hauptstadt verfolgte er neben dem Boxen noch das Finale im Armdrücken und den Halbmarathon: „Das war ein unvergessliches Erlebnis.“ In Erinnerung geblieben ist ihm ein 72-jähriger Feuerwehrmann aus Hamburg. Der holte nicht nur in seiner Altersklasse im Bankdrücken die Goldmedaille, sondern auch Bronze im Tischtennis. Die nächsten WPFG finden in den USA statt. 2015 können sich die Polizisten, Feuerwehrleute sowie Justiz- und Zollbeamte in Fairfax County beweisen. „Da will ich wieder dabei sein“, kündigte Cremer an. Bis dahin will er 135 Kilo auf der Hantelbank sicher drücken. Und vielleicht bleibt ihm in den Staaten ja auch eine Radikaldiät erspart...

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