Als Heldin sieht sie sich nichtZülpicherin hat Stammzellen gespendet

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt

18 Jahre nach ihrer Ty­pi­sie­rung hat Simone Heiliger nun Kno­chen­mark ge­spen­det.

Kreis Euskirchen – Als der Anruf kam, wollte Simone Heiliger gerade unter die Dusche. Am Telefon war die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS): „Wären sie bereit eine Stammzellenspende zu leisten?“ Im ersten Moment sei sie total euphorisch gewesen und habe Gänsehaut gehabt, berichtet Heiliger. Blonde Locken, blaue Augen, sympathisches Lächeln – die 45-Jährige sitzt an ihrem Esstisch und nimmt einen Schluck Minztee.Ihre Stammzellenspende liegt inzwischen einige Wochen zurück. Ihre Typisierung bei der DKMS 18 Jahre.

Damals habe sie gleich ein Jahr später schon einen Anruf von der DKMS bekommen, doch zu dem Zeitpunkt habe sie noch gestillt und sei deshalb nicht für eine Spende infrage gekommen. Da sei sie schon etwas enttäuscht gewesen. Heute sei sie aber ganz froh, dass die Regeln für eine Spende so streng seien. Das Ganze sei schon zeitaufwendig und auch für den Körper anstrengend, wisse sie jetzt.

Weitere Untersuchungen notwendig

Direkt nach ihrer Zusage am Telefon vor wenigen Monaten habe sie ein langes Gespräch mit der DKMS geführt, in dem hauptsächlich Gesundheitsfragen geklärt worden seien. Anschließend habe sie weitere Fragen und Unterlagen per Mail zugeschickt bekommen sowie drei Ampullen per Post. Denn um wirklich spenden zu können, musste Heiliger noch einmal frisches Blut an die DKMS schicken.

Das habe ihr wenige Tage später eine gute Freundin abgenommen, die beim Blutspendedienst arbeite. In Sportklamotten hätten sie dabei im Wohnzimmer gesessen, erinnert sich Heiliger und lacht. „Dann bin ich mit dem wertvollen Paket zur Post“, berichtet sie weiter. Vor dem Spendetermin ging es dann zu einigen Voruntersuchungen. „Danach weiß man, man ist wirklich gesund.“

Sie hat etwas Zeit gebraucht, um darüber nachzudenken

Außerdem sei danach klar gewesen, dass für ihre Spende nur die operative Entnahme aus dem Becken infrage kam. „Krankenhaus, Vollnarkose – da hatte ich überhaupt keine Lust zu“, sei ihre erste Reaktion darauf gewesen, berichtet Heiliger. Sie habe etwas Zeit gebraucht, um darüber nachzudenken. Eigentlich sei ihr klar gewesen, dass sie trotzdem nicht Nein sagen würde, aber einen Moment habe sie schon gebraucht. Was ihr sehr gutgetan habe: „Da drängt einen auch niemand.“ Ärzte wie Krankenpfleger hätten ihr gesagt, dass sie das alleine für sich entscheiden müsse.

Die Stammzellen werden herausgefiltert

Eigentlich habe sie mit einer peripheren Entnahme über die Armvene gerechnet. Dabei muss sich der Spender oder die Spenderin einige Tage Wachstumshormone spritzen, damit der Körper mehr Stammzellen ausschüttet. Dann wird ihm oder ihr Blut aus dem Arm entnommen, die Stammzellen werden herausgefiltert und das Blut zurück in den Körper geleitet.

Das Ganze könne ambulant geschehen und dauere mehrere Stunden, berichtet Julia Ducardus von der DKMS. Bei mehr als 80 Prozent aller Stammzellenspenden der DKMS werde diese Methode gewählt. Welche Methode bei welchem Spender angewendet werde, darüber entscheiden die Ärzte des jeweiligen Patienten, erklärt Ducardus weiter. Sie wählten aus, was in ihren Augen erfolgversprechender sei. Grundsätzlich seien Blutstammzellen etwas aggressiver und das Knochenmark-Blutgemisch, das aus dem Becken entnommen werde, ein bisschen schonender. Bei Simone Heiliger wählten die Verantwortlichen die operative Methode, der sie letztendlich auch zustimmte

Ein besonderer Moment der Spende

Heiliger nimmt noch einen Schluck Tee. Sie erinnere sich an einen besonderen Moment vor der Spende, sagt sie. Der ursprüngliche Termin für ihre Entnahme habe genau auf dem 18. Todestag ihres Vaters gelegen. Der Gedanke, an dem Tag vielleicht jemandem das Leben zu retten, an dem ihr Vater gestorben sei, habe bei ihr Gänsehaut ausgelöst. „Wow“, habe sie gedacht. Vielleicht schließe sich da ein Kreis. Doch dann sei der Termin leider verschoben worden.

Am nächsten Tag durfte sie schon wieder nach Hause

Für die Spende selbst musste Heiliger wie auch schon für die Voruntersuchung in eine Klinik nach Köln. Die Entnahme an sich sei recht zügig verlaufen, berichtet sie. Besonders gefreut habe sie sich danach über die Bemerkung eines Assistenzarztes. Der habe zu ihr gesagt: „Ihr Körper war sehr spendabel.“ Am nächsten Tag durfte sie schon wieder nach Hause fahren, doch die Nachwirkungen der Operation spürte sie noch etwas länger. „Das hat schon gut gezwiebelt“, sagt sie.

Nach der Spende sei sie nicht mehr so euphorisch gewesen wie beim ersten Anruf. Vielmehr habe sie sich dankbar gefühlt. „Dankbar, dass ich das machen konnte.“ Als Heldin oder Lebensretterin will sie nicht bezeichnet werden. „Ich bin noch keine Lebensretterin“, betont sie. Denn noch sei nicht klar, ob der Patient, für den sie gespendet hat, überleben werde. Etwa die Hälfte der Patienten, die transplantiert werden, überlebe lange Zeit, berichtet Ducardus aus den Erfahrungen der DKMS. Bei Kindern liege die Quote sogar bei mehr als 80 Prozent.

Spender und Patient müssen anonym bleiben

Simone Heiliger hat an einen erwachsenen Mann aus England gespendet. Mehr weiß sie nicht und darf sie auch nicht wissen. Denn Spender und Patient müssen anonym bleiben. Das diene dem Schutz beider Seiten, erklärt Ducardus. Zwei Jahre lang sei ein Spender für einen bestimmten Patienten reserviert, in dieser Zeit könne eine Nachspende nötig werden. In einigen Ländern sei es nach dem Ablauf der zwei Jahre möglich, dass sich Spender und Patient kennenlernen. Wann genau und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, sei dabei von Land zu Land unterschiedlich.

Das könnte Sie auch interessieren:

Simone Heiliger kann ihren Patienten nach Ablauf der zwei Jahre kennenlernen. Vorausgesetzt, er möchte das auch, und es hat vorher bereits ein anonymer Kontakt stattgefunden. Deshalb will sie ihm nun zu Weihnachten einen Brief schreiben. „Ich erwarte keine Dankbarkeit, aber mich interessiert es brennend, wer mein genetischer Zwilling ist“, sagt sie. Sie hofft, dass der Patient aus England ihr antwortet.

Nachtmodus
Rundschau abonnieren