Mit StammzellspendeArgentinierin besucht Zülpicher, der ihr das Leben gerettet hat

Lesezeit 5 Minuten
Stammzellspender Dieter Davepon mit Maria Laura Tonlorenzi, die die Spende erhalten hatte, und deren Tochter Rocio.

Stammzellspender Dieter Davepon mit Maria Laura Tonlorenzi, die die Spende erhalten hatte, und deren Tochter Rocio.

Zülpich-Geich – Sechs Namen hat sich Maria Laura Tonlorenzi aus Buenos Aires auf ihren Arm tätowieren lassen: den ihrer Tochter Rocio, den ihrer behandelnden Ärzte und den ihres genetischen Zwillings, der ihr vor elf Jahren mit einer Stammzellspende die Rückkehr ins Leben ermöglicht hat: Dieter Davepon aus Zülpich-Geich.

Stammzellspender aus Zülpich und Spendenempfängerin treffen sich nach elf Jahren

Vor knapp zwei Wochen konnte sie ihren Lebensretter das erste Mal in die Arme schließen. Der sehr bewegende Moment am Flughafen wurde von Tochter Rocio gefilmt, damit auch die restliche Familie in Argentinien daran teilhaben konnte. „Sie hat immer gesagt, dass sie mich zehn Jahre nach der Transplantation treffen möchte“, erzählt Dieter Davepon. Der Pandemie wegen wurden nun elf Jahre daraus.

Nach Stammzellspende hat sich die Argentinierin die Namen ihrer Lebensretter auf den Arm tätowieren lassen.

Nach Stammzellspende hat sich die Argentinierin die Namen ihrer Lebensretter auf den Arm tätowieren lassen.

Als Maria Laura Tonlorenzi an Leukämie erkrankte, war ihre Tochter noch sehr klein. Die Chemotherapien schlugen nicht an, die junge Frau baute mehr und mehr ab, blieb bald zwei Jahre isoliert im Krankenhaus. „Am Ende wog sie nur noch 28 Kilo.

Die Ärzte hatten keine Hoffnung mehr und gaben ihr nur noch wenige Wochen zu leben“, erzählt Dieter Davepon, der bei der Stadt Zülpich beschäftigt ist. Niemals, sagt er, habe er damit gerechnet, tatsächlich zum Stammzellspender zu werden. Die Trefferquote sei wie ein Sechser im Lotto.

Zülpicher lässt sich 2009 typisieren: „Ein Jahr später kam der Anruf“

„Meine Frau und ich hatten uns 2009 typisieren lassen, als für einen kleinen Jungen aus Bad Münstereifel ein Spender gesucht wurde.“ Ein Jahr später kam der Anruf der DKMS (ehemals Deutsche Knochenmarkspenderdatei). „Ob ich noch gewillt sei zu spenden, wollte man wissen“, so Davepon. Und das war er.

Mittels peripherer Spende wurden die benötigten Stammzellen aus Davepons Blut gefiltert und nach Buenos Aires geflogen, wo kurz darauf die Transplantation durchgeführt wurde. „Für mich war das kein großer Akt, ich war danach ein paar Tage etwas schlapp, mehr nicht.“

Zwei Varianten der Entnahme

Es gibt zwei Möglichkeiten, Stammzellen zu spenden: In etwa 80 Prozent der Fälle erfolgt das peripher. Dabei wird dem Spender über fünf Tage ein Medikament verabreicht, das die Anzahl der Stammzellen im peripheren Blut steigert. Diese werden dann über ein spezielles Verfahren direkt aus dem Blut gewonnen.

Bei der direkten Stammzellspende wird dem Spender unter Vollnarkose ein Knochenmark-Blut-Gemisch aus dem Beckenkamm entnommen. Nach der Entnahme kann für wenige Tage ein lokaler Wundschmerz entstehen – ähnlich dem einer Prellung. Für die Knochenmarkentnahme bleibt

der Spender für zwei bis drei Tage im Krankenhaus.

Um Stammzellspender zu werden, muss man gesund und körperlich in guter Verfassung sowie zwischen 17 und 55 Jahre alt sein. (hn)

Ein direkter Kontakt zwischen Spender und Empfänger ist frühestens zwei Jahre nach der ersten Transplantation erlaubt. Nach Ablauf dieser Anonymitätsfrist ließen es sich Davepon und Tonlorenzi nicht nehmen, sich kennenzulernen. Der Kontakt war jedoch nicht flüchtig und einmalig, sondern beständig. Weihnachten, Geburtstage oder Urlaubsreisen – Grüße und Fotos flogen per Mail und WhatsApp zwischen Deutschland und Argentinien hin und her.

Argentinierin und Tochter bleiben zwei Wochen in Zülpich

Sprachprobleme gab und gibt es keine, was nicht mit Händen und Füßen zu erklären ist, wird mit Google-Translator eingesprochen und postwendend von der App übersetzt. „Auf diese Art und Weise spreche ich fließend Spanisch und Italienisch“, witzelt der Geicher.

Weltweite Suche

Alle 27 Sekunden erhält ein Mensch auf der Welt die Diagnose Blutkrebs, in Deutschland alle zwölf Minuten. Nur ein Drittel der Erkrankten findet innerhalb der Familie einen Stammzellspender. Jeder zehnte Blutkrebspatient sucht vergeblich einen passenden Spender.

Bei der DKMS, die neben dem deutschen noch sieben weitere Standorte weltweit hat, sind mehr als elf Millionen Menschen registriert. Mehr als 95 000 Spender haben bislang Patientinnen und Patienten auf der ganzen Welt eine neue Lebenschance gegeben. Täglich spenden mehr als 20 DKMS-Registrierte Stammzellen oder Knochenmark für Erkrankte im In- und Ausland.

In Euskirchen sind mehr als 26 000 potenzielle Spender registriert, von denen bereits 416 Menschen eine Lebenschance schenken konnten. In Zülpich sind rund 3300 Menschen in der Kartei. Neben Dieter Davepon haben bereits 30 weitere Zülpicher Knochenmark gespendet.

Im Kreis Euskirchen ist die Hilfsgruppe Eifel sehr engagiert bei der Suche nach Spendern. Seit 1992 wurden bei Typisierungsaktionen des Vereins mehr als 20 000 Eifeler registriert. Davon haben (Stand 2020) 351 Personen lebensrettende Stammzellen für Leukämiepatienten in 35 Ländern gespendet. (hn)

www.dkms.de

Fast zwei Wochen sind Mutter und Tochter Tonlorenzi zu Gast bei der Familie Davepon. Und für alle fühlt es sich an, als ob man sich schon lange Zeit kennen würde. „Wir haben erstaunlich viele Gemeinsamkeiten entdeckt, was mich sehr glücklich macht“, so die 44-Jährige, die ihren genetischen Zwilling auch als ihren Seelenverwandten bezeichnet. „Wir waren wirklich von Anfang an auf einer Wellenlänge“, bestätigt auch Dieter Davepon.

Dank Stammzellspende ist 44-Jährige vollständig genesen

Maria Laura Tonlorenzi ist dank der Stammzelltransplantation wieder komplett genesen. Dass sie sich in ihrer Heimat ehrenamtlich für die Organisation Incucai engagiert, das nationale Zentralinstitut für die Koordinierung von Transplantationen, ist für sie beinahe selbstverständlich: „Ich möchte etwas zurückgeben.“

Gerne erzählt sie bei Veranstaltungen rund um das Thema Blut- und Stammzellspende ihre Geschichte mit doppeltem Happy End: Ihr Leben wurde gerettet und um eine ganz besondere Freundschaft bereichert.

Einen ganz besonderen kleinen Gruß an ihren genetischen Zwilling hatte die Argentinierin von einem ihrer Ärzte im Gepäck: eine Sprachnachricht, in der sich Dr. Nicolas bei Dieter Davepon dafür bedankt, dass er „Maria Laura, dieser liebenswerten Person, ermöglicht hat, wieder gesund zu werden“.

Rundschau abonnieren