Das Dreiländereck rund um Aachen könnte schon bald eine wissenschaftliche Spitzen-Einrichtung bekommen: Das „Einstein-Teleskop“.
Einstein-TeleskopSo greift NRW nach den „schwarzen Löchern“

Modell des Einstein-Teleskops.
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Im Vertrag für die schwarz-rote Koalition auf Bundesebene ist ein ausdrückliches Bekenntnis festgehalten: „Wir befürworten die Errichtung des Einstein-Teleskops in Deutschland als europäisches Leuchtturmprojekt.“ Was zunächst unspektakulär klingen mag, könnte für die rheinische Region enorme Chancen bieten.
An den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag hat der Chef der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei, Nathanael Liminski, teilgenommen. Er arbeite seit seinen ersten Monaten im Amt im Jahr 2017 an diesem Projekt, erklärte der CDU-Politiker im Gespräch mit der Rundschau: „Neben dem wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Potenzial sehe ich auch die politische Botschaft: Wir in Europa glauben an uns, wollen Weltklasse der Spitzenforschung sein.“
Messung von Gravitationswellen
Die Regierungen der Niederlande und Belgiens sind schon seit Jahren gemeinsam mit NRW dabei, in der gemeinsamen Grenzregion ein solches Messinstrument zu etablieren. Mit dem „Einstein-Teleskop“ werden Gravitationswellen gemessen. Das sind nach Angaben der Fachleute Vibrationen im Universum, die entstehen, wenn schwarze Löcher oder Neutronensterne umeinander kreisen oder kollidieren.
Albert Einstein hatte bereits im Jahr 1916 vorausgesagt, dass sich Entfernungen beim Vorbeiziehen einer solchen Gravitationswelle kaum messbar dehnen und zusammenziehen. Im Jahr 2015 gelang es dem US-amerikanischen Detektor LIGO erstmals, dieses Phänomen zu messen.
Es geht also um den Menschheitstraum, mehr über das Universum zu erfahren, in dem wir leben. Das geplante „Einstein-Teleskop“ hätte damit eine besondere Bedeutung für die internationale Physik und Astronomie.
„Unser Ziel ist es, auf Basis des Koalitionsvertrages zu einer Klärung mit der Bundesregierung zu kommen und im nächsten Jahr die Bewerbung in Europa auf den Weg zu bringen, um diese Milliardeninvestition möglichst im Dreiländereck zu realisieren“, erläutert Liminski. Er ist zugleich auch Minister für Europa- und Bundesangelegenheiten in der NRW-Regierung.
Liminski sieht Europaregion im Vorteil
Die Zeit der Koalitionsverhandlungen hat er nach eigenen Angaben auch dazu genutzt, mit Sachsen über eine deutsche Beteiligung an der Bewerbung Klarheit herzustellen. Denn auch das ostdeutsche Bundesland hat Interesse daran, zum Standort für das Projekt zu werden.
Liminski sieht die Europaregion jedoch im Vorteil, auch weil es bereits Investitionen gegeben hat. Sowohl Belgien als auch die Niederlande und eben NRW hätten gemeinsam eine Milliarde Euro aufgebracht, betont der Chef der Staatskanzlei: „Das bringt uns einen großen Vorteil.“ Gerade das Bundesland sei mit der Durchführung von Machbarkeitsstudien, mit der Einrichtung eines Projektbüros und mit der Mobilisierung von Wissenschaft und Wirtschaft in Vorleistung gegangen.
Die Premierminister der Niederlande und von Belgien hätten sich, so Liminski, während der Koalitionsverhandlungen für eine neue Bundesregierung persönlich dazu erkundigt: „Sie haben auch ihrerseits gegenüber der neuen Bundesregierung deutlich gemacht, dass sie sich Klarheit erhoffen, nachdem die Ampel über Jahre jedes Signal hat vermissen lassen.“
Universum nach dem Urknall
Mit dem Einstein-Teleskop will die Wissenschaft beispielsweise den Entstehungsprozess von schwarzen Löchern, die Struktur von Neutronensternen und die Beschaffenheit des Universums unmittelbar nach dem Urknall erforschen. Zudem sollen die Vorhersagen von Einsteins Relativitätstheorie in „nie dagewesener Weise“ getestet werden.
Zurzeit werden Probebohrungen für den Bau des „Einstein-Teleskops“ durchgeführt. Schließlich wird man von dem Bau oberirdisch kaum etwas sehen. Das Herzstück der Messanlage werde mit ihren drei jeweils zehn Kilometer langen Armen 250 bis 300 Meter unter der Erdoberfläche liegen, um dort ungestört Messungen durchführen zu können, heißt es in einer Darstellung des Projektbüros.
Die rheinische Grenzregion ist deshalb so gut als Standort geeignet, weil es dort einen besonders weichen Oberboden gibt. Der dämpft Vibrationen, die durch Menschen verursacht werden. Außerdem betonen die Initiatoren die gute Anbindung und das Netz von Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen rund um den vorgesehenen Standort. Letztlich würde das Vorhaben auch Arbeitsplätze schaffen: Beim Bau, aber auch mittelfristig im Bildungssektor.