„Müssen miteinander reden“Fragen und Antworten aus Oberberg zur Karnevalsentscheidung

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Redner Jörg Runge glaubt nicht, dass der Karneval je wieder wird wie er war – vor allem was die Höhe der Gagen angeht.

Redner Jörg Runge glaubt nicht, dass der Karneval je wieder wird wie er war – vor allem was die Höhe der Gagen angeht.

  • Ist Karneval jetzt abgesagt? Oder doch nicht?
  • Wird er je wieder, wie er war? Und was bedeutet das für Vereine, Musiker und Redner?
  • Torsten Sülzer und Frank Klemmer haben bei einigen Protagonisten nachgefragt.

Was sagen die oberbergischen Karnevalsvereine?

Nach allem, was bisher bekannt ist, geht Reinhold Müller, Senatspräsident und Sprecher der KG Närrische Oberberger in Engelskirchen davon aus, dass Rosenmontagszug und die Veranstaltungen im Festzelt ausfallen. „Wir wollen andere Formate umsetzen, aber jetzt warten wir erstmal auf die Verfügung aus der Düsseldorfer Staatskanzlei, die den Rahmen des Zulässigen definiert.“ Wenn die schriftlich vorliegt, will sich der Geschäftsführende Vorstand der Engelskirchener KG in der kommenden Woche Gedanken machen und ins Detail gehen. Aber bisher liege seitens der Landesregierung noch keine Information vor.

Was sagen die Musiker und Redner?

Dirk Meierlücke, Sänger der Band „The Höösch“, die sich ausdrücklich nicht als Karnevalsband versteht, aber im Karneval stets gut gebucht war, sagt, die Absage der Großveranstaltungen sei vernünftig: „Eine Sitzung in geschlossenen Räumen in Zeiten, in denen keiner weiß, wie man Corona in den Griff kriegen kann – da ist nachvollziehbar, dass niemand die Verantwortung übernehmen will.“

Am Wochenende stand die Band „The Höösch“ dreimal vor Haus Ley auf der Bühne.

Am Wochenende stand die Band „The Höösch“ dreimal vor Haus Ley auf der Bühne.

Auch Jörg Runge – in Loope aufgewachsen und als „Dä Tuppes vum Land“ heute einer der bekanntesten Redner im Kölner Karneval – sagt: „In Zeiten, in denen in Wiehl ein ganzes Gymnasium wegen Corona geschlossen wird, muss man sich über andere Dinge Gedanken machen als über Karnevalspartys und wie man damit Geld verdient.“

Was bedeutet das alles für die Verträge der Künstler?

„Eigentlich hat sich zunächst einmal gar nichts geändert“, stellt Jörg Runge fest. Er war als Redner in der Region für die neue Session oft gebucht – „vom Kölner Gürzenich bis hinunter zur Herrensitzung nach Morsbach“. Dass diese weiten Touren und die großen Sitzungen ausfallen werden, steht für ihn fest. „Aber der Wunsch des Festkomitees, dass die Landesregierung alles verbietet, ist am Freitag nicht erfüllt worden.“

Das heißt für Runge: „Wir müssen miteinander reden.“ Er selbst habe allen Veranstaltern, die ihn für die Session gebucht haben, schon angeboten, die Auftritte auf 2021/2022 umzubuchen – ohne Stornierungskosten. Er weiß aber, dass das nicht jeder Künstler einfach so machen kann: „Ich habe noch einen anderen Job, Karneval ist und bleibt meine Leidenschaft. Andere müssen davon leben.“ Die Frage nach dem Umgang mit gebuchten Künstlern stellt sich für jede Karnevalsgesellschaft.

Reinhold Müller und Franz-Josef Steinfort sind noch unsicher, was die Entscheidung in Düsseldorf für ihre Vereine bedeutet.

Reinhold Müller und Franz-Josef Steinfort sind noch unsicher, was die Entscheidung in Düsseldorf für ihre Vereine bedeutet.

Auch in Denklingen, wo die KG Rot-Weiß Veranstaltungen im Zelt und den Karnevalszug schon vor Wochen abgesagt hatten, ist man noch unsicher. „Unser Präsident Hansi Welter wird in den kommenden Tagen das Gespräch mit unserer Künstleragentur suchen“, sagt Franz-Josef Steinfort, Pressesprecher der KG.

In Engelskirchen erklärt Müller: „Wir haben immer gesagt, dass wir an einer fairen Lösung interessiert sind.“ Man dürfe keine verbrannte Erde hinterlassen – in jeder Hinsicht. „Der Karneval braucht ja eine Zukunft. Und die sieht ohne Künstler schlecht aus.“ Es gebe aber Vereine, die durch die vielen Auflagen in der Vergangenheit „finanziell arg am Fliegenfänger hängen“, gibt Müller zu bedenken: „Die haben weniger Spielraum als Vereine, die ordentlich aufgestellt sind. Und letzteres sind wir – Gott sei Dank.“

Wird Karneval je wieder so, wie er vorher war?

Schon vor Corona hätten zahlreiche neue Auflagen ein Vereinssterben befeuert, so Müller. Anderswo hätten auch finanziell gesunde KGs die Schotten dicht gemacht, weil sich niemand mehr gefunden habe, der die Verantwortung übernehmen wollte. „Deshalb hoffe ich, dass die Karnevalsvereine in ihrer Gesamtheit Corona überleben.“

Die Gefahr, Corona nicht zu überleben, sieht Reinhold Müller auch für andere Branchen, die Teil der komplexen Strukturen hinter den Kulissen sind: „Was macht die Veranstaltungstechnik? Was machen die Zeltverleiher? Kriegen wir für 2022 überhaupt noch ein Zelt? Gibt es dann überhaupt noch einen, der uns eins stellen kann? Die haben seit dem letzten Karneval nichts mehr verdient. Die Schützenfeste sind auch alle ausgefallen.“

Selbst wenn das alles wieder geht, glaubt Jörg Runge nicht, dass alles wieder so wird wie vorher: „Ich persönlich bin überzeugt, dass die Zeit der hohen Gagen und des großen Geschäftes vorbei ist.“

Wo könnte in diesem Jahr gefeiert werden?

Erst wenn die Details aus Düsseldorf vorliegen, könne man sich die Frage stellen, was umsetzbar ist und welche Lokalitäten zur Verfügung stehen, sagt Reinhold Müller: „Wir werden ja kein Zelt haben. Dann müssen wir sehen, ob wir etwas in der Sporthalle der Grundschule machen können – ob wir da überhaupt reindürfen.“

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Jetzt sei es an allen Beteiligten, über alternative Veranstaltungsformen nachzudenken, sagt Dirk Meierlücke. „Es gibt ja Möglichkeiten“, sagt er und verweist auf die drei Konzerte, die „The Höösch“ am Freitag, Samstag und Sonntag in Haus Ley in Engelskirchen unter freiem Himmel gespielt haben. „Das hat hervorragend funktioniert, aber das muss man auch ein bisschen selber in die Hand nehmen und die richtigen Leute ansprechen.“

Für den Karneval brauche es dann andere Konzepte. „Eine Karnevalssession findet in den Sälen statt. Was möglich ist, ist sehr abhängig davon, wie der Saal aussieht: Wie groß? Wie gut ist er belüftet? Was für ein Konzept kann man da umsetzen?“

Jörg Runge sieht sogar eine Chance. „Für das, was jetzt kommt, müssen wir uns eben noch mehr auf den selbst gemachten Karneval vor Ort besinnen.“ Selbst wenn das für ihn als Redner und für die Bands heiße, auf manche Tour über die Dörfer und die ein oder andere Gage verzichten zu müssen: „Das ist es, was unserem Karneval schon vor Corona gefehlt hat.“

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