7000 FollowerVanessa Didam hat mit 22 Jahren Meisterprüfung bestanden

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Schornsteinfegerin

Die Messung des Kohlenmonoxidgehaltes im Rauch von Heizungsanlagen gehört zu Vanessa Didams Aufgaben.

  • Mit der Ausbildung geht für Didam ein Kindheitstraum in Erfüllung.
  • In dem männerdominierten Beruf muss sie sich immer wieder aufs Neue beweisen.
  • Auf Instagram bekommt sie viele Nachrichten von Mädchen, die sich von ihr inspiriert fühlen.

Wipperfürth – Vanessa Didam klettert die engen Treppen zum Dachboden hoch. Die Schräge ist so niedrig, dass Didam sich hinlegen muss, um die Öffnung zum Kamin zu erreichen. „Arbeiten im Liegen“, schreibt sie zum Video, das sie später in einer Instagram-Story postet. Die 28-Jährige ist Schornsteinfegermeisterin im oberbergischen Wipperfürth und interpretiert ihr Handwerk modern: auf ihrem Instagram-Kanal. Als @nessiechen nimmt sie rund 7000 Follower mit auf die Arbeit. „Direkt mal gemütlich gemacht“, postet sie in der nächsten Story. Mit Kehrbesen und rosa Handschuhen fegt sie den Kamin und liegt dabei auf dem Bauch.

Kindheitstraum ging in Erfüllung

Für Didam geht ein Kindheitstraum in Erfüllung, als sie 2008 mit 16 Jahren die Ausbildung zur Schornsteinfegerin anfangen darf. Als Kind war die Sauerländerin fasziniert, wenn der Schornsteinfeger einmal im Jahr zu ihrer Familie nach Hause kam. „Der durfte auf den Dachboden, auf den wir Kinder nie durften.“ Mit 14 Jahren absolviert sie ihr erstes Praktikum. Sie macht mit 22 Jahren ihren Meister, zieht 2014 nach Köln und ist heute beim Schornsteinfeger Achim Dreiner im oberbergischen Wipperfürth beschäftigt. „Mir hat das Ländliche immer besser gefallen“, sagt Didam.

Sie arbeitet oft in Mehrfamilienhäusern, kehrt Kamine, berät als Meisterin die Kunden zum Thema Energie und prüft Abgase: zum Beispiel den Kohlenmonoxidgehalt im Rauch von Heizungsanlagen. „Viele unterschätzen, was man als Schornsteinfeger alles können muss“, sagt Didam. Sich mit Physik und Chemie auskennen zum Beispiel und Gesetzestexte auswendig lernen. Ohne ein Gutachten vom Schornsteinfeger darf niemand einen Kamin oder eine neue Heizung bauen. Handwerkerin Didam handelt also im staatlichen Auftrag.

Fürchtet sich vor Spinnen

Höhenangst war für Didam nie ein Problem. Dafür fürchtet sie sich vor Spinnen. Am Anfang ließ sie immer das Licht aus, damit sie die Krabbler gar nicht erst sieht. Im zweiten Lehrjahr hat sie sich dann an die Tiere gewöhnt, die in den Kellern oder auf den Dachböden hausen. „Ich kann ja vor dem Kunden nicht wegrennen, wenn ich eine Spinne sehe. Schon gar nicht als Frau im Handwerk.“

Auf Instagram bekommt Vanessa Didam viele Nachrichten von Mädchen, die sich von ihr inspiriert fühlen und nun ein Praktikum beim Schornsteinfeger machen. Sie schreiben ihr, dass sie nicht gedacht hätten, dass der Beruf für Frauen attraktiv sein kann. „Es ist schön, mit modernen Mitteln andere erreichen zu können“, freut sich die Handwerkerin.

Immer wieder aufs neue beweisen

Didam muss sich in dem männerdominierten Beruf immer wieder aufs Neue beweisen. Das fing schon in der Berufsschule an. „Ich war Klassenbeste, und dann haben meine Mitschüler gesagt, das sei der Frauenbonus.“ Und auch für viele Kunden ist es immer noch komisch, dass Didam eine Frau im Handwerk ist. Einige zweifeln an ihren Fähigkeiten: „Gehen sie denn auch aufs Dach?“, hat ein Kunde sie einmal gefragt. Anfangs fiel es ihr tatsächlich schwer, sich selbst aus dem Dachfenster zu drücken – in einer Art Klimmzug – oder die dreiteilige Leiter zu tragen.

Also fing sie an zu trainieren, um mehr Kraft zu bekommen. „Da packt einen dann auch der Ehrgeiz.“ Auch wenn Didam sich Fähigkeiten antrainiert, die stereotypisch männlich sind, möchte die 28-Jährige trotzdem ihre Weiblichkeit ausleben: Sie ist nicht nur Handwerkerin, sondern modelt auch, unter anderem für Lingerie. Auf Instagram postet sie Fotos von ihren Modeljobs – neben Bildern, auf denen sie Arbeitskleidung trägt. Eine Gesellin hatte ihr während des Praktikums damals gesagt, als Frau müsse man sich entscheiden: „Willst du Handwerkerin oder eine Frau sein?“

Das Vorurteil: durch das Arbeiten im Handwerk hat man Dreck unter den Fingernägeln, bekommt einen maskulinen, breiten Rücken. Didam findet nicht, dass sie sich entscheiden muss. Auf der Arbeit trägt sie manchmal rot lackierte Fingernägel. „Ich wollte nie meine Weiblichkeit aufgeben“, sagt sie. „Ein breites Kreuz habe ich auch nicht.“

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