Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

2000 Kilometer durch die HölleZwei Männer aus Lindlar trotzen der Sahara für ein Frauenhaus

4 min
Ein Mann mit Kamera steht in der Wüste und macht Fotos von kaputten Autos, die teilweise auf dem Dach liegen.

Auf ihre 2.000 Kilometer lange Wüstenwanderung von Marokko nach Mauretanien bereiten sich Michael Loewnich und Sascha Stöckl vor. 

Sportliche Ausdauer: Michael Loewnich läuft mit einem Freund durch die Sahara – für Mädchen in Liberia, die Gewalt überlebt haben

„Die Mädchen und Frauen, die misshandelt und vergewaltigt wurden, gehen ihr ganzes Leben lang durch die Hölle. Wir gehen mit diesem Projekt symbolisch durch die Hölle“ – mit diesen Worten beschreibt Michael Loewnich aus Lindlar eine Herausforderung, wie sie kaum jemand freiwillig auf sich nehmen würde: Zu Fuß, ohne Hilfe und mit nur fünf Euro Tagesbudget läuft er mit einem Freund über das Atlasgebirge und durch die Sahara, rund 2000 Kilometer in 60 Tagen.

Michael Loewnich, selbstständiger Fotograf, Mediengestalter und Gründungsmitglied von Teamwork Africa Deutschland, und Sascha Stöckl, Weltenbummler und Outdoor-Profi, wagen den Marsch durch die extreme Hitze, Sandstürme und die entlegensten Gegenden Nordwestafrikas. Starten werden die beiden am 30. September in Marrakesch in Marokko, Ziel ist Nouakchott, die Hauptstadt Mauretaniens.

Ein Mann mit Brille steht in Mitte vieler Kinder in einem Dorf in Liberia.

Für Michael Loewnich wird die Reise nicht das erste Mal durch die Sahara sein.

Trainieren kann man für so eine Tour nur begrenzt: „Es ist zu 50 Prozent körperlich, zu 50 Prozent Kopfsache“, sagt Loewnich. „Aber man kann immer mehr, als man denkt.“ Trotzdem sei es eine sportliche Extremleistung. Kennengelernt haben sich Michael Loewnich und Sascha Stöckl 2016 beim 24-Stunden-Mountainbike-Rennen in Duisburg. Seitdem verbindet sie nicht nur eine Freundschaft, sondern auch die Lust an außergewöhnlichen Herausforderungen.

Was auf den ersten Blick nach einem Extremabenteuer zweier Männer klingt, ist in Wahrheit ein Herzensprojekt mit einem klaren Ziel: Dem Bau eines Frauenhauses in Liberia – dem Mercy House. Es soll ein sicherer Ort für Mädchen und Frauen sein, die Opfer von Gewalt, Missbrauch und gesellschaftlicher Ausgrenzung wurden. Die Geschichte hinter dem Namen Mercy House ist tragisch, erschütternd und leider kein Einzelfall.

Für uns war klar: Wenn wir helfen wollen, dann mit einem Ort, der Schutz bietet.
Michael Loewnich, Fotograf und Mediengestalter

Ein junges Mädchen aus dem ländlichen Liberia wurde wiederholt vergewaltigt, sprach aus Angst und Scham mit niemandem darüber. Sie wurde schwanger. Zwei Wochen nach ihrem 14. Geburtstag brachte sie ein kleines Mädchen zur Welt. Peggy Halvorsen, die Gründerin von Teamwork Africa, fand die beiden, brachte sie in eine Pflegefamilie und gab dem Baby den Namen Mercy. „Für uns war klar: Wenn wir helfen wollen, dann mit einem Ort, der Schutz bietet“, erklärt der Lindlarer.

Daher trägt das Projekt den Namen „No Mercy Trek“. Warum dieser Titel, wenn es doch um Gnade und Mitgefühl geht? „Weil die Wüste keine Gnade kennt“, sagt Loewnich. „Die Strecke wird brutal. Keine Hilfe, kaum Wasser, kein Rückzugsort, wir sind auf uns allein gestellt.“ Die Regeln haben sich die beiden selber gesetzt: Pro Tag fünf Euro für Essen, Trinken und Unterkünfte. Die Strecke muss zu Fuß zurückgelegt werden.

Ein Mann steht mit Hut in der Wüste.

Sascha Stöckl verbrachte schon einige Zeit in den verschiedensten Ecken der Welt.

Nutzen die beiden Hilfsmittel wie Fahrzeuge oder Kamele, erhalten sie eine „Penalty-Strafe“. Pro fünf Kilometer unrechtmäßig zurückgelegter Strecke müssen sie eine Stunde „abarbeiten“, zum Beispiel durch Hilfsarbeiten bei Einheimischen. „Das wäre doppelt doof“, meint Loewnich schmunzelnd. „Nicht nur, dass wir dann nicht alles zu Fuß geschafft haben, wir verlieren auch wertvolle Wanderzeit.“

Auch ein Begleitfahrzeug wird Michael Loewnich und Sascha Stöckl nicht begleiten. Stattdessen ziehen sie ihre gesamte Ausrüstung in Anhängern hinter sich her: Zelte, Schlafsäcke, Kamera-Equipment, Wasserflaschen, ein paar Kleidungsstücke. „Zwei Hosen, vier T-Shirts und ein paar Socken, mehr passt nicht“, sagt Loewnich. Einen Plan B gibt es nicht: Der Rückflug ist gebucht. „Wir müssen das schaffen.“

Drei Frauen sitzen mit einem Kind und einem Baby auf einer Bank.

Um Aufmerksamkeit und Spenden für ein Frauenhaus in Liberia zu sammeln, gehen Michael Loewnich und Sascha Stöckl symbolisch durch die Hölle.

Als selbstständiger Fotograf und Mediengestalter möchte Loewnich die Tour durch die Wüste nicht nur mit dem Handy begleiten. Tägliche Updates in den Sozialen Medien, sowie Fotos und Videos wollen die beiden online stellen. Am Ende soll aus den Aufnahmen eine professionelle Dokumentation über das gesamte Projekt entstehen.

Das Ziel des Ausdauerprojekts und der Reise ist klar: Aufmerksamkeit erzeugen und 50.000 Euro Spenden für den Bau und die ersten Jahre Betrieb des Mercy House sammeln. Unterstützen kann man die Aktion nicht nur durch klassische Spenden, sondern auch durch eine Challenge: Firmen können gegen die beiden wetten. Sollten die Weltenbummler Strafstunden ansammeln, müssen sie diese Stunden bei den teilnehmenden Firmen abarbeiten.

Seit Jahren reist Michael Loewnich regelmäßig in das westafrikanische Land. Michael Loewnich kennt Liberia gut. Seit Jahren reist er regelmäßig in das westafrikanische Land. „Jedes Mal treffe ich junge Mädchen, die Gewalt erlebt haben. Oft werden sie von ihren Familien verstoßen, weil sie als Schande gelten. In einem stark christlich geprägten Land mit traditionellen Bräuchen und Aberglauben sind diese Mädchen oft die Sündenböcke für alles: Krankheit, Missernten, Unwetter.“

Teamwork Africa Deutschland kümmert sich bereits jetzt um Pflegefamilien, Unterkunft und die psychologische Betreuung. Doch das reiche nicht. „Wir kratzen nur an der Oberfläche“, sagt Loewnich. „Wir wollen ihnen echte Perspektiven geben: Schutz, Ausbildung, eine berufliche Zukunft, Traumabewältigung und Kinderbetreuung.“