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AltschuldenentlastungWem winkt in Oberberg welche Entlastung?

7 min
Das Land NRW stellt für die Dauer von drei Jahrzehnten jährlich 250 Millionen Euro bereit, um Kommunen von Altschulden zu entlasten.

Das Land NRW stellt für die Dauer von drei Jahrzehnten jährlich 250 Millionen Euro bereit, um Kommunen von Altschulden zu entlasten.

Nachhaltige Entlastung oder Strohfeuer? Vom „Altschulden-Entlastungsgesetz NRW“ profitieren auch oberbergische Kommunen – aber in welchem Umfang?

Nachhaltige Entlastung oder Strohfeuer? Vom „Altschulden-Entlastungsgesetz NRW“ profitieren auch oberbergische Kommunen – doch in welchem Umfang?   Eine im März vom Städte- und Gemeindebund verbreitete Liste stand von vorne herein unter dem Vorbehalt, dass noch Daten fehlten. Wie schätzen Oberbergs Verwaltungen den Stand der Dinge jetzt ein?

Keine Überschuldung mehr

In Nümbrecht geht Bürgermeister Hilko Redenius fest davon davon aus, dass die Gemeinde mit der schlussendlichen Umsetzung des Gesetzes zum Stichtag 31. Dezember 2026 wieder Eigenkapital darstellen kann. „Damit entfällt der Druck auf die Gemeinde, mit Gewinnen wieder Eigenkapital aufzubauen. Insofern kann nach heutigem Stand auf die bisher geplante Grundsteuererhöhung verzichtet werden.“ Ob gar eine Steuersenkung möglich ist, werde sich im Oktober zeigen. „Da die avisierte Summe 18 Millionen Euro sind und wir einen Eigenkapitalfehlbetrag von rund 5 Millionen Euro haben, gehe ich mit Gewissheit vom Ende der Überschuldung aus.“

Hoffnung geplatzt

Anders sieht es in Reichshof aus, weil die Gemeinde am Stichtag Ende 2023 finanziell zu gut aufgestellt war, um in den Genuss der Entschuldungshilfe zu kommen. Kämmerer Gerd Dresbach: „Wir haben den Ratsbeschluss gefasst, einen Antrag auf Teilnahme am Gesetz zu stellen, weil wir die Hoffnung hatten, im Gesetzgebungsverfahren würde sich noch etwas ändern zugunsten der Kommunen, die zunächst nicht berücksichtigungsfähig waren“, etwa in Form einer Investitionshilfe im Sinne einer Gleichbehandlung. Doch diese Hoffnung ist zerplatzt. Dresbachs „Hoffnung B“ ist, dass die vielen Kommunen etwa im Münsterland, im Hochsauerlandkreis oder in Ostwestfalen, die immer gute Haushalte haben, Druck machen, und dass es wie in einer ähnlichen Lage in Hessen zur Androhung einer Verfassungsklage kommt. „Mehr als die Hälfte der Kommunen in NRW werden nach meiner Recherche nicht berücksichtigt“, sagt Dresbach. Er befürchtet, die Hilfen könnten sich als Strohfeuer entpuppen, wenn das Problem der Unterfinanzierung der NRW-Kommunen nicht dauerhaft gelöst werde. Ob sich Reichshof einer Klage anschließen würde, müsste die Politik entscheiden.

Klärungsbedarf

Auch für Morsbach hatte die Beispielrechnung ergeben, dass die Gemeinde nicht am Gesetz teilnehmen kann. „Im Rahmen der Ermittlung der antragsfähigen Höhe der Verbindlichkeiten zur Liquiditätssicherung haben sich Fragen ergeben, die sich aktuell in Klärung mit dem Ministerium befinden“, erklärt Finanzbuchhaltungsleiter Volker Nosek.

Keine Entlastungshilfe

Wiehl ist die dritte Kommune, die laut Simulationsberechnung leer ausgeht, und nach genauer Durchsicht des Gesetzes geht man in Wiehl davon aus, dass es auch so kommen wird. „Uns geht es im Verhältnis zu anderen zu gut, zumindest auf dem Papier“, sagt der stellvertretende Kämmerer Alf Karsten. Solange es keine Aussicht auf Erfolg gibt, werde man auch nicht tätig werde. Die Verwaltung bleibe aber mit der Wiehler Politik zu dem Thema im Gespräch.

Wipperfürths Bürgermeisterin Anne Loth betont, dass man zur Altschuldenentlastung noch keine verbindliche Aussage treffen könne.

Mehrfach-Auswirkung

Lindlars Kämmerin Cordula Ahlers sagt, man sei mitten in der Ermittlung der meldungsfähigen Altschulden. Der Betrag aus der Beispielrechnung spiegele aus mehreren Gründen nicht den tatsächlichen Stand wider. So würden unter der Bilanzposition „Kredite zur Liquiditätssicherung“ Beträge aufgeführt, die nicht zu den Altschulden zu rechnen sind (z.B. das Programm „Gute Schule“ oder auch die Kredite zur Konzernfinanzierung). Zudem seien die Beträge noch um Bestände fremder Finanzmittel, erhaltene Anzahlungen und ähnliches zu korrigieren. Daher könne auch sie noch keinen konkreten Betrag nennen. „Im gemeindlichen Haushalt wirkt sich die Altschuldenlösung mehrfach aus. Im konsumtiven Haushaltsergebnis werden hier die Zinsen entfallen, im Finanzergebnis die Tilgung der Beträge.“ Im Haushaltsausgleich seien aber keine Millionenentlastungen zu erwarten; dort schlügen „nur“ die Zinsen zu Buche, die im Jahr 2024 für alle Kassenkredite z.B. 330.000 Euro betrugen.

Rund acht Millionen

In Marienheide betont Bürgermeister Stefan Meisenberg, eine erste Hochrechnung ging von einer Entlastung in Höhe von rund acht Millionen Euro aus. Niederschlagen werde sich diese Summe in Form „einer niedrigen sechsstelligen Summe im Gemeindehaushalt pro Jahr“ – weil Schulden wegfallen, für die die Gemeinde dann keine Zinsen mehr zahlen muss.

Auswirkung auf die Grundsteuer

Engelskirchens Kämmerer Laszlo Kotnyek weist darauf hin, dass der Unterschied zwischen Simulationsberechnungen und tatsächlich zu erwartender Entschuldung auch davon abhängt, „in welchem Umfang zum Beispiel ein Cash-Pool-Management betrieben wurde“; damit gemeint ist die Vergabe von internen Kassenkrediten an die ausgegliederten Unternehmen – Eigenbetriebe, Anstalten des öffentlichen Rechts, Gesellschaften der Kommunen. Zu berücksichtigen sei auch, ob in der Vergangenheit Investitionen über Kassenkredite anstatt über Investitionsdarlehen finanziert wurden. Für Engelskirchen ergebe sich nach der ersten vorläufigen Finanzaufstellung ein Betrag in Höhe von 28,3 Millionen Euro als antragsfähige Höhe der Verbindlichkeiten zur Liquiditätssicherung. Das würde nach der gesetzlichen Systematik voraussichtlich zu einer Schuldenübernahme von 10,8 Millionen Euro führen, so Kotnyek. Die Zahlen seien aber noch vorläufig und müssten durch einen Wirtschaftsprüfer geprüft und testiert werden, so dass sich noch Änderungen ergeben können.“ Bei dem Betrag von 10,8 Millionen würde Engelskirchen eine Zinsentlastung in Höhe von 270.000 Euro jährlich für den Haushalt winken. „Damit könnte man zum Beispiel den Hebesatz der Grundsteuer B um 45 Prozentpunkte senken oder im Hinblick auf die wachsenden Aufgaben zumindest nicht erhöhen.“

Rechnung plausibel

Ob Gummersbach die knapp 22 Millionen Euro Altschuldentlastung bekommt, die der Städte- und Gemeindebund errechnet hat, kann der Erste Beigeordnete Raoul Halding-Hoppenheit noch nicht absehen. Es geht um 51 Millionen Euro Kassenkredite zum Stichtag. Was am Ende in der Kasse der Kreisstadt landet, hänge davon ab, wie viele Kommunen mitmachen, sagt der Kämmerer, wobei er die Rechnung des Städte- und Gemeindebundes für „plausibel“ hält. „Für uns wäre das die Hälfte der Kassenkredite zum Stichtag.“ Gummersbach hat für jetzt anstehende Antragsstellung einen Wirtschaftsprüfer beauftragt, einen entsprechenden Ratsbeschluss gibt es bereits. Kommt es so, wie aktuell angenommen, dann beliefe sich die jährliche Entlastung auf 400.000 Euro Zinsen für besagte Kassenkredite.

Antrag geht raus

Bergneustadt stellt nach positiver Beschlussfassung durch den Stadtrat nun einen Antrag auf Altschuldenhilfe. Laut der schon erwähnten Simulationsrechnung, die den Kommunen eine grobe Orientierung zu den zu erwartenden Entlastungsbeträgen geben soll, kann Bergneustadt mit einer Schuldenübernahme durch das Land NRW in Höhe von rund 5,7 Millionen Euro rechnen. „Diese Entlastung des städtischen Haushaltes ist zu begrüßen und wird bei der Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes berücksichtigt“, sagt Kämmerin Janina Hortmann, und ergänzt: „Inwieweit diese Entlastung dazu beiträgt, den künftigen Neuaufbau von Liquiditätskrediten bzw. Schulden im Allgemeinen zu verhindern, kann von hier aus zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden.“

Kredite genau abgrenzen

In Waldbröl sagt Stadtkämmerin Anja Brauer, die Höhe der Entlastung sei noch nicht seriös abzuschätzen. „Ein zentrales Problem besteht darin, dass viele Kommunen ihre Liquiditätskredite nicht nur für laufende Ausgaben, sondern auch zur Finanzierung von Investitionen genutzt haben. Die Altschuldenhilfe des Landes soll sich jedoch ausschließlich auf Kredite beziehen, die für konsumtive Zwecke aufgenommen wurden. Die Kredite müssen daher zunächst von anderen Verwendungen abgegrenzt werden. Insbesondere hoch verschuldete Großstädte haben ihre Investitionen durch Liquiditätskredite finanziert, was auch zulässig ist.“ Das Land habe angekündigt, zur Klärung der offenen Fragen ausführlich zu informieren. (sül, höh, ar, lz)


Das Altschulden-Entlastungsgesetz

Das Altschulden-Entlastungsgesetz Nordrhein-Westfalen, in diesem Juli vom Landtag beschlossen, sieht vor, „die Kommunen in Summe von der Hälfte ihrer zum Stichtag 31. Dezember 2023 vorhandenen übermäßigen Verbindlichkeiten zur Liquiditätssicherung zu befreien und diese kommunalen Altschulden in die Landesschuld zu übernehmen“, so schreibt das Landesministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung auf seiner Internetseite.

Bedeutet aber auch: Kommunen, die am Stichtag nicht auf Verbindlichkeiten aus Liquiditätskrediten saßen, bekommen auch keine Hilfe. Wer aber partizipiert, dem winkt Erleichterung: „Die hälftige Übernahme der Altschulden wird für die teilnehmenden Kommunen mit einer erheblichen bilanziellen und auch finanzwirtschaftlichen Entlastung verbunden sein“ – und so zur Nachhaltigkeit der betroffenen Kommunalhaushalte beitragen, schreibt das Ministerium. (sül)