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Geranien zum AbschiedBlumengeschäft in Bergneustadt schließt nach 70 Jahren

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Geranien zum Abschied: Renate und Harald Schuler konnten keines ihrer Kinder davon überzeugen, das Geschäft weiterzuführen.

Bergneustadt – Wie viele Brautsträuße hat Renate Schuler wohl gebunden? Wie oft den letzten Blumengruß für eine Beerdigung? Wie oft die Tische für ein großes Fest dekoriert? Die 62-jährige Floristin weiß es nicht. In einem dicken Fotoalbum sind nur – liebevoll beschriftet – einige Höhepunkte aus einem Leben voller bunter, kunstvoll arrangierter Blüten verewigt.

Erinnerungen an steife weiße Calla in den 60er Jahren, gewagte Kombinationen aus Orchideen und Glasbausteinen in den 70ern, Kränze aus Naturmaterialien in den 80ern – all das bleibt, wenn das Blumengeschäft am Krawinkel-Kreisel heute nach 70 Jahren schließt.

„Zu jung für Kinder, alt genug für Blumen“

1950 pachtete Renate Schulers Vater Hermann Klaas ein Ladenlokal in der Nachbarschaft des heutigen Blumengeschäfts. „Er lieferte jeden Abend die Sträuße mit dem Fahrrad aus“, erinnert sich die Tochter. In zwei großen Treibhäusern in Dieringhausen wurden die Pflanzen gezüchtet, aber auch im eigenen Garten. „Da war ich als Kind stolz, wenn ich Dahlien schneiden durfte“, erinnert sie sich. Aber in ihren Zukunftsplänen hatten Blütenträume erstmal keinen Platz, sie wollte lieber in der Kindererziehung arbeiten.

„Zu jung für Kinder, alt genug für Blumen“, befand der Vater, als sie mit 15 Jahren die Mittlere Reife machte. Sie solle doch erstmal eine Ausbildung zur Floristin machen. 1980 schloss sie die Meisterschule ab, da stand schon fest, dass sie mal das Geschäft an der Kölner Straße übernehmen sollte. „Ich wollte aber vorher wenigstens noch ein bisschen von der Welt sehen.“

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Zwei Wochen lang nahm sie an einer christlichen Freizeit in Kanada teil und lernte da den Werkzeugmacher Harald Schuler aus Karlsruhe kennen. Der besuchte sie, um ihr einen selbst gedrehten Film von der Kanada-Reise zu zeigen. Ein gemeinsamer Spaziergang im Neustädter Busch – „da wussten wir, dass wir zusammengehören“. Es sei zwar eine Umstellung gewesen von den handfesten Maschinen zu den filigranen Pflänzchen, sagt Harald Schuler. Aber Blumen hatte er als Naturfotograf schon immer gemocht.

„Ein paar Tränchen fließen“

„Früher hatten wir viele Stammkunden“, berichtet Renate Schuler. „Heute kommen die Kunden vor allem, wenn sie ausgefallene Wünsche haben.“ Die Konkurrenz der großen Gartenmärkte sei enorm. Dann kam auch noch die Corona-Krise: „Keine feierliche Beerdigung, keine Hochzeit, keine runde Geburtstagsfeier – nichts.“

Keines der drei Kinder möchte das Geschäft weiter führen. So hat der 68-jährige Harald Schuler nun zum letzten Mal auf dem Großmarkt Rosen und Glockenblumen gekauft und Geranien für draußen, damit die letzten treuen Kunden heute nicht vor leeren Regalen stehen.

„Ein paar Tränchen fließen“, sagt Renate Schuler und seufzt. Blumen wird sie in Zukunft nur noch im Garten und auf der Fensterbank pflegen, ihre Kreativität in Materialcollagen verwirklichen. „Der Kontakt wird mir fehlen“, bedauert sie und hofft, dass sie im Ruhestand bald wieder ihr soziales Engagement fortsetzen kann: Vor der Corona-Krise hat sie regelmäßig alte Menschen in Bergneustädter Senioreneinrichtungen und zu Hause besucht. Und ihnen natürlich oft eine Freude mit einem Blumenstrauß gemacht.