Eine komplexe LebensformWer Pilze in Oberberg essen will, sollte sich auskennen

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Erkennt ein „Echtes Stockschwämmchen“ sofort: der Pilzexperte Harald Homa aus Nümbrecht.

Erkennt ein „Echtes Stockschwämmchen“ sofort: der Pilzexperte Harald Homa aus Nümbrecht.

  • Pilze sind für unsere Ökosysteme von enormer Bedeutung. „Ohne solche Symbiosen würde es den Wald, wie wir ihn heute kennen, gar nicht geben“, sagt Harald Homa aus Nümbrecht. Warum ist das so?
  • In Oberberg gibt es keinen offiziellen Pilz-Sachverständigen. Wir erklären, was Sammler unbedingt wissen sollten.

Oberberg – Es klingt wie eine Liebesgeschichte: Wenn der Maronenröhrling eine geeignete Fichte findet, gehen sie eine Lebensgemeinschaft ein. Der Pilz speichert das Wasser und nährt damit den Baum. Dafür zehrt der Pilz von den Kohlenhydraten, die der Baum während der Sonnenstunden herstellt.

Lebt an altem Gehölz: Der Bittere Zwerg-Muschelseitigling.

Lebt an altem Gehölz: Der Bittere Zwerg-Muschelseitigling.

Harald Homa aus Nümbrecht sagt: „Ohne solche Symbiosen würde es den Wald, wie wir ihn heute kennen, gar nicht geben.“ Warum das so ist? „Pilze sind die größte Müllabfuhr der Welt. Sie sorgen zum Beispiel dafür, dass totes Holz überhaupt zersetzt wird.“ Homa kennt sich aus mit Pilzen, einer eigenen Lebensform, die weder Tier, noch Pflanze ist, und trotz ihres beeindruckenden Auftritts eigentlich nur wenig von sich zeigt. Denn: „Was wir von den Pilzen sehen, sind nur die Fruchtkörper“, sagt Homa.

Oberberg bleibt ohne offiziellen Sachverständigen

Schon als Kind habe er viel über Pilze von seinen Eltern gelernt und mit ihnen gesammelt, sagt der 70-Jährige. Vor einigen Jahren entdeckte er seine Leidenschaft für die außergewöhnlichen Lebewesen wieder. Wenn er Seminare gibt oder mit Pilzinteressierten durch den Wald bei Schloss Homburg läuft, muss er sich manchmal bremsen beim Reden. Dann muss er lachen: „Sie sind ja selbst Schuld, wenn sie einen Mann nach seinem Hobby fragen.“

Gut sichtbar am Baum ist der Echte Zunderschwamm.

Gut sichtbar am Baum ist der Echte Zunderschwamm.

Mal zeigt Homa auf einen Pilz namens „Nebelkappe“. Mal zückt er die Lupe und begutachtet eine kleine Kolonie voller winziger Schleimpilze, die mit bloßem Auge kaum erkennbar sind. Seine Begeisterung ist ansteckend. Nur ein ausgewiesener „Pilzsachverständiger“, wie die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM) sie ausbildet, will er nicht sein. Für den gelernten Apotheker sind die Pilze ein Hobby – und das soll auch so bleiben.

Doch so bleibt Oberberg weiterhin ohne geprüften Pilzexperten. Mit dem Gummersbacher Klaus Dannenberg starb der letzte zertifizierte Pilzsachverständige. Wer jetzt beim Sammeln unsicher ist, ob das, was da im Korb liegt, essbar ist, der hat zwei Möglichkeiten, sagt Stefan Fischer von der DGfM: „Entweder den Weg zum nächsten Sachverständigen auf sich nehmen oder im Zweifelsfall die Finger von den Pilzen lassen.“

Pilzexpertise

Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM) ist ein gemeinnütziger Verein und widmet sich den Interessen von Pilzinteressierten in ganz Deutschland. Die Mykologie beschäftigt sich wissenschaftlich mit der Lebensform der Pilze. Die DGfM bietet Ausbildungslehrgänge zum Pilzsachverständigen an. Wer die Prüfung ablegt, darf Pilzsammlern Empfehlungen geben, welcher Pilz gegessen werden darf oder nicht.

Eine Karte, wo es in Deutschland überall Pilzsachverständige gibt, findet sich im Internet. (ebu)

www.dgfm-ev.de

Homa sieht das genauso. Auch als Experte ohne Etikett weiß er, wie leicht man einen giftigen Knollenblätterpilz mit einem Champignon verwechseln kann. „Damit sollte man nicht spaßen“, mahnt er. Man müsse sich schon auskennen, wenn man die Pilze essen möchte, die man sammelt. Deswegen hält er auch nicht viel von Apps zur Klassifizierung. „Zum Nachschlagen nutze ich die auch“, gibt er zu. „Aber wenn’s um essbare Pilze geht, würde ich mich nicht darauf verlassen. Da ist das Risiko einer Vergiftung viel zu hoch.“

Macht seinem Namen alle Ehre: Der Rosa Rettichhelmling riecht nach dem Wurzelgemüse.

Macht seinem Namen alle Ehre: Der Rosa Rettichhelmling riecht nach dem Wurzelgemüse.

In dieser Pilzsaison gab es im Klinikum Oberberg drei Fälle von Pilzvergiftungen, die aber alle glimpflich verlaufen seien, sagt Sprecherin Angela Altz. Sie rät aber dazu beim Verzehr von Pilzen immer ein Exemplar ungekocht zu lassen, um im Falle einer Vergiftung den Ärzten zeigen zu können, welchen Pilz man gegessen hat.

Bevor der erste Frost die Saison beendet, sprießen die Pilze noch einmal aus dem Boden. Die feuchten Tagen werden genutzt, sagt Homa. „Jetzt heißt es: Nichts wie Fruchtkörper bilden.“ Im Winter müsse er aber nicht ohne Pilzspaziergänge durch den Wald auskommen, sagt der Nümbrechter. „Da muss man nur ein gutes Auge haben. Denn Pilze sind ja überall.“

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