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Barfuß auf steinigen WegenWildling Shoes setzt auf Onlinehandel und Outlet

Lesezeit 3 Minuten
Bei Textilproduzent Marco Sheel (l.) prüfen Anna (M.) und Nevó Yona (r.) die Materialien für die Barfußschuhe.

Bei Textilproduzent Marco Sheel (l.) prüfen Anna (M.) und Nevó Yona (r.) die Materialien für die Barfußschuhe.

Die Einschnitte waren hart, 120 Mitarbeiter wurden entlassen. Jetzt hat sich die Engelskirchener Firma Wildling Shoes neu ausgerichtet.

Seit mehr als zehn Jahren versteht sich die Engelskirchener Firma Wildling Shoes als Hersteller von „Minimalschuhen“ mit echtem Mehrwert – für Menschen, Umwelt und Wirtschaft. Nachhaltigkeit, faire Produktionsbedingungen und ein transparentes Lieferkettenmanagement waren Anna und Ran Yona seit der Gründung 2013 wichtig. Doch die vergangenen Jahre haben auch Wildling Shoes vor große Herausforderungen gestellt.

Die Firma Wildling ist bekannt für ihre Barfußschuhe, also Fußbekleidung, die aus anatomischen Gründen auf enges Schuhwerk und dicke, starre Sohlen verzichtet. Unternehmenssitz ist Ründeroth.

Unternehmen musste umstrukturiert werden

Pandemie, geopolitische Krisen und steigende Kosten haben tiefgreifende Veränderungen zur Folge. Das Unternehmerehepaar beklagt zudem fehlende politische Unterstützung für nachhaltige Betriebe wie ihren. Sichtbares Zeichen der Krise war die Schließung der stationären Läden in Köln, Berlin und Engelskirchen-Osberghausen im Frühjahr. Die gesamte Unternehmenslogistik wurde an einen E-Commerce-Dienstleister in der Nähe von Bonn übergeben.

Co-Founderin und CEO Anna Yona erklärt: „Diese Entscheidung war wirtschaftlich notwendig, um Wildling auch für die nächsten zehn Jahre gesund aufzustellen.“ Insgesamt mussten 120 Mitarbeitende gehen – ein Drittel davon allein aus der Region Oberberg. Viele Kunden im Bergischen Land waren enttäuscht und traurig. „Wir haben auch wütende Reaktionen bekommen“, berichtet Yona. „Ein Kunde hat mir sogar per E-Mail gedroht, mit einem Baseballschläger vorbeizukommen.“ Dennoch überwiege die Anteilnahme und das Verständnis, so die Gründerin.

Stationäre Stores geschlossen und 120 Mitarbeiter entlassen

Nach der Schließung der stationären Stores beschränkt sich Wildling Shoes auf den Online-Vertrieb, wie in den Anfängen des Unternehmens. Die Kunden bekommen persönliche Beratung per Videochat.

Um dennoch eine gewisse regionale Präsenz aufrechtzuerhalten, plant das Unternehmen gemeinsam mit dem langjährigen Partner Nordwolle die Wiedereröffnung des ehemaligen Standortes in Osberghausen – allerdings in veränderter Form: In einem gemeinsamen Outlet sollen dort mittelfristig Produkte mit kleinen Mängeln oder Restbestände vergünstigt angeboten werden. „Ehemalige Mitarbeitende von Wildling werden für die Neubesetzung selbstverständlich bevorzugt ausgewählt“, betont Yona.

Zwischen Wandel und AufbruchWildling hat nach eigenen Angaben Maßnahmen ergriffen, um die von Entlassungen betroffenen Mitarbeitenden beim Übergang in neue Beschäftigungen zu unterstützen – etwa durch Jobvermittlungen über die Plattform LinkedIn, Bewerbungstrainings und den Austausch innerhalb des Unternehmensnetzwerks. Etwa ein Viertel der ehemals in Oberberg Beschäftigten hat laut Unternehmensangaben bereits eine neue berufliche Perspektive gefunden.

Ein Kunde hat mir sogar per E-Mail gedroht, mit einem Baseballschläger vorbeizukommen
Anna Yona, CEO und Co-Gründerin

Der Wegfall stationärer Verkaufsflächen wirft Fragen nach der Nachhaltigkeit des Onlinehandels auf – insbesondere in Bezug auf die Retouren. Wildling versucht dem nach eigenen Angaben durch gezielte Online-Beratung und eine Versandkostenpauschale entgegenzuwirken. Die Rücksendequote sei im Branchenvergleich niedrig. Dennoch bleibe der Onlinehandel ein Spagat zwischen Kaufkomfort, individueller Anpassung und den ökologischen Aspekten.

Neue Ideen für die Zukunft

Trotz der Einschnitte plant das Unternehmen die Zukunft mit neuen Ansätzen. Die Geschäftsführung sieht das Unternehmen nach der Neuausrichtung wirtschaftlich robuster aufgestellt. In der Gründerfamilie gibt es bereits Ideen für eine neue Produktlinie: Sohn Nevó (14) hat einen eigenen Barfußsneaker entworfen, der derzeit als Prototyp in Portugal entwickelt wird. Ob daraus eine eigene Marke entsteht, ist noch offen.

Eine ZDF-Dokumentation gibt am Sonntag, 15. Juni, 15.45 Uhr, Einblick in die aktuellen Entwicklung des jungen Unternehmens unter dem Titel „Hidden Champions: Barfußschuhe“. Die Reportage begleitet Unternehmensgründerin Anna Yona durch die Phase der Umstrukturierungen und thematisiert, wie schwierig es ist, Rentabilität mit dem Anspruch nachhaltiger Unternehmensführung in Einklang zu bringen.