Coole SoundsEngelskirchener Klangkünstler Nico Walser ist Teil des globalen Projekts „Polar Sounds“

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Nico Walser hält ein Aufnahmegerät an ein Kühlpad, das er drückt.

Unterkühlte Klänge hat Nico Walser für die „Polar Sounds“ komponiert. Da passt der Gesang der in der Antarktis heimischen Ross-Robbe gut zum Geräusch splitternder Eiswürfel oder dem Knistern von Kühlpads.

Klangkünstler Nico Walser aus Engelskirchen-Bellingroth wirkt an einem weltumspannenden Projekt mit dem Namen „Polar Sounds“ mit.

Von Engelskirchen aus ist es nur ein Katzensprung bis in die eisigen Weiten des Polarmeers – wenn man wie Nico Walser auf Klangwellen surft. Weil sein Audio-Porträt von Engelskirchen vor zwei Jahren vor allem in der englischen Musikszene Furore machte und sogar unter den Top Ten eines bekannten Online-Musikmagazins in der Kategorie „Modern Composition“ landete, bekam er jetzt die Chance, an einem weltweit einzigartigen Projekt mit dem Titel „Polar Sounds“ teilzunehmen.

Musiker aus allen Kulturkreisen verarbeiten Klänge aus der Natur

„Zum ersten Mal kooperieren dabei Wissenschaftler und Musiker auf der Suche nach einer neuen Perspektive über die Grenzen der eigenen Blase hinaus“, begeistert sich der Klangkünstler. Die Idee: Jeweils zwei von 100 ausgewählten Musikern aus allen Kulturkreisen sollten sich einen Klang aussuchen und in einer Komposition verarbeiten, den die Biologen und Klimaforscher vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und dem Institut für Meeres- Biodiversität der Universität Oldenburg in den bedrohten Ökosystemen Arktis und Antarktis aufgenommen hatten.

Walgesänge, zum Beispiel, das Keckern von Delphinen, kalbende Eisberge oder bei der Ausbeutung von Erdgas und Öl verursachte Explosionen. „Ich habe mich sofort in die Stimme der Ross-Robbe verliebt“, gesteht Walser. „Das ging mir sofort ins Herz, sie ist so selten, lebt so abgeschieden. Ich will nicht, dass sie stirbt! Dabei ist sie die hässlichste von allen. Aber der Klang hat mich so verzaubert, dass ich ihn stundenlang in Dauerschleife gehört habe.“

Ich will nicht, dass sie stirbt! Dabei ist sie die hässlichste von allen.
Nico Walser

Da habe es ihn gedrängt, dem „Swoooch“ der Robbe virtuell zu antworten, mit Synthesizer und Cello. Ergänzt durch eisige Geräusche, die er selbst aufgenommen hat: Dem Knistern von Kühlpads, wenn sie mit der Hand geknetet werden, dem Splittern von Eiswürfeln, dem Knirschen von Füßen im frisch gefallenen Schnee im Garten hinterm Haus.

„Ich wollte die Kälte sinnlich spüren“, erzählt er, und fügt schmunzelnd hinzu: „Auch wenn die Finger dabei manchmal ganz schön kalt geworden sind!“ Heraus gekommen ist das Stück „On cristalline Fields“, das den Hörer wie ein Film in die unendlichen Weiten der Antarktis in den Lebensraum der Ross-Robbe entführt. „Für mich ist der Klimawandel jetzt weniger abstrakt. Ich kann ihn nicht aufhalten, aber mit meinen Mitteln was tun. Da fühle ich mich nicht mehr ganz so hilflos.“

„Polar Sounds“ ist eine Reise mit den Ohren in unbekannte Gefilde im Rahmen des weltumspannenden Klangprojekts „Cities and Memory“, das vom Engländer Stuart Fowkes gegründet wurde. Kaum online, schlug es schon riesige Wellen, erzählt Walser. „Wir sind alle völlig überwältigt über das Echo.“ Er ist einer der ausgewählten Komponisten, die eingeladen wurden zu einem umfangreichen Gespräch mit Wissenschaftlern über seine Komposition, das ausgewertet und veröffentlicht werden soll.

Im Sommer wird er teilnehmen an einer großen Ausstellung mit Klanginstallationen, Bildern, Wortbeiträgen und Klängen. Sein Traum ist allerdings, selbst drei Wochen lang auf dem Forschungsschiff Polarstern in die kalten, einsamen Landschaften zu reisen und mit seinem Mikrofon das Knirschen von Eis live vor Ort und nicht nur vom Kühlpad in Bellingroth aufzunehmen.

Hörproben, Downloads und Informationen gibt es im Internet.

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