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Europäischer AktionstagOberbergs Beratungsstellen machen gegen Kindesmissbrauch mobil

Lesezeit 5 Minuten
Eine Puppe liegt in Kassel in einem Kinderzimmer auf dem Bett. 

Wenn sich ein Kind ohne erkennbaren Grund stark zurückzieht, sollten Eltern aufmerksam werden, raten Oberbergs Familienberater.

Das Thema Missbrauch muss stärker in den Fokus der Gesellschaft, fordern die oberbergischen Beratungsstellen zum Europäischen Aktionstag am Montag, 18. November.

Im Kampf gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder gehen Fachleute aus allen Teilen Oberbergs nun gemeinsam in die Offensive. Den „Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt“ am heutigen Montag, 18. November, sowie den übermorgen stattfindenden „Tag der Kinderrechte“ wollen Vertreter der vier oberbergischen Beratungsstellen zum Anlass nehmen, um über ihre Arbeit zu informieren und Hürden abzubauen.

Mit im Boot sind das Haus für Alle in Waldbröl (Evangelischer Kirchenkreis), die Wipperfürther Herbstmühle (Caritas), die Beratungsstelle Baumhof in Gummersbach (Oberbergischer Kreis) und der private Verein Nina und Nico, ebenfalls aus der Kreisstadt. Hier gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Oberbergs Berater mahnen zur Aufmerksamkeit

Welche Anzeichen können einen Hinweis darauf geben, dass ein Kind sexueller Gewalt ausgesetzt ist?

„Typische“ Anzeichen sexualisierter Gewalt gibt es nicht, betont Melina Kyranoudis vom Haus für Alle. Es gebe schlicht keine Signale, die eindeutig oder ausschließlich auf sexualisierte Gewalt hinwiesen. Wachsamkeit sei allerdings geboten, wenn sich das Verhalten eines Kindes plötzlich ändere und sich nicht oder nur schwer einordnen lasse – zum Beispiel, wenn sich ein Kind stark zurückzieht oder es ungewöhnlich aggressiv reagiert. Kyranoudis: „Wichtig ist es, aufmerksam zu sein, zuzuhören und sich selber Beratung zum weiteren Vorgehen zu holen.“

Welche Schritte können Angehörige oder auch Institutionen überhaupt unternehmen, um Betroffene zu unterstützen?

Zuhören, Dasein, Ruhe bewahren. Die Experten der vier Beratungshäuser raten Angehörigen: „Handeln Sie nicht überstürzt, sondern gut überlegt mit Einbezug der spezialisierten Beratungsstellen.“ Kinder und Jugendliche akzeptierten in der Regel sehr gut, dass es keine einfache, schnelle Lösung gibt. Die Bereitschaft, da zu sein und zuzuhören, sei im ersten Schritt schon sehr hilfreich.

Die Bereitschaft da zu sein und zuzuhören ist im ersten Schritt schon sehr hilfreich.
Ratschlag aus den oberbergischen Beratungsstellen

Was sind die häufigsten Hürden für Betroffene, Hilfe in Anspruch zu nehmen, und wie können diese überwunden werden?

Die Berater sind sich einig, dass Scham- und Schuldgefühle oft eine große Rolle spielen. In vielen Fällen bestehe die Angst vor möglichen Konsequenzen oder dass Betroffenen nicht geglaubt werden könnte. Dabei sei eines entscheidend: Die Opfer sind nie schuld! Inzwischen setzen die Helfer auf ganz verschiedene Beratungsformate, also telefonisch, per Video oder in Präsenz, dies soll den Zugang zur Hilfe erleichtern. Die Beratung sei individuell und immer parteilich für die Betroffenen, traumasensibel und stabilisierend.

Wer kann sich überhaupt mit welchen Themen an die Beratungsstellen wenden?

Im Prinzip können alle Menschen mit Fragen zu Erziehung, Familie, Ehe und Partnerschaft oder anderen Themen kommen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Konfession. Die kostenfreie Beratung findet unter Beachtung der Schweigepflicht statt und ist bei Bedarf auch anonym möglich. Speziell im Bereich sexualisierte Gewalt können Betroffene, Familien und Fachkräfte die Experten kontaktieren.

Der Verein Nina und Nico beschäftigt sich ausschließlich mit den Themen Gewalt und sexualisierte Gewalt. Die Beratung bei sexualisierter Gewalt war schon immer Teil der Arbeit aller Beratungsstellen im Oberbergischen Kreis, hat aber durch die spezialisierte Beratung einen besonderen Schwerpunkt erlangt.

Termine gibt es in Oberberg innerhalb von 14 Tagen

Wie kann man sich eine Beratung vorstellen, wenn jemand zum ersten Mal kommt und wie schnell erhält man einen Termin?

Für alle Beratungsstellen gilt: Nach der Anmeldung wird ein Termin vereinbart, bei dem es um das Kennenlernen und die Klärung des Anliegens geht. Die Schwerpunkte liegen darin, Ressourcen zu stärken, zu ermutigen und Veränderungen und Bewältigungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Die Begleitung kann bei Bedarf auch über einen längeren Zeitraum stattfinden. Kinder und Jugendliche haben übrigens das Recht auf Beratung auch ohne Wissen der Eltern.

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen kann durch spielerische und kreative Methoden gekennzeichnet sein. Zum Beispiel im Haus für Alle gilt: In der Regel kann ein Erstgespräch innerhalb von 14 Tagen stattfinden. Oft sei es hilfreich, im telefonischen Austausch die wichtigsten nächsten Schritte zu besprechen, bevor der persönliche Termin in der Beratungsstelle stattfindet, heißt es von dort.

Welche langfristigen Veränderungen erhoffen sich die Mitarbeitenden in den Beratungsstellen im Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Gesellschaft?

In einer gemeinsamen Erklärung der vier Häuser betonen die Helfer: „Wir wünschen uns, dass das Thema sexualisierte Gewalt zunehmend einen Platz in der Öffentlichkeit findet. Erst, wenn das Bewusstsein dafür gesellschaftlich verankert ist, werden wir handlungsfähig.“ Prävention müsse im Alltag integriert sein. Dafür sei eine politische Haltung notwendig, die tolerant und zeitgemäß ist und Themen wie sexuelle Bildung und Kinderrechte ins Bewusstsein bringt.

Kinderrechte sollten aktiv gelebt werden, im Privaten, in Bildungseinrichtungen, in der Kinder- und Jugendhilfe, in Vereinen und in der Justiz. Und: Der Schutz von Betroffenen sollte immer Vorrang haben.


Hier gibt es Hilfe:

Das Haus für Alle in Waldbröl, Albert-Schweitzer-Weg 1, ist unter Telefon (0 22 91) 40 68 oder per E-Mail an beratungsstelle-hausfueralle@ekir.de erreichbar. Die Herbstmühle in Wipperfürth, Herbstmühle 3, hat die Telefonnummer (0 22 67) 30 34, eine E-Mail erreicht das Team unter herbstmuehle@beratung-in-wipperfuerth.de.

Die Beratungsstelle „Baumhof“ des Oberbergischen Kreises hat die Adresse „Im Baumhof 5“ in Gummersbach, die Telefonnummer (0 22 61) 88-57 10 und die E-Mail-Adresse baumhof@obk.de. Anlaufstelle des Vereins Nina und Nico ist die Kölner Straße 316 in Gummersbach-Niedersessmar, telefonisch unter (0 22 61)2 47 92, auch unter 01 60/94 90 66 32 und per E-Mail an info@nina-nico.de erreichbar.