Holländer Diele“Derschlags Kult-Wirt „Bobby“ geht in Rente

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Gastronomen mit Leib und Seele: „Bobby“ und Angela Chouvartoudis. Am Mittwoch haben sie ihre Abschiedsparty gegeben – natürlich in ihrer „Holländer Diele“.

Gastronomen mit Leib und Seele: „Bobby“ und Angela Chouvartoudis. Am Mittwoch haben sie ihre Abschiedsparty gegeben – natürlich in ihrer „Holländer Diele“.

Derschlag – Das letzte Kölsch ist gezapft, Sotirios Chouvartoudis geht in den Ruhestand. Wer? Seit fast 50 Jahren kennen nicht nur die Derschlager Sotirios Chouvartoudis ganz einfach als „Bobby“. Er ist der Wirt schlechthin: Gastgeber, Gesprächspartner, Ratgeber – nicht wenige seiner Kunden sind über die Jahre auch ihm zu Freunden geworden. Keiner hat mehr Kneipen in Derschlag geführt als er, allein viermal die „Holländer Diele“.

Doch jetzt ist Schluss. Mit 67 Jahren haben Bobby und seine Frau Angela (55) die Holländer Diele am vergangenen Sonntag geschlossen, am Mittwoch gab es noch eine große Abschiedsparty. Nach der Bäckerei Müller verliert der Gummersbacher Stadtteil eine weitere Institution.

Mit seiner Familie kam Chouvartoudis aus dem Norden Griechenlands 1964 nach Deutschland. Fast 200 Landsleute aus seiner Heimatstadt waren schon in Bergneustadt und Derschlag, hier gab es reichlich Arbeit. Der Vater fand sie im Straßenbau, die Kinder in umliegenden Fabriken. Pfeifen-Heikaus in Bergneustadt, die Drahtzieherei Pack in Derschlag, Fuchs in Meinerzhagen waren Sotirios’ erste Stationen, in seiner Freizeit schloss er sich dem Boxclub in Bergneustadt an. 30 Kämpfe absolvierte er in seiner aktiven Zeit. Den Spitznamen Bobby gaben ihm einige weibliche Derschlager Fans in Anlehnung an einen damals bekannten US-Boxer.

Als sich die Gelegenheit bot, von einem Landsmann die „Apollo-Stuben“ an der Kölner Straße zu übernehmen, griff der Vater zu, der Sohn half nach Feierabend. „15 Kneipen gab es damals in Derschlag“, erinnert sich Bobby, „vier Schreinereien, Metzgereien – der Ort brummte.“ Nach seiner Rückkehr vom Militärdienst in Griechenland folgte der Wechsel in die Postschenke. Die Diskotheken Coconut und Roxy waren Stationen – und immer wieder die Holländer Diele.

Auch mal aus Derschlag rausgekommen

Inzwischen verheiratet mit Angela und Vater zweier Kinder, übergab Bobby die Holländer Diele seinem Bruder und übernahm einen Imbiss im Gewerbegebiet Stauweiher. So hatten die Eltern abends frei und Zeit, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Die Kinder sollten nicht als „Kneipenkinder“ aufwachsen. Angela Chouvartoudis hatte es so in der Gaststätte Schulzki ihrer Eltern in Alpe erlebt.

Warum sind die beiden nie aus Derschlag herausgekommen? „Sind wir doch“, lacht Bobby und erzählt von einem einjährigen Intermezzo in Dresden zu Zeiten des Mauerfalls. Im Bulgarien-Urlaub hatte ihm ein Bekannter den Tipp gegeben, die „Ossis“ seien verrückt nach Gyros. Zwei Imbissbuden eröffnete Chouvartoudis in der Dresdner Innenstadt. „Jeden Tag haben wir zwei solche Spieße verkauft“, erinnert er sich und hält die Arme, als würde er einen dicken Baum umklammern, „mir tut heute noch der Arm vom Fleischschneiden weh“.

Was ihn antrieb, alle paar Jahre einen Neustart zu machen, kann er selbst nicht so recht beschreiben. Jeder Wechsel hat Geld gekostet, aber es habe sich am Ende stets gelohnt. Manchmal waren es glückliche Zufälle: „Wenn uns vor acht Jahren jemand erzählt hätte, wir würden noch ein viertes Mal in die Holländer Diele gehen, hätten wir ihn für verrückt erklärt“, erzählt Angela Chouvartoudis. Doch als sich plötzlich die Gelegenheit bot, das Lokal diesmal nicht nur zu pachten, sondern das ganze Gebäude zu kaufen, war die Sache zwischen den Eheleuten binnen einer Stunde am Frühstückstisch besprochen.

Und die Gäste zogen auch diesmal mit um. In seinen fast 50 Jahren als Gastronom hat Chouvartoudis manche Familien über Generationen hinweg bewirtet. Junge Leute aus den Derschlager Sportvereinen waren damals seine Gäste, heute kommen sie mit ihren Enkeln zum Essen. Manchem hat Bobby dank seines großen Netzwerks helfen können. Er nutzte seine Kontakte zu heimischen Hilfsorganisationen und bat um Unterstützung für junge Leute, die aus der Bahn zu geraten drohten, machte Handwerker auf Arbeitslose aufmerksam, die dringend einen Job brauchten.

Jetzt ist Schluss mit all dem. „Endlich können wir mal im Café sitzen, ohne ständig auf die Uhr zu sehen, weil wir ja selbst gleich aufmachen müssen“, sagt Angela. Endlich vor Mitternacht auf Geburtstagen sein, am Wochenende wieder zum Handballspiel oder auf den Fußballplatz gehen können – die beiden freuen sich darauf. Die Holländer Diele ist verpachtet, den Nachfolgern wird Angela anfangs noch in der Küche helfen.

Nach Griechenland zurückkehren will Bobby nicht. Ferienwohnungen auf Rhodos sind ein zweites Standbein, auch da wartet noch Arbeit. „Arbeiten werden wir weiterhin, aber in unserem Tempo“, sagen sie. Vielleicht werden sie sechs Monate auf Rhodos leben und sechs Monate hier. Man werde sehen. Aber Derschlag ganz verlassen? Nie. Hier ist Heimat, hier leben die Freunde.

Vier Kegelclubs haben Bobby schon zu ihren Weihnachtsfeiern eingeladen, mit einem soll er sogar auf den jährlichen Ausflug fahren.

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