Im InterviewVize-Landrat und Professor – Friedrich Wilke wird 75 Jahre alt

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Im Oberbergischen zu Hause ist der gebürtige Emsländer Friedrich Wilke seit Mitte der 70er Jahre. Heute wird er 75.

Im Oberbergischen zu Hause ist der gebürtige Emsländer Friedrich Wilke seit Mitte der 70er Jahre. Heute wird er 75.

Am Donnerstag feiert Friedrich Wilke seinen 75. Geburtstag. Frank Klemmer sprach mit dem Vize-Landrat über dessen langen Weg durch die Geschichte der heutigen TH und seinen späten Schritt in die Politik.

Wie kamen Sie Mitte der 70er Jahre ins Oberbergische?

Das war – wie vieles in meinem Leben – auch ein bisschen Zufall. Ich wollte eigentlich gar nicht Hochschullehrer werden. Nach dem Studium habe ich einige Jahre am Institut für Verkehrswissenschaft in Münster gearbeitet. Dann habe ich mich beworben – auch in Gummersbach. Ich hatte noch zwei andere Angebote – eines aus Frankfurt und eines aus der Schweiz. Den Ausschlag für Gummersbach hat letztlich gegeben, dass ich weiter in den Genuss der wissenschaftlichen Freiheit kommen wollte, an den ich mich gewöhnt hatte.

Zur Person

In Papenburg im Emsland wurde Prof. Dr. Friedrich Wilke am 13. Dezember 1943 geboren und ist dort auch aufgewachsen. Später studierte er zunächst in Freiburg und dann in Münster Volkswirtschaftslehre. In Münster promovierte er auch und arbeitete Anfang der 70er Jahre einige Jahre am Institut für Verkehrswissenschaft. Seit 1974 ist er Professor für Volkswirtschaftslehre in Gummersbach. Zweimal – 1989 bis 1994 und 1998 bis 2000 – war er Sprecher der Abteilung Gummersbach. Zudem war er von 1985 bis 1989 Prodekan und Dekan des Fachbereichs Informatik. 1996 wurde Wilke Mitglied der FDP. Im Jahr 2000 schaffte er über die Liste den Sprung in den Landtag, wo er bis 2005 blieb. Von 2002 bis 2008 war er Kreisvorsitzender der Liberalen in Oberberg. Seit 2004 sitzt er im Kreistag, seit 2009 ist er stellvertretender Landrat. (kmm)

Kannten Sie Gummersbach?

Ich war nie zuvor hier und wusste nur, dass es bei Köln liegt. „Gut“, dachte ich, als ich an Köln vorbeifuhr, um zur Probevorlesung zu kommen, „dann bist Du ja bald da.“ Weil es die Autobahn so noch nicht gab, habe ich dann aber damals über die B 55 noch zwei Stunden gebraucht.

Danach sind Sie geblieben und haben die Entwicklung des Hochschulstandortes miterlebt – bis zur Technischen Hochschule mit gut 5000 Studenten. Hätten Sie sich das vorstellen können?

Auf gar keinen Fall. Die Studentenzahlen gingen damals zurück, die Fachhochschule hatte zeitweise nur noch 600 bis 700 Studenten . Sie hatte ein Imageproblem, galt immer noch als die „Ingenieurschule“, obwohl sie schon lange nicht mehr so hieß. Ich kann mich später noch gut an die Sorgen in Gummersbach erinnern, dass mit der Entscheidung gegen eine Sanierung am Standort auf dem Sandberg und für einen Neubau auch ein Umzug nach Köln verbunden sein könnte. Ich hatte zwar damals die feste Zusage, dass es dazu nicht kommt. Doch ehrlich gesagt: Ganz sicher sein konnte auch ich mir nicht.

Woher kommt der Erfolg?

Er ist für mich eng mit den besten Kontakten zur Wirtschaft verknüpft. Als wir begonnen haben, für Diplomarbeiten mit Unternehmen Geld zu nehmen, mussten wir noch Widerstände überwinden. Der ganze Betrieb war sehr schulisch geprägt – bis zu den Unterrichtszeiten. Da herrschte Anwesenheitspflicht, es gab Gesichtskontrollen. Der Erfolg nach dem Umzug auf das Steinmüllergelände hängt für mich dann aber auch stark mit der Person von Christian Averkamp als Dekan zusammen. Er ist ein Manager, wie ihn eine Hochschule heute braucht. Das ist mir so zuvor nicht gelungen.

Heute spielt die Informatik eine wichtige Rolle. Als jemand, der sich schon vor 30 Jahren damit beschäftigt hat, darf das Sie nicht überraschen.

Was daraus werden würde bis hin zur heutigen Digitalisierung, war für uns aber auch noch nicht absehbar. Ich habe noch gelernt, Regression per Hand zu rechnen, und mit Logarithmentafel gearbeitet. Die Reiseschreibmaschine Erika war mein treuer Begleiter – Tipp-Ex inklusive. Wir waren aber sehr kreativ: Als erste überhaupt haben wir die Technische Informatik, die vorher Datenverarbeitung hieß, die Wirtschaftsinformatik und die Allgemeine Informatik als eigenständige Studiengänge in Gummersbach installiert.

Hat die Digitalisierung auch die Aufnahmebereitschaft der Studenten verändert?

Ich glaube nicht. In meinen Vorlesungen sind Handys und Laptops auch heute weitgehend untersagt. Aber früher war das mit der Aufmerksamkeit auch nicht besser. Nur da, wo die Studenten heute in der ersten Reihe durchs Internet scrollen, haben sie damals gestrickt.

Sie haben in bewegten Zeiten studiert. Waren Sie 68er?

(lächelt) Sagen wir es so: Es gibt Bilder, die zeigen mich 1968 bei den Studentenprotesten in Freiburg gegen die Preiserhöhung in den Straßenbahnen – aber nicht als protestierender Student, sondern als Straßenbahnschaffner. Damit habe ich mir nämlich mein Geld verdient. Im Ernst: Wer damals Volkswirtschaft studiert hat, war grundsätzlich wirtschaftsliberal.

Bis es Sie dann zur FDP verschlagen hat, dauerte es aber. Sie waren schon über 50 Jahre alt, als Sie in die Partei eingetreten sind. Warum?

Ich wollte nie in die Politik. In meinem Leben habe ich auch schon fast alles mal gewählt – sogar die Grünen. Außerdem wollte ich neutral bleiben, weil ich von der Politik oft als Gutachter beauftragt wurde – in Gummersbach zum Beispiel für eine Umfrage zur Kriminalität und zur Polizei oder bei den statistischen Erhebungen zum Einzelhandelskonzept.

Wie kamen Sie dann doch noch zur FDP?

Ich kannte Ina Albowitz privat. Dann sollte sich Werner Becker-Blonigen als möglicher Stadtdirektor für Wiehl in einem kleinen Kreis vorstellen. Damals hat sie mich überredet dazuzukommen.

Danach ging es schnell.

Es war 1995, ich war immer noch parteilos und wollte es bleiben. Da hat mich Ina Albowitz auf einer Parteiversammlung plötzlich als Landtagskandidat vorgeschlagen – ohne mich vorzuwarnen. Das hatte ich noch nie gemacht, da war ich neugierig. Erst 1996 bin ich dann auch FDP-Mitglied geworden.

2000 waren Sie plötzlich Landtagsabgeordneter.

Das war nicht geplant. Am Wahlabend lag ich auf dem Liegestuhl in der Sonne , als der Anruf kam. Ich konnte es nicht fassen, dass Platz 23 auf der Liste reichte. Erst habe ich noch überlegt, das abzulehnen, aber mir war schnell klar: Das geht nicht.

Wie haben Sie sich in Düsseldorf zurechtgefunden?

Das ging relativ schnell. Ich wurde wissenschaftspolitischer Sprecher – in so einer kleinen Fraktion kriegt ja jeder ein Amt. Wir waren natürlich in der Opposition, da konnten wir mit Anträgen nicht viel bewegen. Aber ich habe gelernt, auch über die Parteigrenzen Netzwerke zu bilden und zum Beispiel im Gespräch mit der damaligen Ministerin Hannelore Kraft Dinge zu erreichen, die sonst niedergestimmt worden wären.

2005 sind Sie dann nicht mehr angetreten. Wieso?

Ich wollte nicht erneut. Es war eben doch eine ganz andere Welt. Außerdem wollte ich mich aus den persönlichen Animositäten heraushalten – und das war schwer, vor allem nach dem Tod von Jürgen Möllemann. Mit Möllemann war ich sehr klargekommen. Zudem war der zeitliche Aufwand enorm, darunter auch die Fahrten zwischen Aachen und Bielefeld oder Münster hin und her. Ich kam auf 60 000 Kilometer im Jahr, das waren 1000 Stunden im Auto.

Danach ging es zurück zur Fachhochschule. Obwohl Sie pensioniert sind, halten Sie noch Vorlesungen. Wie lange möchte Sie das noch machen?

Ich habe mir vorgenommen, jedes Semester neu zu entscheiden. Das hängt natürlich auch davon ab, ob die Studenten mich noch wollen. Da gucke ich mir die Befragungen, die ich mal selbst miteingeführt habe, ganz genau an. Außerdem fühle ich mich noch sehr fit, ich mache viel Sport.

Und in der Politik?

Das wird sich zeigen. Bis zu den nächsten Kommunalwahlen sind es ja noch anderthalb Jahre.

Wie feiern Sie Geburtstag?

Morgens halte ich erst einmal eine Vorlesung – tatsächlich. Nachmittags gehe ich vielleicht nach dem Training noch in die Sauna und abends trinken wir dann ein Bier – irgendwo in Gummersbach.

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