Mobiles SanitätshausMocca Health aus Marienheide braucht keine Geschäftsräume

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Das Foto zeigt die Geschäftsführer von Mocca Health mit einer Auswahl an Kompressionsstrümpfen.

Die Geschwister Torben Naumann und Maren Diekmann leiten Mocca Health.

Das Familienunternehmen Mocca Health hat sich auf die Ödem-Versorgung spezialisiert. Die Marienheider betreiben ein mobiles Sanitätshaus.

Die Geschäftsführung von „Mocca Health“ treffen wir in der Lobby des Steinmüller-Hotels in Gummersbach. Der Grund ist einfach: „Wir haben gar keine Firmenräume“, erzählen Geschäftsführer Torben Naumann und seine Schwester Maren Diekmann. Sie ist fachliche Leiterin des Familienunternehmens. Es gebe nur ein kleiner Büro in Marienheide, mit einem Firmenschild am Briefkasten.

Mocca Health leitet sich ab von „mobile compression care“, einer mobilen Versorgung mit Kompressionsstrickwaren für Patienten und vor allem Patientinnen, die unter Ödemen und Lipödemen (siehe Kasten) leiden. Die Geschichte des noch jungen Unternehmens ist schnell erzählt. Dörte Naumann, die Mutter der Geschwister, gründete 2013 ein mobiles Sanitätshaus.

Zwei Geschwister leiten das Unternehmen

Maren Diekmann, 34 Jahre alt, hat nach einer Ausbildung im Sanitätshaus in einer anderen Firma gearbeitet und war dort auch für die Kostenabrechnung mit den Krankenkassen verantwortlich. 2020 stieg sie ins Familienunternehmen ein, seit 2022 ist ihr vier Jahre jüngerer Bruder mit im Boot. Torben Naumann hat Betriebswirtschaft studiert, erst an der privaten Zeppelin-Universität in Friedrichshafen am Bodensee, dann in Paris. Anschließend sammelte er Berufserfahrung im In- und Ausland.

Doch statt weiter an der Karriere zu basteln, entschied er sich für das kleine Familienunternehmen. „Das ist ein schönes Projekt, das ich als sehr sinnstiftend empfinde. Wir bekommen ein enges Feedback von unseren Kunden, und das bedeutet mehr Lebensqualität“, erzählt der 30-Jährige. Nun ist er selbst Unternehmer und zugleich einziger Gesellschafter der kleinen Mocca Health GmbH & Co. KG.

Von der Verantwortung des Unternehmers

„Das bedeutet die größte Freiheit, aber auch die größte Selbstausbeutung“, erzählt er und lacht. Als Angestellter könne man seinen Laptop zuklappen und drei Wochen am Stück in den Urlaub fahren, als Unternehmer gehe das nicht. Dazu komme Verantwortung für die Angestellten. Seine Schwester nickt.

Während ihr Bruder sich vor allem um die Geschäftszahlen, um Marketing und das „Branding“ kümmert, also den Außenauftritt von „Mocca Health“, ist Maren Diekmann für das fachliche Know-how verantwortlich. Sie ist selbst Lipödem-Patientin und weiß genau, was den Kundinnen wichtig ist und worauf es bei der Kompressionstherapie ankommt.

Lipödeme sind nicht heilbar, aber mit einer guten Kompression kann man sie in Schach halten.
Maren Diekmann

Lipödeme sind nicht heilbar, „aber mit einer guten Kompression kann man sie lindern und in Schach halten“, erklärt Diekmann. Sie zeigt verschiedene Kompressionsstrümpfe, die es mittlerweile auch in modischen Farben gibt. Zudem bietet Mocca Health Kompressionshosen, Handschuhe, Mützen und Zehlinge an, von verschiedenen Herstellern. Die Abrechnung läuft über die Krankenkassen. „Aber von Kasse zu Kasse und von Bundesland zu Bundesland gibt es Unterschiede“, seufzt Maren Diekmann.

Aktuell hat das Unternehmen acht Angestellte – allesamt Frauen – sechs von ihnen sind ebenfalls Lipödem-Patientinnen. Fast alle sind im Außendienst unterwegs, besuchen die Kundinnen zuhause oder auf der Arbeit, informieren und messen die Kompressionsware an. Denn nur, wenn Strümpfe und Co. perfekt sitzen, werden sie getragen und helfen. Hausbesuche bieten viele Sanitätshäuser an. Doch das Oberberger Unternehmen ist ausschließlich mobil unterwegs – das spart Kosten für Filialen – und es hat sich spezialisiert auf die Versorgung von Lipödemen und Lymphödemen. Von letzteren können übrigens auch Männer betroffen sein, etwa nach einer Krebsoperation.

Weg vom Oma-Image der Sanitätshäuser

Dank dieser Spezialisierung sei Mocca Health in der Lage, einen hohen Qualitätsstandard zu gewährleisten, den man durch ständige Fortbildungen sichere, betonen die Geschwister. Viel Arbeit stecken sie auch in den Online-Auftritt von Mocca Health. Die Homepage ist grafisch ansprechend und übersichtlich gestaltet, auch auf Facebook und vor allem auf Instagram sind die Oberberger aktiv. Dort bauen sie eine eigene „Community“ auf, die Kundinnen, oft jüngere Frauen, werden konsequent mit „Du“ angeredet, nicht zuletzt, um sich vom „Oma-Image“ der Sanitätshäuser abzugrenzen.

Was den Geschwistern, die in Gummersbach aufgewachsen sind, hilft: Das Krankheitsbild„Lipödem“ hat deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen. Betroffene kämpfen aber immer noch mit Vorurteilen, das Thema ist mit Scham und Frust behaftet. Schuld daran sei auch die Ausbildung. „Im Medizinstudium werden Lipödeme bis heute fast gar nicht behandelt“, sagt Maren Diekmann, in der Physiotherapie sehe es nur wenig besser aus. „Das Wissen, das wir uns erarbeiten, kommt alles über eigene Fortbildungen.“

Die Entscheidung der Geschwister, sich mit ihrem Familienunternehmen ganz auf ein Spezialgebiet zu konzentrieren, scheint aufzugehen. Mocca Health ist in nur wenigen Jahren gewachsen und bietet seinen Service mittlerweile von Niedersachsen über NRW bis hinunter in den Schwarzwald an. „Wir sehen viel Dynamik im Markt. In fünf Jahren wollen wir flächendeckend in ganz Deutschland unterwegs sein“, sagt Naumann.


Lipödem

Das Lipödem ist eine Störung der Fettverteilung, bei der es zu einer unkontrollierten Fettvermehrung vor allem an Beinen, Hüfte, Gesäß und Armen kommt. Dazu kommen Schmerzen und eine erhöhte Druckempfindlichkeit der Haut. Betroffen sind in Deutschland rund 3,8 Millionen Menschen, fast ausschließlich Frauen. Fachleute gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, viele Betroffene wissen nichts von der Erkrankung und glauben, die Fettvermehrung sei Folge von falscher Ernährung und zu wenig Bewegung. Auch Ärztinnen und Ärzte erkennen die Erkrankung nicht immer. Erst seit wenigen Jahren rückt das Lipödem ins Bewusstsein. Lipödeme sind nicht heilbar, die Therapie mit Kompression und Lymphdrainage lindert und kann eine Verschlimmerung verhindern. 

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