Neustart in MarienheideSo baut sich der Syrer Ahssan Joja eine Existenz auf

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In Marienheide hat der Syrer Ahssan Joja eine Änderungsschneiderei übernommen und dabei Starthilfe von der Arbeiterwohlfahrt bekommen. Der 45-Jährige ist glücklich, dass er in seiner neuen Heimat sein Handwerk wieder ausüben kann.

In Marienheide hat der Syrer Ahssan Joja eine Änderungsschneiderei übernommen und dabei Starthilfe von der Arbeiterwohlfahrt bekommen. Der 45-Jährige ist glücklich, dass er in seiner neuen Heimat sein Handwerk wieder ausüben kann.

  • Die Geschichte des Syrers mit seinem Geschäft "Flinke Nadel" ist eine Erfolgsgeschichte mit Modellcharakter

Marienheide – Ahssan Jojas Gesicht wird ernst, als er von seiner Heimat spricht. Der 45-Jährige ist Syrer und lebte vor einigen Jahren noch mit seiner Familie in Aleppo. Dann trafen Bomben sein Haus, alles war zerstört. Die Familie zog zunächst nach Afrin im Nordwesten von Syrien, entschied dann aber, dass es an der Zeit sei, das Land endgültig zu verlassen.

Ahssan Joja floh mit seiner Familie, in die Türkei, lebte und arbeitete dort drei Jahre. Dann wagte er mit seinen vier Kindern, seiner Ehefrau und einer Schwiegertochter den Schritt nach Deutschland. Ende 2015 traf er in Marienheide ein, mittlerweile verstärkt der gelernte Schneider das dortige Serviceangebot um ein sehr vermisstes Handwerk. Denn die Änderungsschneiderei in Marienheide, die Mustafa Yildiz betrieb, hatte im November 2017 ihre Pforten geschlossen und ein Nachfolger war nicht in Sicht.

Hilfe auf dem Weg in die Selbstständigkeit

Klaus-Ulrich Nieder, Geschäftsführer im Bildungszentrum der Arbeiterwohlfahrt (Awo) sagt: „Als wir erfuhren, dass Ahssan Joja gelernter Schneider ist, waren wir alle sehr froh. Denn wir wussten, dass er sich hier eine Existenz aufbauen möchte, und hatten ohnehin die Idee, älteren Flüchtlingen auf dem Weg in die Selbstständigkeit zu helfen.“ Ahssan Joja hatte im Zuge seiner Deutschkurse im Asylbewerber-Bildungs-Centrum durchblicken lassen, dass er nähen und ändern kann, dass er als 14-Jähriger in seiner Lehrzeit schon für Damen und Herren geschneidert hat und dieser Arbeit sehr gerne wieder nachgehen würde. Das Projekt wurde angestoßen: Die Mitglieder der Awo informierten sich, wie ein Unternehmen gegründet wird, klärten die Bedingungen bei den Behörden, fanden nach einiger Suche ein knapp 30 Quadratmeter großes Ladenlokal und mieteten es an. Das Equipment hatten sie Mustafa Yildiz abgekauft und stellen es nun Ahssan Joja zur Verfügung. Um über den Start hinwegzuhelfen, zahlte die Awo bislang die Miete. „Jetzt ist Herr Joja noch unser Untermieter. Aber sobald sich die Schneiderei noch weiter etabliert hat, soll er sich und seine Familie idealerweise selbst finanzieren“, erläutert Werner Rosenthal, Vorsitzender der Awo in Marienheide. Ein Praktikum in einer Schneiderei in Meinerzhagen verschaffte Joja erste Einblicke in die Anforderungen der Arbeit, brachte ihn zum ersten Mal mit Kunden in Kontakt und verschaffte ihm einen Überblick über die üblichen Preise. Noch ist die deutsche Sprache nicht perfekt. Viele Fachausdrücke sind zwar schon bekannt, dennoch besucht der 45-Jährige weiterhin Deutschkurse.

Erfolgsgeschichte mit Modellcharakter

Daraus resultieren derzeit auch noch die Öffnungszeiten der „Flinken Nadel“ . „Sobald ich besser Deutsch spreche, wird sich das ändern“, verspricht er. Seine bisherigen Kunden jedenfalls sind begeistert von der Perfektion, mit der der Syrer arbeitet und haben keinerlei Berührungsängste. Und für Werner Rosenthal sowie Klaus-Ulrich Nieder hat diese Erfolgsgeschichte Modellcharakter. „Wir fänden es toll, wenn wir noch weiteren Flüchtlingen mit abgeschlossener Berufsausbildung auf diese Weise zu einer gesicherten Existenz verhelfen könnten“, betont Rosenthal.

„Die flinke Nadel“ (Hauptstraße 117) hat montags, dienstags, donnerstags und freitags von 15 bis 18 Uhr geöffnet sowie an Samstagen von 9 bis 12 Uhr.

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