Blutspuren führten zu PlantageNümbrechter steht wegen Drogenhandels vor Gericht

In Hilchenbach wurde eine der Plantagen gefunden. Die Villa soll einer oberbergischen Immobilienfirma gehören.
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Bonn/Nümbrecht – Der Anrufer war in Panik und verlangte ein dringendes Treffen mit einem 31-Jährigen, der den Hilferuf entgegengenommen hatte. Die Männer trafen sich am 24. August vergangenen Jahres auf einem Autobahnparkplatz im Oberbergischen, auf dem der Fremde gleich zur Sache kam: „An Deinem Haus wimmelt es vor Bullen!“ Der Nümbrechter wusste gleich, was gemeint war: Eine Villa an der Vormwalder Straße in Hilchenbach (Kreis Siegen-Wittgenstein), die seinem Adoptivvater gehörte und seit Monaten leer stand. „Junkie-Haus“ nannte man die Immobile im Ort, weil sich darin allerlei zwielichtige Leute herumgetrieben haben sollen.
An diesem Sommertag war im Nachbarhaus der Villa die Leiche eines 74-Jährigen entdeckt worden, der grausam erstochen worden war. Die erste Polizeistreife parkte den Einsatzwagen vor dem einst imposanten Jugendstilbau, und als Verstärkung eintraf, vermuteten die Beamten dort den Tatort, stürmten zur Tür, an der auch Blutspuren klebten – und fanden im Innern keinen Mörder, sondern eine Cannabisplantage.
Angeklagter will Verantwortung übernehmen
Dieser Zufallsfund brachte den Nümbrechter auf die Anklagebank des Bonner Landgerichts. Vor der Zweiten Großen Strafkammer muss er sich seit Dienstag wegen Drogenhandels in drei Fällen mit mehr als 56 Kilogramm Marihuana, 26 Kilogramm Amphetaminen und 263 Gramm Kokain verantworten. Der Verkaufswert wird auf fast 220.000 Euro geschätzt.
Er wolle für alles „die Verantwortung übernehmen“, ließ der Angeklagte seinen Anwalt Yücel Arslan erklären, um zugleich die Anklagevorwürfe zu korrigieren: 2011 habe der Verfahrensmechaniker, der als Einjähriger mit Familie aus der Kirgisischen Republik nach Deutschland gekommen war, einen Immobilienkaufmann aus Oberberg kennengelernt, der seine Objekte vornehmlich im Rotlichtmilieu vermiete, während dessen Ehefrau Spielhallen betreibe.
Unbekannter mietet Villa
Da sich das Ehepaar einen Sohn wünschte, so schilderte es der Verteidiger im Namen seines Mandanten in einer Einlassung, adoptierte es den jungen Mann, der am 1. Juli 2019 ins operative Geschäft seiner Adoptiveltern einstieg. Dann aber kam Corona, die Clubs und Bordelle mussten schließen, die Einnahmen – bis dahin 60.000 Euro brutto pro Monat – schrumpften. Da sei der Anruf eines Unbekannten, der dem jetzt Angeklagten ab April 2020 monatlich 3000 Euro Miete für die Villa in Hilchenbach (Yücel Arslan: „Eine Schrottimmobilie“) zahlen wollte, gerade richtig gekommen.
„Wie heißt denn Ihr Ansprechpartner?“, fragte ihn Vorsitzender Richter Wolfgang Schmitz-Justen. „Dazu möchte ich nichts sagen“, antwortete der Angeklagte, der sich auch zu fünf weiteren, gesondert verfolgten Personen nicht äußern wollte.
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Der 31-Jährige räumte ein, dass er bei seinen Vermietungen gewusst habe, um was es geht. Das gelte nicht nur für die Plantage im Siegerland, sondern auch für einen weiteren Cannabisanbau in einem nicht mehr genutzten Nachtclub aus dem Besitz des Adoptivvaters in der Gemeinde Reichshof. Der Unbekannte habe ihn nach der Razzia im August 2020 noch einmal um Hilfe gebeten. Und so habe er mitgeholfen, Equipment zur Rauschgiftherstellung zu transportieren. Dafür habe er einmalig weitere 2000 Euro erhalten. Mehr nicht. Aber mit Drogen, so beteuerte der Nümbrechter, habe er zu keiner Zeit gehandelt.
Für den Prozess sind sechs weitere Tage angesetzt.