Mit Unterstützung der Biologischen Station stellen wir Arten vor, die uns im Oberbergischen aufgefallen sind. Heute die Gartenkreuzspinne.
Lebendiges OberbergUnter Drogen fängt sie an zu spinnen

Die häufigste heimische Kreuzspinnenart erkennen wir an ihrer hellen, kreuzförmigen Zeichnung auf dem Hinterleib.
Copyright: Florian Schöllnhammer
Wer in den spätsommerlichen Morgenstunden den Garten betritt, entdeckt mit etwas Glück das Netz einer Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus). Durch den Tau ist es in der Frühe gut sichtbar und besonders ästhetisch. Die häufigste heimische Kreuzspinnenart aus der Familie der Echten Radnetzspinnen (Araneidae) selbst ist zu erkennen an ihrer hellen, kreuzförmigen Zeichnung auf dem Hinterleib, mit der sie gelegentlich in der Mitte des Netzes, aber auch versteckt in einer oberen Ecke sitzen kann.
Diese Spinnen ernähren sich in erster Linie von Insekten, die in ihr Netz geraten, die Beute reicht bis zur Größe eines Schmetterlings oder sogar einer Hornisse. Dem zappelnden Opfer wird mit einem Biss Sekret injiziert. Dann dreht die Spinne ihr fixiertes Opfer mit ihren acht Beinen mehrmals geschickt herum und umwickelt es dabei mit einem Band aus Spinnenseide, die aus speziellen Drüsen austritt. Daraufhin saugt sie den durch Enzyme bereits vorverdauten Inhalt des Pakets aus. Bei größeren Beutetieren lässt sie einen Vorrat übrig, der im Netz hängen bleibt.
Schmerzhaft, aber ungefährlich
Wer jetzt Mitleid bekommt, der sollte sich damit beruhigen, dass die meisten Insekten wahrscheinlich keine Schmerzen wahrnehmen können. Die dagegen durchaus schmerzempfindliche Haut des Menschen kann von den Kieferklauen der Kreuzspinne übrigens nur an sehr dünnen Stellen durchdrungen werden. So ein Biss kann zwar wirklich wehtun, bleibt medizinisch aber ohne langfristige Folgen.
Für ihre Spinnentoxine hat die Art spezielle Drüsen im Vorderleib. Die Gifte enthalten eine komplexe Mischung aus verschiedenen Molekülen, die anhand ihrer Wirkung klassifiziert werden. Bei der Gartenkreuzspinne wirken diese sowohl neurotoxisch, also schädlich für das Nervensystem, sowie proteolytisch, also proteinauflösend. Gifte anderer Spinnen können zudem eine hämolytische, also rote Blutzellen auflösende Wirkung haben.
Der Gartenkreuzspinne wird in der Homöopathie übrigens eine schmerzstillende Wirkung zugesprochen, der wissenschaftlich aber nicht nachweisbar ist. Die kompletten Tiere werden dafür zerkleinert, in Wasser aufgelöst, stark verdünnt und in Zuckerkugeln verabreicht, was an die Hexenküche erinnert.
Ein bergisches Wundertierchen
Zurück zum Netz der Gartenkreuzspinne. Für das spiralförmige Radnetz, das in das radiale Grundgerüst aus Speichen gesponnen wird, braucht ein Individuum weniger als eine Stunde. Es kann einen Durchmesser von 50 Zentimetern erreichen und besteht aus Fäden mit Längen von insgesamt 20 Metern. Parallel zur stabilisierenden Hilfsspirale wird die eigentliche Fangspirale aus klebrigen Fäden gewebt.
Der Zoologe Hans Peters wollte diesen Vorgang im Jahr 1948 filmisch dokumentieren. Da Spinnen ihre Netze nachts errichten, er seine Nächte jedoch lieber schlafend verbringen wollte, plante er, die Spinnen mit in Zuckerwasser verdünnten Medikamenten zu füttern, um ihre nächtlichen Gewohnheiten in die Tagesstunden zu verlegen. In Kooperation mit dem Pharmakologen Peter Witt gab er den Spinnen verschiedene psychoaktive Substanzen. Das Experiment schlug insofern fehl, als dass keiner der Stoffe am Ende dazu führte, dass die Spinnen damit begannen, ihre Netze tagsüber zu bauen. Jedoch stellten die beiden Wissenschaftler eine recht auffällige Veränderung im Stil des Netzbaus fest.
Einige Jahre später, in den 1990ern, führten Wissenschaftler der Nasa diese Studien in der Hoffnung fort, eine leicht verfügbare Tierart zu finden, um die Wirkung von Drogen zu untersuchen. Auch dabei zeigte sich allerdings, dass das von der mit Koffein berauschten Spinne gebaute Netz völlig chaotisch wirkt und ausgesprochen hektisch hergestellt wurde. Das „Amphetamin-Netz“ wurde stellenweise akribisch gebaut, zeigte aber große Lücken in anderen Bereichen. Das unter Einfluss von Chlorhydrat (einem Schlafmittel) hergestellte Netz stellte eine konfuse Sammlung von weitmaschigen Strängen dar. Die Struktur des Netzes, die von der Spinne unter dem Einfluss von Marihuana gebaut wurde, liegt zwar ziemlich nah an der herkömmlichen Bauart, blieb aber stets unvollendet.
Die frappierenden Parallelen zu menschlichem Verhalten unter dem Einfluss von psychoaktiven Substanzen zeigen, dass sogar sehr entfernt verwandte Lebewesen dem Menschen vielleicht doch ähnlicher sind, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Als Produkt der Evolution besitzt der Mensch offenbar ähnliche Rezeptoren und zeigen entsprechende Reaktionen. Der eigene Garten oder die bergische Kulturlandschaft bieten eine Kulisse, in der die Wunder der Natur als Freude im Alltag beobachtet werden kann – wie ein nüchtern erbautes Radnetz der Kreuzspinne.
Vom Winde verweht
Gartenkreuzspinnen verbringen ihr ganzes Leben meist genau da, wo sie als Jungspinne durch den Wind hingeweht werden. Wenn es an diesem Ort ausreichend Nahrung gibt, bauen und reparieren sie dort nachtnächtlich ihr Netz und können bei regelmäßiger Beobachtung zu vertrauten Nachbarn werden, die einen definitiv mehr in Frieden lassen als so mancher menschliche Nachbar.
Neben struktur- und artenreichen Gärten nutzen die ortstreuen Einzelgängerinnen ganz unterschiedliche Lebensräume in Europa und Asien und mittlerweile auch in Amerika.