Tod ohne AngehörigeWenn in Oberberg das Ordnungsamt beerdigen muss

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Eine Grabstele mit der Aufschrift Urnenwiese auf dem Bergfriedhof in Waldbröl.

Auf dem Bergfriedhof in Waldbröl werden Menschen beigesetzt, die keine Angehörigen oder Verwandten haben.

Oberberger, um deren Bestattung sich keine Familienmitglieder kümmern, werden von der Kommunalverwaltung beerdigt.

An einer schmalen, aber sehr langen Wiese mitten auf dem Waldbröler Bergfriedhof hält Jürgen Mittler inne: „Hier ist es“, sagt der Mann von der städtischen Friedhofsverwaltung und deutet auf eine schlanke, in sich gewundene Säule aus grauem Basalt: An dieser Stelle haben Menschen ihre letzte Ruhe gefunden, die vielleicht in den letzten Momenten ihres Lebens allein gewesen sind. Menschen, die keine Familie und keine Angehörigen haben. Menschen, um deren Bestattung sich das Ordnungsamt der Stadt Waldbröl gekümmert hat, weil es sonst niemand getan hätte. Und das von Amtswegen. „Seit dem vergangenen März nehmen wir endlich solche Beerdigungen hier in Waldbröl vor – und nicht mehr nur in Freudenberg“, berichtet Mittler.

Nicht selten werden die Toten am Standort des Krematoriums bestattet

Wo solche Menschen zu Grabe getragen werden, darüber entscheiden die Städte und Gemeinden – und das oft mit Blick auf die eigenen Finanzen. Denn der Ort des Todes, meist ein Krankenhaus oder ein Seniorenheim, entscheidet über den Ort der Beisetzung. „Damit steht stets die örtliche Verwaltung in der Verantwortung für die Beisetzung“, erklärt Eckhard Becker, zuständiger Fachbereichsleiter. Nahezu alle kommunal ausgeführten Beerdigungen sind anonyme Urnenbeisetzungen, nicht selten werden die Toten am Standort des Krematoriums bestattet, eben aus Kostengründen. Waldbröler Bestattungen fanden deswegen bisher nur in Freudenberg statt, und das in aller Stille und allein in Anwesenheit des Bestatters.

„Das war immer eine ganz einsame Geschichte“, bedauert Jürgen Mittler und freut sich, dass Menschen, die in Waldbröl gelebt und in der Marktstadt auch gestorben sind, dort nun eine letzte Ruhestätte finden. Zu verdanken ist dies Pfarrer Jochen Gran von der Evangelischen Kirchengemeinde. „Solche Menschen dürfen einfach nicht irgendwo verscharrt werden“, urteilt der Seelsorger. Anlass für diesen Vorstoß ist sein enger Kontakt zu Haus Segenborn, einer Wohngemeinschaft der Kölner Diakonie Michaelshoven für ehemals Obdachlose oder ehemals Drogenabhängige. „Von dort kam einst der Wunsch, ich möge doch bei kommunalen Beerdigungen wenigstens ein Gebet sprechen“, blickt Gran zurück. „Das habe ich seither oft gemacht.“ Und dass diese Menschen ein Grab in Waldbröl bekommen, freut den Geistlichen sehr: „Schließlich ist Waldbröl zumindest der Ort, an dem sie zuletzt gelebt haben.“

Stadt forscht nach Angehörigen oder anderen Hinterbliebenen

In diesem Jahr hat die Marktstadt die Todesfälle von 15 Menschen ohne Angehörige bearbeitet, vier von ihnen sind auf dem Bergfriedhof beerdigt worden. Sie haben in Waldbröl gelebt. Eckhard Becker: „Die anderen neun sind im Krankenhaus gestorben und danach in Freudenberg bestattet worden.“ Nach dem Ableben hat das Ordnungsamt zehn Tage Zeit, die Beerdigung durch einen Bestatter zu veranlassen, innerhalb von sechs Wochen muss dann die Urne unter die Erde gebracht sein. In dieser Zeit forschen Beckers Kolleginnen und Kollegen im Standes- und auch im Ordnungsamt nach Familienmitgliedern, Angehörigen oder anderen Hinterbliebenen, die dann die Kosten der Beerdigung tragen müssten. Findet sich niemand, zahlt die Kommune.

Dabei wühlen die Stadtbediensteten aber nicht etwa in privaten Dingen, sie blättern nicht im Stammbuch oder in Adressbüchern des Verstorbenen: „In der Regel reichen die Daten aus, die uns das Standesamt bietet“, führt der Waldbröler Fachbereichsleiter aus. „Damit ist ein Fall aber noch nicht abgeschlossen: Finden sich nach der Beisetzung doch noch Angehörige, zum Beispiel in den USA, stellen wir ihnen die Beisetzung in Rechnung.“

Oft ist Familienstreit der Grund für das Sterben in Einsamkeit

Einfach seien aber auch solche Fälle nie, ergänzt Siegfried Frank, Sprecher der Stadt Gummersbach. „Denn meist hatten die Beteiligten nicht grundlos keinen Kontakt mehr zum Verstorbenen.“ Oft seien sind es familiäre Streitigkeiten der Grund dafür, manchmal auch Schlimmeres. Frank: „Nicht selten übermittelt das Ordnungsamt die Todesnachricht telefonisch oder per Brief.“ In Gummersbach sei es schon seit vielen Jahren üblich, Tote ohne Angehörige in der Kreisstadt zu beerdigen, „meist auf dem Westfriedhof“. Der Stadtsprecher weiß: „Eher selten ist der Wunsch nach einem anderen Ort oder einer anderen Bestattungsarten irgendwo festgehalten.“

Im Jahr 2020 sei das Gummersbacher Ordnungsamt in 25 solcher Fälle tätig geworden, 2021 in 33 Fällen und im vergangenen Jahr in 43. „Und in diesem Jahr gab es bislang 33 Bestattungen.“ Weitaus weniger solcher Fälle, nämlich fünf bis sieben, hat die Stadt Wipperfürth in den Jahren seit 2021 gezählt. Die Hansestadt lässt die Verstorbenen in Lüdenscheid einäschern und auch da bestatten – und das werde vorerst wohl so bleiben, sagt Sprecherin Tanja Reinhold. „Leider entscheiden die Kosten.“

Auf dem Waldbröler Bergfriedhof deutet Jürgen Mittler erneut auf die neue Urnenwiese, 350 Urnen haben dort Platz, 60 mal 80 Zentimeter messen diese Gräber. „Jede Urne können wir auf den Millimeter genau ausfindig machen“, schildert er. Das sei wichtig für den Fall, dass ein Verstorbener umgebettet werden soll, nachdem dann doch ein Angehöriger ermittelt worden sei.

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