Wer pöbelt, wird gesperrtWie die Tafel Oberberg Süd Übergriffen vorbeugt

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Junge Ehrenamtlerinnen der Waldbröler Tafel: Charlotte Reinbarth (r.) und Inka Höhn bei der Brotausgabe.

Junge Ehrenamtlerinnen der Waldbröler Tafel: Charlotte Reinbarth (r.) und Inka Höhn bei der Brotausgabe.

Waldbröl – Drängeln und Schubsen, Pöbeln gegen Ältere und ähnliche Übergriffe, wie sie aktuell in Essen für Schlagzeilen sorgen, hat es auch bei der Waldbröler Tafel gegeben – aber meist nur ein Mal: „Wer sich nicht benimmt, gibt seine Kundenkarte ab und wird erst einmal für vier Wochen gesperrt“, sagt Theresia Mittler, eine der Hauptakteurinnen der weit über 100 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der Tafel Oberberg Süd.

Einer Eskalation zwischen Migranten und Einheimischen, wie sie jetzt in Essen zu der viel diskutierten Entscheidung der Tafel-Verantwortlichen geführt hat, keine Ausländer mehr als Neu-Kunden aufzunehmen, wurde in Waldbröl bereits vor der ersten Flüchtlingswelle wirksam entgegengetreten.

In einer Stellungnahme, die der Berliner Bundesverband der Tafeln nach den Vorfällen in Essen erbeten hat, beschreibt Theresia Mittler das Prozedere, das in Waldbröl vorübergehend sogar getrennte Ausgabetage für Migranten und Stammkunden vorgesehen hatte. In der Wiehler Filiale wird dies zurzeit noch praktiziert, dort sind in der Kundendatei der Tafel 293 Asylsuchende und 135 Stammkunden verzeichnet. Insgesamt, so die aktuelle Statistik, hat die Tafel Oberberg Süd in Waldbröl, Wiehl, Morsbach und Nümbrecht 1620 Kunden, davon 870 Deutsche und 750 Asylsuchende, zumeist Geflüchtete.

Die Trennung der Tafel-Kunden nach „Alt- und Neukunden“ ist in Waldbröl derzeit wieder aufgehoben. Ermöglicht wird dies durch ein System, das als Vorbild gelten könnte: Die Kunden ziehen vor der Ausgabe eine Losnummer, die die Reihenfolge vorgibt.

Nicht wer zuerst kommt, ist also zuerst dran, sondern wer das richtige Los zieht. Derjenige wiederum, der Pech mit dem Los hat, kann die Wartezeit in dem im gleichen Gebäude eingerichteten Zeitcafé verbringen oder sich im Kaufhaus für Alle umsehen. Außerdem kann er sicher sein, dass auf jeden Fall für alle etwas da ist. „So gibt es kaum Wartezeiten, keine Schlangen vor der Tafel und damit auch kein Gedrängel mehr“, sagt Liane Althoff, ebenfalls eine der Hauptaktivposten der Tafel Oberberg Süd.

Eingreifen gegen Rüpel bewährt

Das rigorose Durchgreifen gegen meist junge Rüpel mit Migrationshintergrund wie auch gegen pöbelnde Einheimische, die es in der 15-jährigen Tafel-Geschichte auch immer wieder gegeben hat, macht sich in Waldbröl positiv bemerkbar. „Wer sich nicht benehmen kann, muss es eben lernen“, sagt Liane Althoff. Sie hat auch die Erfahrung gemacht, dass junge männlichen Migranten den Respekt vor älteren Mitarbeiterinnen noch stärker verinnerlicht hätten. „Manchmal wirkt es, die Mama heraushängen zu lassen.“

In den vergangenen 15 Jahren habe sich die Arbeit „kolossal verändert“, sagt Theresia Mittler. Achtung und Respekt seien auf dem absteigenden Ast: „Es ist nicht zu leugnen, dass insbesondere die Hilfebedürftigen, die neu hinzugekommen sind, erheblich mehr Ansprüche stellen und unsere ehrenamtliche Arbeit als selbstverständlich empfinden“, schreibt sie in der Stellungnahme für Berlin.

Kein Verständnis haben die Waldbröler für die Kritik an der Entscheidung der Essener Tafel durch Politiker bis hin zur Bundeskanzlerin. „Die sollen sich selbst mal einen Tag da hinstellen und mitarbeiten“, heißt es unisono. Außerdem habe die Politik die Verantwortung dafür, dass es überhaupt Tafeln geben müsse und dass die Zahl der Bedürftigen kontinuierlich steige.

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