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Rasoul E.Iraner wird beim Behördengang in Gummersbach festgenommen

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Die Eingangstür der Ausländerbehörde des Oberbergischen Kreises.

Der letzte Besuch von Rasoul E. im Ausländeramt nahm ein für ihn überraschendes Ende.

Rasoul E. war ein geschätzter Mitarbeiter der Firma Bahama in Reichshof – und wurde dennoch in den Iran abgeschoben.

Wer als Flüchtling nach Deutschland kommt und Schutz vor Krieg und Verfolgung sucht, kann nicht so einfach Arbeitnehmer werden, und schon gar nicht auf Dauer. Der Spurwechsel vom Asyl in die Erwerbsmigration ist schwierig. Der Grund: Der Gesetzgeber will keinen Anreiz dafür schaffen, dass Menschen unter falschen Voraussetzungen einreisen.

Daran hat auch der zunehmende Arbeitskräftemangel wenig geändert, wie der Fall des Iraners Rasoul E. zeigt. Dieser war bestens in Oberberg integriert und musste dennoch im Dezember in sein Heimatland zurückkehren – also wenige Monate, bevor dieses zum Ziel der israelischen und amerikanischen Bomben wurde.

E. meldet sich per E-Mail aus dem Iran, es gehe ihm den Umständen entsprechend gut. Er spricht von „religiösen Problemen“, die ihn 2018 in Schwierigkeiten brachten und veranlassten, sein Land zu verlassen. Frau und Sohn wollte er nachholen. Sechs Jahre später wurde E. selbst wieder abgeschoben.

Warten auf Gerichtstermin im Iran

Nach der Landung in Teheran im vergangenen Dezember sei er zwei Tage lang festgehalten, dann auf Kaution freigelassen worden, schreibt der Iraner. „Da die Ereignisse schon sieben Jahre zurücklagen, war das Justizsystem zum Glück nicht sehr streng, vorerst zumindest. Ich muss jedoch noch auf meinen Gerichtstermin warten.“

Am liebsten will er sofort zurück nach Oberberg. In Deutschland gelebt, hatte der Iraner seit 2018. Doch 2024  wurde sein Asylantrag abgelehnt und ihm mitgeteilt, dass er das Land verlassen muss. „Ich sprach mit dem Ausländeramt und erklärte, dass ich einen unbefristeten Arbeitsvertrag habe, in vier Jahren keine Sozialhilfe vom Amt bezogen habe, ordentlich gearbeitet und Steuern wie ein deutscher Bürger bezahlt habe“, beteuert der Iraner. Erst sei ihm gesagt worden, er müsse sich keine Sorgen machen. „Doch plötzlich wurde ich bei der Verlängerung meines Ausweises festgenommen und direkt zum Flughafen gebracht. Ich durfte weder mein teures Auto verkaufen, noch auf mein Bankkonto zugreifen.“

Ausländeramt widerspricht dem Asylsuchenden

Nachdem E. schriftlich seine Erlaubnis erteilt hat, nimmt der Leiter des Ausländeramts, Rüdiger Brinkmann, ausführlich Stellung zu dem Fall – und widerspricht dem Asylsuchenden: Die Behörde habe dem Iraner bereits im September unmissverständlich erklärt, dass ihm die baldige Abschiebung droht. „Meine Leute sind da schon sehr deutlich. Die Belehrung muss zudem unterschrieben werden.“

Insofern sei es verwunderlich, dass E. aus allen Wolken fiel, als er im Dezember bei einem Gang zur Ausländerbehörde festgenommen wurde, sagt Brinkmann. Zwischenzeitlich war es der   Behörde gelungen, einen Abschiebeflug zu organisieren. Die Sachlage zwischen dem Zeitpunkt der Einladung   und dem Vorsprachetermin hatte sich damit entscheidend verändert. Die Festnahme im Amt, erläutert Brinkmann, folgte der günstigen Gelegenheit, sei aber auch verhältnismäßiger als ein Zugriff in den eigenen vier Wänden des Betroffenen.

Wiehler nennt Vorgehen „skandalös“

E. habe sich mit Händen und Füßen gewehrt, bis ihm Handschellen angelegt wurden. Wegen seines Widerstands packten die Vollstreckungsbeamten seine Habe zusammen. Das Auto wurde einbehalten, um die Abschiebungskosten in Höhe von 2200 Euro zu bezahlen.

Das Vorgehen der Behörden nennt Rüdiger Boy „skandalös“. Der Wiehler und seine Frau haben Rasoul E. 2020 in ihrer Einliegerwohnung aufgenommen. Vera Boy sagt, E. wäre „wie ein Sohn“ für sie gewesen. Ihr Gast sei von Anfang an bemüht gewesen, finanziell unabhängig zu werden. Schließlich habe er bei Bahama in Reichshof-Wehnrath einen festen Job bekommen, ausschlaggebend waren seine guten Deutsch- und Fachkenntnisse, sagt Boy, und sein tadelloses Auftreten. „Er war sehr freundlich, höflich und hilfsbereit und in der Nachbarschaft beliebt.“ Als der Asylantrag vom Kölner Verwaltungsgericht abgelehnt wurde, habe E. versucht, über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ein Visum zu bekommen. Doch dann sei der Iraner plötzlich abgeschoben worden, ärgert sich Boy, und zwar „auf recht perfide Weise“.

„Unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften“

Diese Kritik weist Amtsleiter Brinkmann zurück: Die „zwangsweise Rückführung“ geschehe unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften und unter vorheriger Beteiligung des Verwaltungsgerichts. „Hierbei werden auch immer asylverfahrensunabhängige Bleibemöglichkeiten berücksichtigt.“

In E. Fall habe man durchaus in Rechnung gestellt, dass er sich gut integriert und nicht etwa strafbar gemacht hat – abgesehen davon, dass er bereits 2019 schon einmal in das Ersteinreiseland Italien abgeschoben wurde und erneut illegal nach Deutschland kam. Zudem habe E. später verheimlicht, dass er sich noch 2022 einen iranischen Pass ausstellen ließ.

„Ist das menschlich?“

Rasoul E. versichert, dass er zu den Menschen gehöre, die arbeiten und sich ein Leben aufgebaut haben. Über Nacht sei alles zerstört worden. „Ist das menschlich?“ Er habe sich als verantwortungsvoller Bürger verhalten. Andere Geflüchtete, die nicht arbeiten und Sozialhilfe beziehen und manchmal sogar Schwarzarbeit leisteten, dürften bleiben. Auch der Wiehler Vermieter Rüdiger Boy schüttelt den Kopf: „Am Verfahren kann etwas nicht stimmen, wenn so einer abgeschoben wird und die Verbrecher können bleiben.“

Für Behördenchef Brinkmann sind das Äpfel und Birnen. „Natürlich gibt es Straftäter, die ein Aufenthaltsrecht haben, weil ihnen in ihrem Heimatland Gefahr für Leib und Leben droht.“ Aber das sei für diesen Fall eben unerheblich.

Bei E. entscheidend war am Ende, dass die „nachhaltige Integration“, die der Iraner vorweisen konnte, nicht schon mindestens sechs Jahre währte. So verlangt es   das Aufenthaltsgesetz. Das wäre erst ein halbes Jahr später im Juni der Fall gewesen.

Hätte er kulanter sein können? Brinkmann schüttelt den Kopf: „Hier kam es nicht auf ein paar Tage an. Jeder Stichtag führt zu Fällen, die härter sind als andere. Wir sind zu einer konsequenten Umsetzung der Ausreisevorschriften verpflichtet.“ Der Behördenleiter ist überzeugt: „Anders kann das System nicht funktionieren.“