In unserem Sommerwettbewerb "Mein größter Gewinn" erzählen uns Leserinnen und Leser von besonderen Erlebnissen. Susanne Focke-Gebauer aus Wiehl verbrachte ein Auslandsjahr in den USA.
SommerwettbewerbAuslandsjahr in den USA war ein großer Gewinn für Susanne Focke-Gebauer

Gerne blättert Susanne Focke-Gebauer in den Fotoalben mit Erinnerungen an Ihre Zeit in San Francisco.
Copyright: Ralf Joost
„Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können“. Ein Satz des deutschen Schriftstellers Jean Paul, den Susanne Focke-Gebauer vermutlich sofort unterschreiben würde. Die 72-jährige Wiehlerin erinnert sich gerne und oft an die Jahre 1970 und 71 zurück – eine Zeit, die sie als Austauschschülerin in Kalifornien erlebte.
„Dieses Auslandsjahr hat mein ganzen Leben geprägt. Ich bin in Amerika Menschen begegnet, die mich ermuntert haben, den freien Flug zu wagen. Ich habe die Chance zum Aufbruch ins Ungewisse genutzt, dabei habe ich Potenziale in mir entdeckt, die mich bis heute im Miteinander die Freude am Leben spüren lassen.“
Ich habe die Chance zum Aufbruch ins Ungewisse genutzt
Susanne Focke, Jahrgang 1953, wuchs in Uelzen in der Nähe von Hannover auf. Die Eltern hatten den Krieg mit allen seinen Schrecken erlebt, das Geld war knapp zuhause, die Erziehung katholisch. Die Schülerin war 16 Jahre alt, als sie am Schwarzen Brett ihres Gymnasiums, einer reine Mädchenschule , einen Aushang las. Ein Jahr in einer amerikanischen Familie leben und dort zur Schule gehen – „das schien mir sehr verlockend“, erinnert sie sich.
Die Eltern waren zunächst skeptisch, doch die Mutter unterstützte die 16-Jährige bei ihrer Bewerbung und dem Ausfüllen der vielen Formulare. Die Großmutter von Susanne Focke steuerte das nötige Geld bei. Ein Jahr lang dauerte die Vorbereitung auf das Auslandsjahr. Schließlich traf der langersehnte Brief der Gastfamilie ein, mit Fotos aus Hayward, einen Vorort von San Francisco.
Englisch lernen mit Soap-Operas
Schon der Flug von Hamburg-Fuhlsbüttel nach San Francisco mit Zwischenlandung in Island war ein Abenteuer. In Kalifornien angekommen, wurde sie von ihren Gasteltern Cliff und Antonette und ihren Gastgeschwistern aufs Herzlichste begrüßt. „Cliff war Klempner, fuhr einen Pick-Up und war immer gut gelaunt“, erinnert sie sich.
Die junge Deutsche konnte ihr Englisch schnell verbessern, auch dank der täglichen Soap-Operas, für die ihre Ersatzmutter ein Faible hatte. Stundenlanges Fernsehen und häufige Restaurantbesuche gehörten für „Sue“, wie sie von allen gerufen wurde, schnell zum Alltag.

Susanne Focke im Jahr 1971 bei der Verleihung ihres High-School-Diploms
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Die Schule in den USA glich so gar nicht dem, was die 17-Jährige aus Deutschland kannte. „Es gab keinen Frontalunterricht, die Lehrer waren ganz anders. Ihnen war es wichtig, dass wir Freude am Lernen haben. Der Unterricht war individuell ausgerichtet, die Schüler erfuhren Wertschätzung“, erinnert sich die Wiehlerin. „Das hat mich unglaublich gestärkt.“ Ihr High-School-Diplom und Fotos der Abschlussfeier sind für Susanne Focke-Gebauer bis heute sehr wichtig.
Ausflüge führten die 17-Jährige unter andere nach Disneyland –„ich habe alles für echt gehalten“ – und ins nahe Berkeley. Dort hatte Susanne Focke ein Erlebnis der besonderen Art. „Kaum war ich aus dem Auto ausgestiegen, ging ein Mann an mir vorbei, ganz langsam. Er hatte schulterlanges Haar und war splitternackt , vermutlich ein bekiffter Hippie.“ Bis dahin habe sie noch nie einen nackten Mann gesehen, erzählt Susanne Focke und schmunzelt. „Ich habe genau hingeguckt.“
Heimweh, so erinnert sie sich, habe sie in der ganzen Zeit nur ein einziges Mal verspürt – an Weihnachten. Der Abschied vom Sun Shine State und ihrer Gastfamilie fiel Susanne Focke sehr schwer, der Schulalltag nach der Rückkehr nach Deutschland sei gruselig gewesen. „Ich sprach wirklich sehr gut Englisch, aber mein Lehrer ließ nur Oxford-Englisch gelten und forderte mich auf, innerhalb von vier Wochen den amerikanischen Akzent abzulegen.“
Nach dem Abitur studierte Susanne Focke und wurde Pädagogin an einer Sprachheilschule. „Meinen Schülern habe ich die gleiche Wertschätzung zukommen lassen, die ich in Kalifornien erfahren hatte. Jeder Mensch hat Potenziale.“