Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Für seine Überzeugungen im KZ“Fritz Schulte war Vorsitzender der Polizeigewerkschaft

Lesezeit 5 Minuten

Bei einem Kongress in Remagen traf Schulte (r.) 1955 auf den späteren Bundeskanzler Willy Brandt.

Wildbergerhütte – Die Polizei steht immer wieder in der Kritik, besonders wenn sie bei Demonstrationen als robuste Staatsgewalt aufgetreten ist. In einer Demokratie muss sie sich das gefallen lassen. Fritz Schultes Grundsatz war, „dass der Mensch das größte Maß an Freiheit genießen soll, das unter Berücksichtigkeit des vorrangigen Rechts der Allgemeinheit möglich ist“.

Diese liberale Geisteshaltung war für einen Staatsdiener unmittelbar nach Ende der NS-Gewaltherrschaft nicht selbstverständlich. Für Fritz Schulte schon. Er war erster Vorsitzender und Mitbegründer der Gewerkschaft der Polizei in Deutschland. Schon vor der Machtergreifung des NS-Regimes war er ein Spitzengewerkschafter, er saß für seine Überzeugungen im KZ. Geboren wurde er vor 130 Jahren in Oberberg.

Seine Biografie wurde von der Braunschweiger Historikerin Laura Ede für eine Dokumentation zur Gründungsgeschichte der Gewerkschaft der Polizei (GdP) recherchiert, die auf deren Homepage nachgelesen werden kann und die wir hier gekürzt wiedergeben. Schulte war nach Edes Einschätzung eine herausragende „Schlüsselfigur“ des demokratischen Neuanfangs der Polizei, „ein integrer Mensch, der zu seine Idealen stand“.

1919 Eintritt in den kommunalen Polizeidienst der Stadt Barmen

Am 26. Dezember 1891 kam Fritz Schulte in Bergerhof im damaligen Kreis Waldbröl zur Welt. Sein Vater, Hermann Schulte, arbeitete als Bergmann. Nachdem der junge Fritz 1905 die evangelische Volksschule in Wildbergerhütte besucht hatte, trat er eine Lehre als Schlosser bei der Gummersbacher Kesselbaufirma Steinmüller an.

Danach arbeitete er als Geselle in verschiedenen Städten im Rheinland und in Westfalen. Im Oktober 1913 wurde er einberufen und leistete seine Militärdienstzeit beim Garde-Pionier-Bataillon in Berlin ab. Nach Ende des Krieges 1918 nahm er seine Tätigkeit als Schlosser wieder auf, bis er im Juli 1919 in den kommunalen Polizeidienst der Stadt Barmen eintrat. Von dort aus hielt er Verbindungen ins Oberbergische. So kam es, dass Schulte im September 1919 in Wiehl Frieda Simons heiratete. Im Januar 1920 kam Sohn Kurt zur Welt.

1922 übernahm man ihn als Oberwachtmeister in den Polizeidienst der Stadt Wuppertal. Später brachte er es bis zum Rang eines Polizeimeisters. Nebenbei begann er sich gewerkschaftlich zu engagieren. Schulte fungierte als Vorstandsmitglied der Kreisgruppe des Verbands Preußischer Polizeibeamter (der nach seinem Vorsitzenden auch als „Schrader-Verband“ bezeichnet wurde). 1932 wurde er nicht nur Beisitzender des Verbandsvorstands, sondern auch Vorsitzender des Gaus West, der die Provinzen Rheinland, Westfalen und Hessen-Nassau umfasste.

15 Tage im Konzentrationslager Kemna festgehalten

Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nazis wurde Schulte 1933 zusammen mit anderen Gewerkschaftsvertretern in Schutzhaft genommen. An der Zerschlagung der Gewerkschaften war ein anderer Oberberger federführend beteiligt: Der damalige Leiter des „Aktionskomitees zum Schutz der Deutschen Arbeit“ war der NS-Funktionär Robert Ley, ein gebürtiger Nümbrechter.

Vom 4. bis zum 19. Oktober hielt man Schulte im Konzentrationslager Kemna in Wuppertal fest. Danach verlegte man ihn in das KZ Neusustrum, eines der sogenannten Emslandlager, wo er bis zum 15. Januar 1934 in Haft blieb. Dort musste er als sogenannter „Moorsoldat“ schwere Arbeiten verrichten, welche zu gesundheitlichen Schäden führten, wie seine Biografin Laura Ede berichtet.

Die Wachmannschaften, die sich aus Mitgliedern der lokalen SA zusammensetzten, führten im Lager Kemna ein Terrorregime, schildert Ede. „Täglich waren die Gefangenen körperlicher und psychischer Folter ausgesetzt. Darunter schwere, wiederholte Misshandlungen, Nahrungsentzug, tagelanges Einsperren einzelner Häftlinge in winzigen Räumlichkeiten sowie die Verabreichung von zusätzlich verunreinigten Salzheringen unter gleichzeitiger Verweigerung von Wasser.“ Im KZ Neusustrum erging es den politischen Gefangenen kaum besser.

Sohn gilt seit 1944 als vermisst

Im Januar 1934, kurz nach seiner Entlassung aus der Schutzhaft, wurde Schulte im Rahmen des von den Nationalsozialisten verabschiedeten „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ aus dem Polizeidienst entlassen. Um seine Familie zu ernähren, arbeitete er als Reisevertreter für eine Düsseldorfer Metallwarenfirma. Im Februar 1940 wurde er zum Militär einberufen und diente bis Kriegsende in der Kraftfahrzeug-Instandsetzung. Auch Schultes einziger Sohn Kurt wurde zum Kriegsdienst herangezogen. Seit 1944 galt er als vermisst und ist vermutlich gefallen.

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten kam Fritz Schulte ins KZ.

Schon im Oktober 1945 trat Fritz Schulte wieder in den Polizeidienst ein. Als Polizei-Oberleutnant kam er zum Schutzpolizei-Kommando Wuppertal und machte schnell Karriere, bis er 1948 zum Polizeidirektor und 1950 schließlich zum Chef der Wuppertaler Polizei avancierte.

Gleichzeitig beteiligte sich Fritz Schulte am Wiederaufbau der Polizeigewerkschaft. Am 22. Juli 1948 wurde der „Bund der Polizeibeamten des Landes Nordrhein-Westfalen“ in Düsseldorf gegründet und Schulte zu dessen Vorsitzendem gewählt. Am 14. September 1950 folgte die Gründung der „Gewerkschaft der Polizei“ in Hamburg. Auch dort wurde Fritz Schulte zum ersten Vorsitzenden ernannt. In einem Beitrag für die Mitgliederzeitschrift „Deutsche Polizei“ formuliert Schulte 1953 seinen kämpferischen Anspruch: „Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass die Gewerkschaften der Staats- und Gemeindebediensteten bei aller gebotenen Zurückhaltung doch deutlich und unverblümt untragbar gewordene Zustände aufzeigen und Abhilfe fordern.“

Allerletzte Ruhestätte auf dem Wiehler Friedhof

Am 30. September 1954 schied Schulte nach Erreichen der Altersgrenze aus dem Polizeidienst aus. Die Annahme einer Ehrung in Form einer Urkunde, die ihm die Stadt Wuppertal für die langjährige Dienstzeit zukommen lassen wollte, verweigerte er, berichtet seine Biografin Ede. Kaum ein Jahr später am 15. Dezember 1955, wenige Tage vor seinem Geburtstag, verstarb Fritz Schulte im Alter von 63 Jahren.

Begraben wurde Schulte in Odenspiel. Auf dem Wiehler Friedhof erinnert noch immer ein Gedenkstein an ihn.

Die Gewerkschaft würdigt in der Todesanzeige ein „Leben, das ausgefüllt war von unermüdlicher Sorge um das Wohlergehen und die soziale Besserstellung seiner Berufskollegen“. Am 20. Dezember wurde im Saal des Wuppertaler Polizeipräsidiums die Trauerfeier abgehalten. Die ehrenvolle Beisetzung erfolgte am selben Tag auf dem Odenspieler Friedhof.

Das könnte Sie auch interessieren:

Seine allerletzte Ruhestätte fand Schulte auf dem Wiehler Friedhof, wohin er später aus nicht geklärten Gründen umgebettet und an der Seite seiner Frau bestattet wurde. Der Wiehler Polizeigewerkschafter Emil Funk kümmerte sich um das Grab. Als es aufgegeben wurde, setzte er sich dafür ein, dass die Gewerkschaft den Gedenkstein finanziert, der noch heute an Fritz Schulte erinnert. Emil Funk meint noch immer: „Dieser Mann hat unter den Nazis gelitten und später sich so verdient gemacht, der darf nicht in Vergessenheit geraten.“