Bei der ersten Sitzung des neuen Stadtrats war das öffentliche Interesse groß. Viele Zuschauer wollten wissen, wie der neue Rat mit der AfD umgeht.
Erste RatssitzungIn Wipperfürth klafft im städtischen Haushalt ein Millionenloch

Bürgermeistern Anne Loth (2.v.l.) und ihre Stellvertreter (v.l.) Regina Billstein, Andrea Münnekehoff und Lothar Palubitzki.
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Wer sagt, dass Politik niemanden interessiert? Die erste Sitzung des neu gewählten Wipperfürther Stadtrates am Dienstagabend verfolgten viele Zuschauer im Saal. Und der Stream der Sitzung, abrufbar auf dem Youtube-Kanal der Stadt, zählte am Mittwochmorgen schon fast 400 Zugriffe – eine außergewöhnlich hohe Zahl. Der Grund dafür dürfte vor allem die Frage gewesen sein, wie der neue Rat mit der AfD umgeht und wie sich die umstrittene Partei präsentieren würde.
Die fünfköpfige AfD-Fraktion war bemüht, in der ersten Sitzung nicht anzuecken. Sie hatte weder für das Amt eines Vizebürgermeisters noch für einen Ausschussvorsitz Kandidaten benannt – in dem Wissen, dass diese ohnehin durchfallen würden, da es eine Absprache von CDU, SPD, UWG und Grünen gab.
Kritik an Aussage der Bürgermeisterin
CDU-Ratsherr Stefan Klett gab eine persönliche Erklärung ab und kritisierte scharf, dass Bürgermeisterin Anne Loth in ihrer Antrittsrede mit Verweis auf das Wählervotum die AfD ausdrücklich willkommen geheißen hatte. Zuvor hatte sie betont, Wipperfürth sei tolerant und kulturell vielfältig. Ein Teil des Rates applaudierte Klett, der Rest schwieg.
Mit 39 Ja- und einer Nein-Stimme wurden Lothar Palubitzki (CDU), Regina Billstein (SPD) und Andrea Münnekehoff (Grüne) zu Stellvertretern der Bürgermeisterin gewählt. Intern gibt es eine Absprache, dass Münnekehoff ihr Amt nach der Hälfte der Amtszeit niederlegt und dann Hans-Otto Frielingsdorf (UWG) gewählt werden soll.
Wipperfürth muss ins Haushaltssicherungskonzept
Loth und Kämmerer Jens Groll brachten den Entwurf für den Haushalt 2026 ein. Die finanzielle Lage der Hansestadt ist desaströs. Im kommenden Jahr klafft ein Haushaltsloch von über zehn Millionen Euro – eigentlich wären es über zwölf Millionen, doch die Stadt darf ihre Ausgaben pauschal um 1,8 Millionen Euro reduzieren. Von ähnlichen legalen „Bilanzierungstricks“ habe man auch in den vergangenen Jahren reichlich Gebrauch gemacht, gestand Groll.
Weil das Eigenkapital der Stadt aktuell nur noch 15 Millionen Euro beträgt und die kommenden Jahre genauso düster aussehen, muss die Stadt Wipperfürth für die kommenden zehn Jahre ins Haushaltssicherungskonzept. Das heißt, sie muss einen Plan aufstellen, wie das Defizit verringert und die Einnahmen erhöht werden sollen, dieser Plan muss von der Kommunalaufsicht genehmigt werden. Die Stadt wird damit an die Leine genommen.
Ursachen für die schlechte Lage sind laut Groll die Personalkosten und die Tarifsteigerung im Jahr 2023 von elf Prozent –das bedeute jährliche Mehrausgaben von 1,25 Millionen Euro. Bund und Land bürdeten den Kommunen immer neue Aufgaben auf. Hinzu komme die schlechte wirtschaftliche Lage, die zu geringeren Gewerbesteuereinnahmen führt. Groll hofft, dass die Altschuldenregelung die Kasse ein wenig entlastet. Trotzdem will die Stadt im kommenden Jahr 55,5 Millionen Euro investieren. 44 Millionen Euro sind für Baumaßnahmen vorgesehen, vor allem für Schulen.
Fünf Fraktionen und zwei Einzelmitglieder bilden den 40-köpfigen Stadtrat, plus Bürgermeisterin. Stärkste Fraktion ist die CDU mit 16 Sitzen, Fraktionschef ist Dieter Voß. Es folgt die SPD mit sieben Sitzen unter Frank Mederlet. Die übrigen drei Fraktionen kommen jeweils auf fünf Sitze: Die AFD (Sabine Förster), die UWG (Klaus Felderhoff) und die Grünen (Christoph Goller/Andrea Münnekehoff). Dazu kommen Uwe Mennicken (FDP) und Torben Herbst (Bündnis Sahra Wagenknecht).
Die Eckdaten des Haushaltsentwurfs 2026 in Wipperfürth
Erträge: 81,4 Millionen Euro; Aufwendungen: 91,8 Millionen Euro; Grundsteuer A: 345 v.H.; Grundsteuer B für Wohngrundstücke: 1004 v.H.; Grundsteuer B für Nichtwohngrundstücke: 1855 v.H.; Gewerbesteuer: 470 v.H.; Kreisumlage: 16,2 Millionen Euro; Personal/Versorgung: 20,1 Millionen Euro; Gewerbesteuer: 17,5 Millionen Euro; Einkommenssteuer: 14,6 Millionen Euro; Pro-Kopf-Verschuldung: 6230 Euro.

