Der Neurostimulator ähnelt einem Herzschrittmacher. Uwe Mutter, Arzt am Wipperfürther Helios-Krankenhaus, setzt sie auch in der Schmerztherapie ein.
SchmerztherapieWipperfürther Krankenhaus setzt auf Neurostimulatoren

Einen Neurostimulator zeigen der Arzt Uwe Mutter und Patientin Natascha Schumann-Frackenpohl.
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Harninkontinenz ist ein Thema, das viele Menschen betrifft, aber nur wenige reden offen darüber. Natascha Schumann-Frackenpohl aus Engelskirchen sieht keinen Grund, sich zu schämen. „Ich kann ja nichts dafür.“ Wenn sie stark husten muss, trat bei der 35-Jährigen ganz plötzlich oft ein starker Harndrang auf. „Meist bleiben einem dann nur 30 Sekunden, um eine Toilette zu finden, das klappt nicht immer“, berichtet sie. Seit November 2024 trägt sie im Beckenbereich unter der Haut ein kleines Kästchen, einen Neurostimulator.
Uwe Mutter, Chirurg an der Helios-Klinik Wipperfürth, hat ihn eingepflanzt. Der 60-Jährige hat viel Erfahrung auf diesem Gebiet. Neurostimulatoren funktionieren ähnlich wie Herzschrittmacher. Sie senden kontinuierlich schwache elektrische Signale aus. Diese Signale beeinflussen die Weiterleitung der Nervensignale und verändern die Art und Weise, wie Reize verarbeitet oder weitergeleitet werden. Für Natascha Schumann-Frackenpohl ist die Blasenschwäche seitdem kein Thema mehr. „Ich habe wieder ein Leben, in dem sich nicht alles um die Toilette dreht“, freut sie sich.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Die 35-Jährige hat bereits seit drei Jahren positive Erfahrungen mit einem Neurostimulator. Denn sie leidet an Endometriose, einer schmerzhaften chronischen Gewebewucherung, die im Bauchraum oder der Gebärmutterwand auftritt. Die Endometriose hat bei der Engelskirchenerin die Nerven geschädigt, „die Schmerzen strahlen bis ins Bein aus“, berichtet sie. Die sportlich aktive Frau konnte zeitweise kaum noch gehen, zeitweise saß sie im Rollstuhl. Gegen ihre starken Schmerzen bekam sie ein Opiat verschrieben. Doch die Nebenwirkungen seien erheblich gewesen, „ich wollte das irgendwann nicht mehr nehmen“.
Sie suchte Hilfe bei der Klinik für Schmerztherapie im Wipperfürther Helios-Krankenhaus. „Ich kannte das Haus, denn ich habe hier früher gearbeitet“, sagt sie. Mit dem Neurostimulator hat die Engelskirchenerin ihre chronischen Schmerzen gut im Griff. Das Kästchen lässt sich über eine Bluetooth-Verbindung mit dem Handy steuern, bei Bedarf kann sie die Stromstärke auch herauf- oder herabsetzen. Neuropathische Schmerzen, wie sie bei der 35-Jährigen vorkommen, sind gar nicht selten. Bundesweit leiden rund drei bis fünf Millionen Menschen daran. Die Auslöser sind ganz unterschiedlich: ein Bandscheibenvorfall, Diabetes, Chemotherapie oder Nervenschädigungen durch eine OP.
Eine Alternative zu starken Schmerzmitteln
„Der Schmerz verselbstständigt sich, ohne dass es einen äußeren Schmerzanlass gibt“, erklärt Ralf Trogemann, Leitender Arzt der Abteilung für Schmerztherapie am Wipperfürther Krankenhaus. Mit der Neuromodulation erreiche man in 85 Prozent der Fälle eine signifikante Schmerzreduktion. Seit April 2025 hat die Wipperfürther Klinik ein eigenes Zentrum für Neuromodulation unter Leitung von Uwe Mutter. „Ich bin vor Jahren über eine Fortbildung auf Neurostimulatoren aufmerksam geworden, und habe mich dann herangearbeitet“, sagt der Chirurg. In vielen Fällen sei das eine echte Alternative zur konservativen Schmerztherapie und zu starken Schmerzmitteln. „Opiate sind keine Smarties, die Nebenwirkungen können erheblich sein.“
Mittlerweile implantieren die Wipperfürther Ärzte rund 100 Neurostimulatoren im Jahr, der Einzugsbereich reiche vom nördlichen Ruhrgebiet bis nach Mannheim und von Aachen bis zum Harz. „Wir können mit Neurostimulatoren den ganzen Körper abdecken“, sagt Mutter. Auch bei der Behandlung von sogenanntem „Pseudo-Herzschmerz“, wie er zum Beispiel nach einem Herzinfarkt auftreten kann, verzeichne man gute Erfolge. Was den Wipperfürther Arzt begeistert, ist die stete technische Weiterentwicklung der Schmerzschrittmacher. „Die Geräte werden immer kleiner und immer leistungsfähiger, früher hatten sie zwei Elektroden, heute sind es acht.“
Ein Neurostimulator ist ein Impulsgeber, der schwache elektrische Impulse aussendet. Diese Signale stimulieren die Nerven und können so zum Beispiel eine Weiterleitung von Schmerzen ins Gehirn überlagern. Geräte mit einem aufladbaren Akku kosten rund 25.000 Euro, Geräte mit einer Batterie kommen auf 12.000 bis 15.000 Euro. Liegt eine entsprechende medizinische Indikation vor, übernimmt die Krankenkasse die Kosten.