Sie kamen als Gastarbeiter aus vielen europäischen Ländern und bauten die Bundesrepublik mit auf - deren Leistungen sollen gewürdigt werden.
Platzsuche auf ZandersBergisch Gladbach soll Leistung der Gastarbeiter würdigen

Auf dem ehemaligen Firmengelände von Zanders soll mit einem Platz an die Leistung der Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen erinnert werden.
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Fünf Mitglieder des Integrationsrats schlagen vor, einen Platz auf dem Zanders-Gelände als „Platz aller Gastarbeiter*innen“ zu benennen, ausdrücklich mit Gendersternchen. Ein solches Schild wäre ein absolutes Novum im Stadtbild, aber es werden eine ganze Reihe guter Gründe genannt.
Der Vorstoß bricht mit der Tradition, eine Straße oder einen Platz nach einer Person zu benennen, stattdessen wird der pauschale Sammelbegriff „Gastarbeiter“ vorgeschlagen. Premiere hätte zudem das geschlechtersensible Sternchen auf einem Straßenschild, einem Sonderzeichen, über das die Meinungen oft auseinandergehen. Zwei Punkte, die für Diskussionen in der Politik sorgen könnten.
Stadt machte erste Erfahrung mit der Integration
Keiner hätte das damals wohl gedacht, dass für viele Menschen, die vor 70 Jahren kamen, Bergisch Gladbach zur Heimat geworden ist. Damals wurde das erste Gastarbeiter-Anwerbeabkommen mit Italien geschlossen. Es folgten Abkommen mit acht weiteren Staaten, Griechenland, Marokko, Portugal, das ehemalige Jugoslawien; das wichtigste war das mit der Türkei. Eigentlich sollten die „Gastarbeiter“, so sah man das zunächst, ein paar Jahre arbeiten, das Wirtschaftswunder mitgestalten und wieder heimgehen. Aber es kam anders. Sie arbeiteten weiter, holten ihre Familien nach oder gründeten welche und blieben. Schon damals hat die Stadt erste Erfahrungen mit Integration gemacht, lange bevor 2015 die vielen Flüchtlinge kamen.
Was heute selbstverständlich erscheint, heißt es in dem Antrag, ist vor Jahrzehnten von mutigen Menschen aus aller Welt mit harter Arbeit und viel Hoffnung aufgebaut worden: „Ihre Geschichten sollen nicht vergessen werden“, sagt Redouan Tollih, Vorsitzender des Integrationsrates Bergisch Gladbach.
Das Firmengelände von Zanders eigne sich gut für das Projekt
Mit der Auszeichnung eines Ortes auf Zanders als „Platz aller Gastarbeiter*innen“ wollen Tollih und seine Mitstreiter Michaela Bhattacharjee, Kastriot Krasniqi, Adnan Ljura und Ahmad Shehab „ein sichtbares und dauerhaftes Zeichen des Respekts, der Anerkennung und der Erinnerung schaffen – für alle jene Menschen, die ab den 1950er Jahren kamen und maßgeblich zum wirtschaftlichen Aufbau der Stadt beigetragen haben.“ Zahlreiche von ihnen arbeiteten in der Zanders-Papierfabrik. Die Menschen mit den fremden Namen fanden dort nicht nur Arbeit, sondern auch eine soziale Bindung, die den Einstieg in ein neues Leben erleichterte. Insofern sei das künftige Zanders-Viertel ein geeigneter Ort, um die Leistung der sogenannten Gastarbeiter zu würdigen und anzuerkennen.
Darunter war auch Tollihs Vater. Eingewandert aus Marokko hat er seit 1973 auf Zanders gearbeitet, 35 Jahre lang: „Ich muss bei keiner Führung mitmachen. Mir ist das Fabrikgelände bestens bekannt, weil ich meinen Vater als Kind dort oft abgeholt habe“, sagt Tollih. Besonders in Erinnerung sind ihm die Erzählungen seines Vaters geblieben, wie international Zanders in Bezug auf die Belegschaft gewesen sei. „Und das hat auch mit den deutschen Kollegen gut geklappt.“ Habe sein Papa etwa einen Brief von Behörden bekommen, hätten Arbeitskollegen ihm gesagt, wo genau er sich hinwenden müsse.

Auf dem Zanders-Gelände gibt es bereits Denkmäler - für die Firmengründer.
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„Die Benennung eines Platzes ist insofern auch ein Vermächtnis an ihre Kinder, Enkel und Urenkel“, meint Kastriot Krasniqi. Die sogenannte Gastarbeitergeneration habe tiefe Spuren in der Stadt hinterlassen. Ihre Nachkommen lebten hier inzwischen in der vierten Generation: „Diese Geschichte hat einen festen Platz im Stadtbild verdient – auch für kommende Generationen“, argumentiert Krasniqi.
Das Gendersternchen ist den Initiatoren deshalb so wichtig, weil auf Zanders früher nicht nur eingewanderte Männer, sondern auch Frauen gearbeitet haben: „Wir wollen alle gleich würdigen, die maßgeblich zum Aufbau der Stadt beigetragen haben“, betont Tollih. Die Geschichte der Gastarbeiter werde häufig aus männlicher Perspektive erzählt – dabei gerieten die Leistungen der Gastarbeiterinnen oft in den Hintergrund. Dabei verdienten sie - ebenso wie die Männer – Respekt und Anerkennung. „Aber die genaue Beschriftung und Gestaltung des Schildes kann ja noch diskutiert werden.“
Bestandteil des Antrags, den zunächst der Integrationsbeirat in seiner Sitzung am morgigen Donnerstag berät, ist zudem die Anregung, eine Informationstafel oder ein künstlerisches Element wie eine Skulptur zu schaffen, um die Geschichte der Gastarbeiter anschaulich zu vermitteln. Die Entscheidung, ob das Projekt umgesetzt wird, obliegt dann den Mitgliedern des Hauptausschusses.