Kirmes-KultBergisch Gladbacher Schweinchenbahn – Das Geheimnis ihres Erfolgs

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Ein junger Zeitungsreporter sitzt in der Schweinchenbahn.

Einem Bergisch Gladbacher Kirmes-Kultobjekt auf der Spur ist Reporter Julius Neumann. Er testet die Schweinchenbahn im Selbstversuch.

Seit 1966 fasziniert in Bergisch Gladbach eine Schweinchenbahn das Kirmespublikum. Warum? Unser Reporter Julius Neumann ist mitgefahren.

Wer sich durch die Menschenmassen auf dem Konrad-Adenauer-Platz drängt, vorbei am Musik-Express, dem Autoskooter und einer schwingenden Untertasse, der kommt nach zwei Currywürsten langsam zur Schweinchenbahn.

Hinter dem Eingang zur Tiefgarage des Bergischen Löwen steht unscheinbar unter einem Baum eine der ältesten Attraktionen der Bergisch Gladbacher Kirmes. Zwischen dem Breakdancer, der mit lauten Ansagen und hellen LEDs Besucher anlockt, dem Riesenrad und dem Chaoshaus wirkt die Schweinchenbahn etwas aus der Zeit gefallen.

Altbackenes Fahrgeschäft mit großem Andrang

Trotzdem herrscht an diesem Sonntagnachmittag ein großer Andrang von Eltern und Kindern vor der Bahn. Ich stelle mir also die Frage: Warum gibt es in Zeiten, wo alles schneller, leuchtender, lauter und aufregender auf der Kirmes sein muss, immer noch etwas so Altbackenes wie die Schweinchenbahn?

Schweinchenbahn im Schatten eines Baumes

Im Schatten eines mächtigen Baumes steht Schweinchenbahn.

Ich beschließe, der Sache auf den Grund zu gehen. Die logische Konsequenz: Ich muss mit der Bahn fahren, um ihr Erfolgsgeheimnis zu lüften. Die Schweinchenbahn besteht aus sechs pinken und schwarz gepunkteten Wagen mit jeweils zwei Plätzen. Jeder Wagen hat vorne ein großes lachendes Schweinchengesicht mit riesigen blauen Augen. Ein metallener Ringelschwanz klebt an jedem Wagenende. Die Wagen sind rot-gelb überdacht.

Beim Warten fällt mir auf: Es gibt keine lauten Ansagen oder Musik. Auf Effekthascherei wird verzichtet. Lediglich ein paar gelbe und rote LEDs leuchten unter der Markise im Wartebereich auf.

Reisetempo vier Kilometer pro Stunde

Dann darf ich mitfahren. Ich quetsche mich in einen der hinteren Waggons. Beinfreiheit für Erwachsene gibt es nicht, also setze ich mich seitlich in den Wagen. Zwischen all den Kleinkindern komme ich mir schon etwas komisch vor. Zum Glück fahren auch einige der Eltern mit. Dann tuckert die Schweinchenbahn mit vier Kilometer pro Stunde los in die erste Runde. Im gemütlichen Schritttempo fährt die Bahn eine Runde mit kleinem Schlenker. Überall auf der Strecke sind Muppet-Puppen aufgestellt.

Die Pfingstkirmes mit der Schweinchenbahn.

Kindgerecht seit beinahe 60 Jahren ist die Schweinchenbahn in Bergisch Gladbach.

In einem Bus sitzen Ernie und Bert, etwas weiter fahren Mrs. Piggy und Kermit zusammen einen Geländewagen. Weiter geht es mit Runde zwei. In den Kurven bekomme ich Angst, dass ich die Bahn mit meiner Größe und meinem Gewicht zum Umkippen bringe. Doch wir tuckern einfach weiter.

Ab und zu fliegen während der Fahrt ein paar Seifenblasen durch die Luft.

Am Ende der Runde steht ein kleiner schwarzer Kasten. Eine Seifenblasenmaschine. Ab und zu fliegen während der Fahrt ein paar Seifenblasen durch die Luft. Mehr Effekte gibt es nicht. Ab Runde drei fange ich langsam an, mich zu langweilen. Die Jungen und Mädchen um mich herum scheinen jedoch viel Spaß zu haben. Wenn wir vorne vorbeifahren, machen die Eltern Fotos und Videos von ihren begeisterten Kleinen.

Hatte ich früher als Kind auch an so simplen Dingen wie der Schweinchenbahn Freude? Nach zwei weiteren Runden ist die Fahrt vorbei und ich steige etwas unbeholfen aus. Nach der Fahrt habe ich allerdings noch immer keine Antwort auf meine Frage.

Mehr als ein paar Knöpfe zur Bedienung braucht es nicht

Ich setze mich zum Schausteller der Schweinchenbahn Dirk Jackmuth ins Führer- und Kassenhaus. Im Kassenhaus werden auf einem kleinen Fernseher die Aufnahmen der Überwachungskamera in grober Auflösung übertragen. Mehr als ein paar Knöpfe zur Bedienung der Bahn, eine Kasse und eine Kiste voll pinker Fahrchips braucht Jackmuth im Kassenhaus nicht.

Die Bahn gibt es laut dem Schausteller seit 1966 auf der Bergisch Gladbacher Kirmes. Seine Familie kümmert sich um die Schweinchenbahn in vierter Generation. Vor elf Jahren hat Jackmuth sich selbstständig mit „Jacks-Eventservice“ gemacht. Zu den Dienstleistungen des Eventservices zählt auch die Schweinchenbahn. Auf meine Frage, warum die Bahn so erfolgreich ist, antwortet Jackmuth: „Wir haben einfach Kultstatus. Die Oma ist schon damit gefahren, dann irgendwann ihre Kinder und mittlerweile wahrscheinlich ihre Enkelkinder.“

Bekanntheit bei Familien über Generationen ist also Teil des Erfolgsgeheimnisses. Es scheint zu funktionieren. Am Konzept der Schweinchenbahn wurde seit 1989 nichts mehr verändert. Seit 40 Jahren werden dieselben Fahrchips benutzt. Auch mit alten Fahrchips kann man noch heute fahren.

Wenn wir zu modern werden, sind wir nicht mehr die Schweinchenbahn von früher.
Schausteller Dirk Jackmuth

„Wenn wir zu modern werden, sind wir nicht mehr die Schweinchenbahn von früher“, erklärt Jackmuth den Retro-Look der Bahn. Eine weitere Komponente des Erfolgs ist also der Nostalgiefaktor. Gelegentliche Neuerungen wie die rot-gelben Lichter und ein paar neue Muppet-Puppen gibt es trotzdem. Auch die Schweinchenbahn muss in Maßen mit der Zeit gehen. Auch wenn Muppets und ein paar LEDs nicht gerade sonderlich modern auf mich wirken, scheint das Konzept zu funktionieren. Die Eltern stehen Schlange, damit ihre Kinder mindestens einmal mit der Bahn fahren können.

Während unseres Gesprächs muss Jackmuth immer wieder Fahrchips verkaufen. Die Frage, ob es die Schweinchenbahn in zehn Jahren noch geben wird, beantwortet der Schausteller mit: „Ja auf jeden Fall!“ Die Komponenten Nostalgie und Bekanntheit über Generationen hinweg sind wohl für den Erfolg der Schweinchenbahn verantwortlich.

Für Kleinkinder ist es wahrscheinlich auch die einzige Bahn, mit der sie auf der gesamten Kirmes fahren können und vielleicht macht genau das die Schweinchenbahn zu etwas Besonderem. Für mich als Adrenalin-Junkie ist sie nichts — aber ich bin auch kein Kind mehr. Gegen Ende unseres Gesprächs gibt mir Jackmuth einen pinken Fahrtchip. Ob ich ihn jemals zum Fahren benutzen werde? Wahrscheinlich nicht.

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