Für SitzenbleiberGymnasium Herkenrath in Bergisch Gladbach wird zur Auffangschule für G8

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Viele Schülerinnen und Schüler stehen in einem Raum eng aneinander.

Der Aufenthaltsraum der Oberstufe in Herkenrath ist immer überfüllt. Die Schüler befürchten, dass er zugunsten des neuen Jahrgangs an ihrem Gymnasium wegfallen könnte und sie dann gar keinen Treffpunkt mehr haben.

Wenn die Gymnasialschulzeit wieder von acht auf neun Jahre verlängert wird, müssen alle sitzenbleibenden oder zurückkehrenden Schüler aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis in das Gymnasium nach Herkenrath wechseln.

Die Vorbereitungen im Gymnasium Herkenrath laufen auf Hochtouren: Als einziges Bündelungsgymnasium im Kreisgebiet bietet die Schule im Schuljahr 2023 eine Extra-Stufe an, um Seiteneinsteigern aus Real- und Hauptschulen sowie Wiederholern den Weg zum Abitur zu ermöglichen. Das liegt an der Umstellung von G8 auf G9: „Wir übernehmen diese Aufgabe gerne“, sagt Schulleiter Dieter Müller.

Die Schülerschaft dagegen kritisiert die drohende Raumnot und sieht die Stadt in der Pflicht, Abhilfe zu schaffen. Wie viele Schüler es sein werden, die das Gymnasium Herkenrath in ihrer Extra-Einführungsstufe aufnimmt, steht in den Sternen. „Das ist im Moment noch Zukunftsmusik. Zum jetzigen Zeitpunkt steht nicht fest, wie viele Schüler aus den Real- und Hauptschulen eine gymnasiale Empfehlung erhalten werden“, sagt Romina Matthes, stellvertretende Schulleiterin, „wir rechnen mit 80 bis 140 Schülern.“ Die Schulleitung geht davon aus, dass im Frühjahr nach den Halbjahreszeugnissen valide Zahlen vorliegen werden, wie groß der „Weiße Jahrgang“ – so wird diese besondere Stufe auch genannt – sein wird.

Sitzenbleiber der G8 können zehnte Klasse nicht an eigenem Gymnasium wiederholen

Betroffen sind außer Real- und Hauptschülern, Schüler, die von einem Auslandsjahr zurückkommen sowie Wiederholer. Die Erklärung ist kompliziert: Wer aus dem letzten verkürzten Jahrgang (G8) in der zehnten Klasse sitzen bleibt, kann das Jahr nicht am eigenen Gymnasium wiederholen, sondern muss auf das Überbrückungsgymnasium in Herkenrath wechseln. Denn durch die Wiedereinführung des Abiturs nach neun Jahren (G9) bleiben alle Schüler ein Jahr länger in der Mittelstufe. So rückt kein Jahrgang in die Einführungsphase (EF) in der Oberstufe nach: An den Gymnasien bleibt die Stufe EF 2023/2024 leer.

„Die Schüler liegen uns am Herzen, deshalb haben wir uns für die Aufgabe zur Überbrückung beworben“, sagt Schulleiter Müller und verweist dabei auf die Erfahrungen seines Gymnasiums, Realschüler zum Abitur zu führen: „Es kommen sowieso schon immer viele zu uns. So um die 40 waren es immer in den vergangenen Jahren.“ Beim letzten Abiturjahrgang hätten zwei Realschüler die Bestnote von 1,0 erreicht.

Beliebt sei das Gymnasium auch aufgrund seines breit aufgestellten Leistungskursangebots: „Dazu gehören auch LK Sport, LK Kunst und LK Informatik“, berichtet Matthes. Was die räumlichen Voraussetzungen anbelangt, wird es aber eng. Aktuell sind alle Räume belegt und ein weiterer Zug wird einziehen. „Wir haben das durchkalkuliert und kriegen das hin“, betont Müller. Einzelne Räume müssten umfunktioniert werden, zum Beispiel von kleineren Kursräumen zu normalen Klassenräumen mit mehr Schülern.

Schulleiter Dieter Müller und seine Stellvertreterin Romina Matthes sitzen gemeinsam vor einem Laptop.

Die Vorbereitungen für den Extra-Jahrgang laufen auf Hochtouren: Schulleiter Dieter Müller und Romina Matthes, seine Stellvertreterin.

Die komplette Schülerschaft, Sekundarstufe I und Oberstufe, dagegen beschwert sich in drei Briefen bei der Stadtverwaltung: „Man lässt uns einfach im Regen stehen“, sagt Ben Valkyser. Für die Oberstufe mit derzeit rund 400 Schülern gibt es nur zwei kleine Aufenthaltsräume. „In den Freistunden, in den Pausen müssen wir draußen stehen, auch wenn es regnet oder schneit“, erzählt Lilith Kahl. „Es gibt nicht genug Sitzmöglichkeiten, und wir haben keine Möglichkeit, unsere Aufgaben zu erledigen“, ergänzt Angelina Sfragara.

Die jüngeren Schüler aus der Sekundarstufe I verbringen ihre Pausen bei schlechtem Wetter in einem Gang, sitzen dort gequetscht auf dem Boden, so dass man kaum durchkommt. Die Mensa ist in der Mittagszeit immer übervoll. Die Schule hat die Stadt in der Vergangenheit schon mehrfach auf den Notstand hingewiesen. „Aber nichts ist passiert“, kritisiert Ben. Dabei stehen im Altbau der Schule zwei Räume leer. Aus Brandschutzgründen, es fehlt der zweite Fluchtweg. Dieser könnte aber durch einen Aufgang von außen hergestellt werden. Genug Platz wäre da.

Ein weiterer Lösungsvorschlag der Schüler: Container könnten aufgestellt werden. Wie am Albertus-Magnus-Gymnasium (AMG) in Bensberg, wo erst vor kurzem im Oktober 16 Einzelcontainer als neuer Bereich für die Oberstufe eingeweiht wurden. „Wir verstehen das nicht“, sagt Ben, „das AMG bekommt eine Wohnlandschaft hingestellt, und wir sitzen auf dem Boden und frieren.“ Obwohl Herkenrath doch die zusätzliche Jahrgangsstufe aufnehme.

Stadt sieht Hürden für Räume im Altbau 

Wie die Raumfragen konkret gelöst werden können, liege in den Händen der Schule, sagt Stadtsprecher Martin Rölen und erinnert daran, dass sich das Gymnasium Herkenrath aktiv darum beworben habe, Bündelungsgymnasium zu werden. Ob die beiden Räume im Altbau ertüchtigt werden könnten, müsse geprüft werden. „Leider kann aber nicht auf die Schnelle neu gebaut werden“, bedauert Rölen, auch wenn der Wunsch der Schüler nach Aufenthaltsräumen verständlich sei.

Die Planungs- und Ausführungszeit für die Erweiterung am AMG habe beispielsweise drei Jahre gedauert. Jetzt sei zunächst das AMG „dran“ gewesen, sagt Rölen, weitere Schulen – auch Herkenrath – würden sicher folgen. So solle im Rahmen der Planungen im Zuge des Übergangs von G8 auf G9 für das Gymnasium Herkenrath als eine der ersten Schulen ein Konzept für zusätzliche Räume erstellt werden. Die Schüler warten immer noch auf eine Rückmeldung der Stadtverwaltung auf ihre drei Briefe. Die Antworten werden sie vermutlich nicht erfreuen.


Das Bündelungsgymnasium

Das Gymnasium Herkenrath in Bergisch Gladbach ist im Rheinisch-Bergischen Kreis das einzige Bündelungsgymnasium, bestätigt die Bezirksregierung. „Bündelung“ bedeutet, dass die Schüler an Gymnasien zusammengeführt werden, wo man sie bis zum Abitur begleitet. Dies ist das System des Landes NRW, die Rückkehr von G8 zu G9 stemmen zu können.

Zu den Kriterien, geprüft von der Bezirksregierung Köln, gehörten unter anderem die räumlichen Voraussetzungen, ob ein ausreichendes Bildungsangebot gemacht werden kann und ob die Aussicht besteht, dass die Mindestgröße von 42 Schülern für den Jahrgang voraussichtlich erreicht werden kann. Alternativ haben Schüler auch die Möglichkeit, in Rhein-Berg in eine andere Schulform der gymnasialen Oberstufe zu wechseln: Da die Schulzeit der Gesamtschulen und Gymnasien der Berufskollegs nie auf G8 verkürzt worden war, steht hier auch kein Wechsel auf Bündelungsgymnasien an.

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