Delegation aus Butscha besucht PartnerstadtSauberes Wasser in Bergisch Gladbach und der Tod zu Hause

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Menschen stehen auf dem Staudamm der Großen Dhünn-Talsperre.

Für die Zeit nach dem Krieg: Wie aus Rohwasser Trinkwasser wird, erläuterte Birgit Bär (l.) vom Verein Aqualon den ukrainischen Gästen und ihren Gastgebern an der Großen Dhünn-Talsperre

Eine Delegation aus Bergisch Gladbachs ukrainischer Partnerstadt Butscha erlebt beim Besuch im Bergischen ein Wechselbad der Gefühle.

Als Achim Rieks und sein Team vom Café „Himmel un Ääd“ in Schildgen von der Arbeit für Geflüchtete aus der Ukraine erzählen, fließen Tränen. „Ich war selbst eine geflüchtete Frau mit zwei Kindern“, sagt Tanja Rybakova, als sie sich wieder gefasst hat. Die Deutschlehrerin war nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zu Bekannten nach Potsdam geflohen, ist aber wieder in die durch Gräueltaten der russischen Besatzer auf traurige Weise bekannt gewordene Stadt Butscha zurückgekehrt.

Eine Vertreterin der Delegation aus Butscha hält eine Rede, die anderen schauen ergriffen.

Ergriffen: Oksana Mykhalchuk dankt im Café Himmel un Ääd für die Hilfe.

„Ich bin mit meinen Kindern zurück in den Krieg gegangen, damit mein Mann, der vor Bachmut kämpft, wenigstens ab und zu mal seine Kinder sehen kann“, sagt sie. In den vergangenen Tagen ist sie als Dolmetscherin mit der Delegation der Stadt Butscha nach Bergisch Gladbach gekommen.

Wir wollen das, was wir hier erlebt haben, mitnehmen und weitergeben: diese Bereitschaft zu helfen
Oksana Mykhalchuk, Leiterin des Verwaltungsbüros in Butscha

„Für uns ist es ein riesengroßes Glück, hier zu sein und Ihnen in die Augen zu sehen, die Sie uns von Anfang an und immer weiter unterstützen“, sagt Oksana Mykhalchuk, die in Butscha für den städtischen Verwaltungsservice zuständig ist, vor den Ehrenamtlern von „Himmel un Ääd“, Vertretern des Partnerschaftsvereins Bergisch Gladbach – Butscha und von Helfern, die mittlerweile bereits sieben Konvois mit Hilfsgütern Richtung Butscha gefahren haben.

Menschen stehen im Zanetti-Saal von Schloss Bensberg.

Mit den Gedanken immer wieder daheim in Butscha sind die Gäste auch bei der Führung durch Schloss Bensberg (hier mit Gastgebern im Zanetti-Saal).

„Es ist für uns eine große Unterstützung zu fühlen, dass wir nicht alleine sind mit unserem Krieg in der Ukraine“, sagt Oksana Mykhalchuk, bevor auch ihre Stimme stockt. Die vier Tage in Bergisch Gladbach, in denen die Luftalarmwarnungen, Raketen am Himmel und Luftabwehrfeuer weit entfernt sind, tun den fünft Delegationsteilnehmern gut – „mit unseren Herzen aber sind wir daheim“, sagt OksanaMykhalchuk. „Wir wollen das, was wir hier erlebt haben, mitnehmen und weitergeben: diese Bereitschaft zu helfen. Möge Gott euch und eure Familien segnen.“

Auch die Gastgeber sind tief bewegt von den Worten der Partner aus Butscha

Tief bewegt sind auch die Vertreter von Partnerschaftsverein und „Himmel un Ääd“-Café, das nicht nur eine engagierte Willkommenskultur für Geflüchtete in Schildgen pflegt, sondern auch die Städtepartnerschaft mit Butscha von Beginn an mit zahlreichen Benefizaktionen und Spenden unterstützt hat. So hat Eberhard Rinecker auch für die   Delegation gekocht und sie gemeinsam mit Café-Chefin Susanne Schubmehl, Hans-Joachim Rieks und Margret Grunwald-Nonte im Café bewirtet.

Aktive des Café „Himmel un Ääd“ bewirten die Göste aus Butscha und ihre Gastgeber.

Aktive des Café „Himmel un Ääd“ bewirten die Göste aus Butscha und ihre Gastgeber.

Die vier Tage in Bergisch Gladbach sind für die fünf Gäste aus Butscha, die die 2000 Kilometer mit einem Auto zurückgelegt haben, von einem Wechselbad der Gefühle geprägt. Nicht nur beim Besuch der Prinzengarde-Party (wir berichteten) habe man viele neue Eindrücke einer anderen Welt kennengelernt, sagt Tanja Rybakova, auch die Tour durchs Evangelische Krankenhaus und mit der Feuerwehr auf und in die Dächer des Kölner Doms sei ein unvergessliches Erlebnis gewesen – „und natürlich das Wiedersehen mit unseren Freunden hier in Bergisch Gladbach“.

Tour zur Großen Dhünn-Talsperre lässt auch an die Zeit nach dem Krieg denken

Die Tour durchs Bergische mit Mittagsstopp in Schildgen hat die Vertreter aus Butscha etwa an der Großen Dhünn-Talsperre auch an eine Zeit nach dem Krieg denken lassen. „Nach unserem Sieg“, sagt Butschas Stadtratssekretär Taras Shapravsky mit fester Stimme.

Menschen gehen über die leere Bühne des Bürgerhauses Bergischer Löwe.

Auch hinter die Kulissen des Bergischen Löwen schauten die Teilnehmer der Delegation aus Butscha mit ihren Gastgebern aus Bergisch Gladbach.

Hinter den Kulissen des Bergischen Löwen hat die Tour durchs Bergische am Morgen begonnen. Schon im Foyer jedoch war noch interessanter als die Fossilien, die Bergisch Gladbach weltberühmt gemacht haben, der Mädelflohmarkt. Im Handumdrehen haben Oksana Mykhalchuk und Oksana Dzham, die in Butscha für die Gesundheitsversorgung zuständig ist, echte Schnäppchen ausfindig gemacht, bevor Hilfskonvoi- und Busfahrlehrer Guido Maria Jansen Gäste und Gastgeber in einem vom Omnibusbetrieb Pütz gestellten Linienbus nach Altenberg fährt.

Der Gang durch den Dom und die Tour durchs frühere Klostergelände beeindruckt die Gäste, den Grafen von Berg, als der sie Gastronom Markus Wißkirchen mit einer Kostprobe Altenberger Kräuterlikörs empfängt, schließen sie umgehend in ihr Herz – und laden auch ihn spontan für die nächste Tour nach Butscha ein.

Als ich nach dem Schüleraustausch im Herbst von Bergisch Gladbach zurück nach Butscha kam, wollte mir niemand glauben, dass die Menschen hier Wasser aus der Wasserleitung trinken.
Tanja Rybakova, Deutschlehrerin in Butscha und Dolmetscherin der Delegation

Eine echte Überraschung bietet der Besuch an der Großen Dhünn-Talsperre, an der Birgit Bär vom Verein Aqualon auf dem Staudamm und in der interaktiven Ausstellung im Forum des Vereins, die Schutzzonen rund um den Stausee erläutert. „Als ich nach dem Schüleraustausch im Herbst von Bergisch Gladbach zurück nach Butscha kam, wollte mir niemand glauben, dass die Menschen hier Wasser aus der Wasserleitung trinken“, erzählt Deutschlehrerin und Dolmetscherin Tanja Rybakova.

Menschen stehen auf dem Staudamm der Großen Dhünn-Talsperre.

Für die Zeit nach dem Krieg: Wie aus Rohwasser Trinkwasser wird, erläuterte Birgit Bär (l.) vom Verein Aqualon den ukrainischen Gästen und ihren Gastgebern an der Großen Dhünn-Talsperre.

Jetzt staunen ihre Begleiter, als auch sie Flaschen mit Wasser aus der Leitung bekommen – und dazu jede Menge Informationen, wie aufwendig das kühle Nass aus der Talsperre noch aufbereitet wird, bevor es in die Trinkwasserleitungen gelangt. „Da werden wir auch noch was machen müssen, wenn wir in die EU wollen“, sagt ein Delegationsteilnehmer nachdenklich. Der Besuch an der Großen Dhünn-Talsperre wird bestimmt nicht der letzte von Vertretern aus Butscha gewesen sein.

Ob beim Spaziergang oder beim Besuch des Bensberger Schlosses zum Abschluss – immer wieder wandern die Augen der Delegationsteilnehmer auf die Handys. Sobald ein Luftalarm gemeldet wird, schauen sie nach, welche Waffen im Anflug auf ihre Heimatstadt sind. „Wir kennen uns mittlerweile gut mit den unterschiedlichen Raketen aus“, sagt Tanja Rybakova und bemüht sich, trotz aller Sorge, den Optimismus nicht zu verlieren.

Was eine Frau mache mit ihrem Wissen um die verschiedenen Raketen? „Bei der einen weiß sie: Ich habe noch 40 Minuten – und geht noch duschen und Haare waschen, bei der anderen reicht's nur noch für Haare waschen, und wieder andere lassen gar keine Zeit“, sagt sie lächelnd. „Zu Hause leben wir damit, dass man nie weiß, wie lange nach einem Angriff vielleicht Strom und Wasser weg sind – und ob es alle Freunde überleben.“

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