Abo

Prozess um häusliche GewaltKürtener von Stiefvater mit Hepatitis infiziert

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau versucht, sich vor der Gewalt eines Mannes zu schützen (gestellte Szene).

Mit Faustschlägen misshandelt und mit einer Krankheit infiziert hat in Kürten ein Erwachsener seinen Stiefsohn.

Der Gewaltexzess eines Mannes im Kinderzimmer des Stiefsohnes endete für den 15-jährigen Kürtener fatal: Er infizierte sich mit Hepatitis C.

Mit Faustschlägen hat in Kürten ein Erwachsener den widerspenstigen Sohn der Lebensgefährtin misshandelt. Besonders fatal: Der Jugendliche erlitt durch die Schläge des selbst infizierten Stiefvaters nicht nur eine blutende Wunde im Gesicht, sondern steckte sich auch mit dem Hepatitis-C-Virus an.

Jetzt, mehr als viereinhalb Jahre nach der Tat, stand der Schläger vor Gericht, gestand und beteuerte seine Reue. Für die Gewalttat kassierte der Ex-Stiefvater ein halbes Jahr Haft, die Richter Ertan Güven aber, dem Antrag der Staatsanwältin folgend, zur Bewährung aussetzte. Als zusätzlichen Denkzettel gab er dem seit Jahren in sehr schwierigen Verhältnissen lebenden Angeklagten auf, in Raten 700 Euro an die Landeskasse zu zahlen.

Max wollte sein Handy nicht zeigen

Eigentlich war es ein Allerweltskonflikt gewesen, der sich am 14. Mai 2018 in Kürten zutrug. Eine Klassenkameradin des damals 15-jährigen Max (Namen geändert) erschien mit ihrer Mutter in der Wohnung von Max’ Mutter Maria in Bechen und forderte, der Jugendliche sollte Nacktfotos von ihr löschen, die sie ihm zuvor geschickt hatte.

Max behauptete, er habe die Fotos bereits gelöscht, weigerte sich aber, das Handy seiner Mutter Maria auszuhändigen, die das kontrollieren wollte. Stiefvater Michael G. kam dazu, schob Max in dessen Zimmer und verpasste ihm ein halbes Dutzend Faustschläge ins Gesicht. Beendet war die Sache damit noch nicht: Mutter Maria (heute 45) rief ihren drei Jahre älteren weiteren Sohn an und bat ihn, sofort vorbeizukommen.

Betrunkene Mutter nahm Schuld zunächst auf sich

Mit einem zweiten Anruf versuchte sie den Jungen wenig später wieder abzubestellen, aber der junge Mann ließ sich weder stoppen noch ins Boxhorn jagen. Als die – ebenso wie der Stiefvater – betrunkene Mutter die Schuld auf sich nehmen wollte, ließ er sich von beiden Erwachsenen die Hände zeigen, um sie auf Spuren zu kontrollieren. Beim Stiefvater wurde er fündig und bekam ihn mit einer List aus der Wohnung bugsiert.

Die Polizei kam, ebenso ein Rettungswagen, der den 15-Jährigen ins Krankenhaus brachte. Vor Gericht legte Michael G. sofort ein umfassendes Geständnis ab. Er wisse bis heute nicht, was damals mit ihm los gewesen sei. Die Gemeinde Kürten haben er, seine Ex-Partnerin und deren Kinder längst in unterschiedliche Richtungen verlassen.

Schläger entschuldigt sich beim Opfer

Michael G. wohnt wieder in seiner alten Heimatstadt Bonn – lange Zeit in einem Wohncontainer, da er als Single mit wenig Geld und chronischen Krankheiten in Bonn keine Chance gehabt habe, eine reguläre Wohnung zu finden. Mittlerweile habe er eine Unterkunft im betreuten Wohnen gefunden – zunächst als Notlösung, jetzt merke er aber, wie gut ihm das tue.

Seine damalige Gewalttätigkeit bereue er aufrichtig. Seit langem warte er auf einen Therapieplatz, berichtete der hagere Mann mit den zu einem Zopf zusammengebundenen langen Haaren weiter, doch durch Corona habe sich das immer wieder verzögert. Max bat er im Prozess um Entschuldigung und erkundigte sich beim älteren Bruder kurz nach dem weiteren Werdegang. Max selbst berichtete, dass er eine aufwendige Medikamententherapie gemacht habe.

Die Mutter der beiden Jungen räumte schließlich vor Gericht ein: „Ich habe damals zuerst gelogen und die Schuld auf mich genommen.“ Später habe sie das bei der Kriminalpolizei korrigiert. Das Allerschlimmste sei freilich gewesen, dass sich ihr Sohn Max durch die Attacke mit Hepatitis C infiziert habe.

Es ist einfach nur grausam, einem jungen Menschen so etwas anzutun!
Die Staatsanwältin im Plädoyer

Die Verlesung des Vorstrafenregisters dauerte eine Weile: 22 Eintragungen ab 1992, überwiegend wegen Diebstählen, Schwarzfahrens und Drogendelikten. Nach 2010 war lange Ruhe, bis es 2016 und 2018 erneut zu Verurteilungen nach Gewalttaten kam.

Die Staatsanwältin forderte ein halbes Jahr Haft auf Bewährung wegen Körperverletzung: „Es ist einfach nur grausam, einem jungen Menschen so etwas anzutun!“ Wegen der aktuell günstigen Sozialprognose könne die Strafe aber zur Bewährung ausgesetzt werden. Michael G., anwaltlich nicht vertreten, wollte der Anklägerin nicht widersprechen: „Ich nehme es, wie es kommt, und bin froh, wenn es vorbei ist.“

Richter hält Freiheitsstrafe für zwingend geboten

In seiner Urteilsbegründung hielt Richter Güven dem Angeklagten zwar seine Einsicht zugute, er erinnerte ihn aber auch daran, dass er dem Jugendlichen außer der körperlichen vermutlich auch seelische Verletzungen zugefügt habe: „Auch er wird möglicherweise einmal eine Therapie benötigen.“ Angesichts der Umstände sei eine Freiheitsstrafe zwingend geboten, die aber auf Bewährung ausgesetzt werden könne.

Damit der Angeklagte das aber nicht etwa als „Freispruch zweiter Klasse“ missverstehe, müsse er zudem 700 Euro Strafe von seinem schmalen Hartz-4-Salär abstottern. Mit den Worten „Ist schon okay“ kürzte Michael G. die Rechtsmittelbelehrung ab und nahm das Urteil an.


Die Hepatitis C ist eine Entzündung der Leber, die durch das Hepatitis-C-Virus verursacht wird und sich vor allem durch Blutkontakte überträgt. In den meisten Fällen entwickelt sich eine chronische Infektion, aus der, wenn sie unbehandelt bleibt, nach Jahren eine Leberzirrhose und Leberkrebs entstehen können. Allerdings können laut Bundesgesundheitsministerium heute über 95 Prozent der Infizierten mit einer medikamentösen Therapie geheilt werden. 

Rundschau abonnieren