Schwere Vorwürfe gegen Tierheim KürtenTiere ohne sachlichen Grund eingeschläfert?

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Kürten/Köln – Vor einem langwierigen Gerichtsverfahren steht der Tierschutzverein Rhein-Berg. Der Verein mit seinen mehr als 600 Mitgliedern ist Träger des Tierheims in Kürten, das im Zentrum der Verhandlung steht.

In einem Verfahren vor der vierten Zivilkammer des Landgerichts Köln wird in den nächsten Monaten erörtert, ob eine ehemalige ehrenamtliche Gassigeherin weiterhin öffentlich über angebliche Verfehlungen der Tierheimleitung bei der Unterbringung von Heimtieren sprechen darf. Im Raum stehen Vorwürfe, die Heimleitung nehme Bissverletzung von Hunden „billigend“ in Kauf. Auch geht es unter anderem um die Frage, ob das Tierheim gefährliche Hunde ohne sachlichen Grund einschläfern lasse und ob die Heimleiterin, in Personalunion Geschäftsführerin des Tierschutzvereins, ihre Pflichten vernachlässige und die Mitarbeiterschaft „drangsaliere“. Dies alles hatte die Gassigeherin unter anderem in Briefen an die Gemeinde Kürten und die Kreisverwaltung behauptet. Der Tierschutzverein hatte daraufhin Klage eingereicht, die Gassigeherin eine Gegenklage angestrebt. Die Frau hat derzeit Hausverbot im Kürtener Tierheim.

16 Zeugen werden vernommen

Sämtliche Vorwürfe werden vom Tierschutzverein bestritten, erklärt Rechtsanwalt Jens Perske auf Nachfrage. Als Zeugen hat der Verein unter anderem den Leiter des Kreisveterinäramts, Dr. Thomas Mönig, und eine Mitarbeiterin und zwei Kürtener Tierärzte sowie Mitarbeiter des Kürtener Ordnungsamts benannt. 16 Zeugen will das Gericht zur Beweisaufnahme insgesamt vernehmen, das Verfahren wird sich bis weit ins nächste Jahr ziehen. „Sämtliche Vorhalte werden vom Tierschutzverein aufs Schärfste bestritten“, betont Jens Perske.

Mit der ehemaligen Tierpflegerin Regine A. (Name geändert) sagte am Dienstag eine von der Seite der Gassigeherin benannte Zeugin aus. Über drei Stunden dauerte die Befragung, bei der die Vorsitzende Richterin Dr. Linda Aghte die Balance zwischen subjektivem Empfinden und belegbaren Aussagen zu finden versuchte.

In der Tat, so berichtete es die Tierpflegerin, habe es vereinzelt Beißvorfälle im Hundetrakt gegeben. Die Gitter zwischen den einzelnen Hundeboxen seien recht groß und ähnelten mehr denen von Pferdeboxen. Beim Ausführen der Hunde zum Gassigehen sei es vorgekommen, dass andere Tiere durch die Gitter hindurch zuschnappten und es Verletzungen an Pfote und Nase gegeben habe.

Kleinere Hunde hätten unter den Gitterstäben durchkriechen können, weil der Zwischenraum 10 bis 15 Zentimeter groß sei. Zu dem Vorwurf der Einschläferungen sagte Regine A. aus, dass sie durch Dritte von einem solchen Vorfall gehört habe; ein anderer Hund sei zunächst verschwunden, erst später sei den Mitarbeitern von dessen Tod berichtet worden. Hier hakte jedoch Rechtsanwalt Perske nach und legte ein ärztliches Dokument zum unheilbaren gesundheitlichen Zustand dieses Tieres vor. Perske betonte, im Heim würden Tiere ausschließlich nach medizinischer Indikation und nach Beratung einer Ethikkommission eingeschläfert. Regine A. berichtete auch von drei Gänsen, die trotz ihrer mehrmaligen Warnung vor Fuchs oder Marder nachts auf einer Wiese geblieben seien. Eine Unterbringung im Heim sei aus ihrer Sicht möglich gewesen. In der dritten Nacht habe es dann ein „Blutbad“ gegeben, nur eine Gans habe die Raubwildattacke überlebt.

Pflegerin schildert Zwischenfälle

Später habe es geheißen, alle drei Tiere seien vermittelt worden, sagte Regine A., die weitere Zwischenfälle schilderte. Fünf Streifenhörnchen, Tiere mit Bewegungsdrang, seien einzeln in kleinen Terrarien gehalten worden, unangebracht für diese Tierart. Schnell hätten die Tiere einen Hospitalismus bekommen und sich im Kreis gedreht. Den Vorschlag, die Streifenhörnchen in eine leerstehende Voliere zu setzen, habe die Heimleitung wiederholt ausgeschlagen. „Das war schrecklich“, sagte Regine A. unter Tränen, zwei Streifenhörnchen seien verendet.

Dass Vermittlungsversuche in andere Heime für die Tiere gescheitert seien, betonte Rechtsanwalt Perske. Laut Regine A. setzte die Heimleitung auch eine Landschildkröte in ein Terrarium. „Du brauchst dich nicht weiter zu kümmern“, habe die Heimleitung zu einer 15-jährigen Schülerin gesagt, die im Katzenhaus Aufsicht führte und eine gebärende Katze mit Totgeburt vorgefunden habe.

Die im Tierheim wohnende Heimleitung sei dann Einkaufen gefahren und habe die Jugendliche allein mit der Katze gelassen. Als sie von der Schülerin um Hilfe gerufen worden sei, schilderte Regine A., habe sie das fiebernde Tier sofort zum Tierarzt gefahren. Der habe einen Not-Kaiserschnitt für die übrigen Katzenbabys durchgeführt. Der Prozess wird im Februar 2018 fortgesetzt.

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