Tag der Deutschen EinheitMenschen in Rhein-Berg erklären, was für sie deutsch ist

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Hilfsbereitschaft zeigte sich beim Begegnungsfest für Flüchtlingskinder.

Rhein-Berg – Heute ist „Tag der Deutschen Einheit“. Wir feiern die Wiedervereinigung Deutschlands. Aber was ist eigentlich deutsch? Was verbinden wir mit dem Begriff Deutschland? Und verändert sich nicht der Begriffsinhalt ständig? Wir haben Menschen in der Region befragt

Für Paul Kruk ist die Hilfsbereitschaft typisch deutsch

Hilfsbereitschaft sagt Paul Kruk, Pianist und ehrenamtlicher Übersetzer mit ukrainischen Wurzeln, prompt und ohne nachzudenken, „große uneigennützige Hilfsbereitschaft“. Wie hilfsbereit die Menschen hierzulande sind, hat er in den Notunterkünften für die ukrainischen Kriegsgeflüchteten erlebt. Eine Geschichte fällt ihm spontan ein.

Eine Dame steht plötzlich vor ihm mit großen Paketen mit Kuchen, den sie beim Bäcker eingekauft hat, bestimmt im Wert von 50 Euro, und sagt: „Verteilen Sie das bitte unter den Leuten.“ Und dann geht sie wieder. Kruk habe sie nie wieder gesehen. „Dass sie keinen Dank wollte als Bestätigung ihrer Großzügigkeit, habe ich doppelt geschätzt“, sagt der 65-Jährige. Dass er ausgerechnet diese Eigenschaft einmal den Deutschen zuallererst zuschreiben würde, sei für ihn selbst eine große Überraschung gewesen.

Bis vor 26 Jahren hat Kruk in der Ukraine gelebt. In der einstigen Sozialistischen Sowjetrepublik habe er schon als Schüler gelernt, die Deutschen seien dominant, streng, auf sich bezogen. Aber das Gegenteil sei der Fall: „Ich könnte 100 Fälle dieser Hilfsbereitschaft erzählen.“(ub)

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Schwierig zu planen: Die Fahrten mit der Bahn.

Für Frank Haag ist der Wunsch zur Planbarkeit typisch deutsch

Planbarkeit, „zu wissen, was kommt, etwas typisch Deutsches, was in den vergangenen beiden Jahren so gar nicht mehr gegeben war“, sagt Frank Haag. Der Unternehmer, stellvertretende Feuerwehrchef, Vorsitzende der Großen Gladbacher Karnevalsgesellschaft und designierte Karnevalsprinz der Kreisstadt, hat diese Erfahrung in so gut wie allen Lebensbereichen während der Corona-Pandemie, der Flutkatastrophe vom Juli 2021 und des russischen Angriffskriegs in Europa mit all seinen Folgen gemacht.

„Die Strukturiertheit, die Ordnungsliebe von uns Deutschen und auch ein bisschen das Typische von »Made in Germany« ist damit über den Haufen geworfen worden“, beschreibt Haag das vielfach festgestellte Empfingen. „Aber auch das ist wiederum typisch deutsch: dass wir die gewohnte Planbarkeit sehr stark vermissen, auch wenn wir eine Menge gelernt haben: zum Beispiel, sich noch viel kurzfristiger auf Dinge einzustellen.“ (wg)

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Klassische Musik ist made in Germany.

Für Roman Salyutov ist die Klassische Musik typisch deutsch

Klassische Musik aus Deutschland sei in die ganze Welt gebracht worden, sagt Roman Salyutov. „Für mich als Kulturschaffenden ist Deutschland die Wiege klassischer, europäischer Musik. Mit den großen drei – Bach im Barock, Beethoven auf dem Höhepunkt der Klassik und Brahms in der Romantik.“ Salyutov leitet unter anderem das Sinfonieorchester Bergisch Gladbach. Er ist Konzertpianist und Dirigent. „Diese deutschen Komponisten waren große Humanisten und Aufklärer ihrer Zeit und haben die europäische Musikkultur maßgeblich mitgeprägt“, sagt der 37-Jährige, der in Leningrad geboren ist, in St. Petersburg und Köln studiert, und in Paderborn promoviert hat.  (nip)

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Sauerbraten ist so deutsch, wie Döner türkisch.

Für Klaus Farber ist Sauerbraten typisch deutsch

Sauerbraten fällt Klaus Farber ein. Wenn es um die Identifikation mit der Heimat geht, spielt das Kulinarische für ihn eine große Rolle: „Was für den Türken der Döner ist, ist für mich der Sauerbraten“, sagt der 84-Jährige, der sich in Bergisch Gladbach seit 50 Jahren um die Belange von Migranten kümmert und für sein soziales Engagement erst kürzlich das Bundesverdienstkreuz erhielt. Sauerbraten, eine Perle der deutschen Küche, die es nur hier gibt, ist sein Lieblingsgericht.

„Es gibt ja außer dem Rheinischen Sauerbraten noch andere, zum Beispiel den Sächsischen“, sagt der 84-Jährige. Aber am besten schmecke ihm sein eigener. „Ich lasse die Rosinen weg und hole mir stattdessen ein ganzes Büschel von Kräutern aus meinem Garten“, erzählt er. Thymian und Rosmarin sind immer dabei. Manchmal fügt Farber noch eine kleine Menge Printen hinzu: „Denn so zart wie der Rinderbraten, so köstlich muss auch die Soße sein.“ (ub)

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Ohne Uhren keine Pünktlichkeit.

Pünktlichkeit ist für Poala Bosa typisch deutsch

Pünktlichkeit nennt Paola Bosa zuallererst, als sie nach typisch deutschen Verhaltensweisen gefragt wird. „Und dass alles schön strukturiert und geplant werden sollte“, stellt sie fest. Die Rösrather Lehrerin, die 1984 im süditalienischen Tarent geboren wurde, erinnert sich an ein besonderes Schlüsselerlebnis mit einer deutschen Freundin aus ihrer Anfangszeit hierzulande.

Die Freundin wollte sich verabreden und Bosa freute sich schon auf ein baldiges Treffen. Doch es kam ein wenig anders. Denn die Freundin fragte: „Wann hast du Zeit? Im September oder Oktober?“ Das sei zunächst ein Dämpfer für ihre Deutschland-Begeisterung gewesen, erzählt Bosa. „Ich bin so ein spontaner Mensch – weniger strukturiert, geplant und organisiert.“ (tr)

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