„Das Kernrevier sind wir!“Tagebau-Anrainer protestieren – Mehr Mitspracherecht

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Sascha Solbach (r.) aus Bedburg und sein Elsdorfer Kollege Andreas Heller (l.) gehören zu den Wortführern der Bürgermeisterrunde.

Sascha Solbach (r.) aus Bedburg und sein Elsdorfer Kollege Andreas Heller (l.) gehören zu den Wortführern der Bürgermeisterrunde.

Rhein-Erft-Kreis/Eschweiler – „Das Kernrevier sind wir!“ ist mit dickem Ausrufezeichen auf dem Deckblatt des Positionspapiers zu lesen, das 19 merklich unzufriedene Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus den nach eigener Einschätzung am stärksten vom Braunkohleausstieg betroffenen Revierkommunen gestern in Eschweiler verabschiedeten.

In der illustren Runde als Wortführer ganz vorn mit dabei: Elsdorfs Stadtoberhaupt Andreas Heller (CDU) und sein Bedburger Amtskollege Sascha Solbach (SPD), die wie aus einem Munde ebenfalls mit dickem Ausrufezeichen fordern: „Aus Hauptbetroffenen müssen Hauptbeteiligte werden!“

Kommunen nicht ausreichend in Entscheidungsgremien vertreten

Die Bürgermeister machten keinen Hehl daraus, dass ihnen die Art und Weise, wie der anlaufende Strukturwandelprozess bislang von oben herab gesteuert werde, nicht wirklich zusage. Zwei Beispiele: In der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR), die als ein maßgebliches regionales Planungs- und Umsetzungsgremium und als wichtiges Bindeglied zu Land und Bund gilt, seien Kommunen aus dem „Kernrevier“ nur indirekt über die Kreise, nicht aber mit eigenen Stimmen vertreten.

Und im von Bund und Land kürzlich verabschiedeten Sofortprogramm seien als erste Maßnahmen zwar viele Millionen Euro für ambitionierte wissenschaftliche Forschungsvorhaben zur Förderung vorgesehen, aber kein einziges direkt kommunales Projekt.

Kritik auch am Landrat

Damit sich das ändert, haben sich die 19 Kernrevier-Kommunen nach mehreren vorbereitenden Treffen nun zu einer Tagebauanrainer-Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, die fortan gemeinsam mit starker Stimme sprechen möchte. Als Kernrevier-Kommunen werden dabei all jene Städte und Gemeinden definiert, die direkte Tagebauanrainer in den Revieren Inden, Hambach und Garzweiler und/oder Kraftwerksstandorte sind.

Im Rhein-Erft-Kreis sind nur Elsdorf, Kerpen, Frechen, Bedburg und Bergheim mit von der Partie, nicht aber die weiter südlich gelegenen Städte. Auch fehlen beispielsweise der gesamte Kreis Euskirchen, bis auf Erkelenz der gesamte Kreis Heinsberg und bis auf Eschweiler sämtliche Städte in der Region Aachen.

Zwei Drittel der Steuerverluste entfallen auf Tagebauränder

Als rheinisches Revier würden gemeinhin große Teile der Regierungsbezirke Köln und Düsseldorf mit insgesamt 65 Kommunen bezeichnet. Rund zwei Drittel der mit dem Kohleausstieg verbundenen Arbeitsplatz-, Kaufkraft- und Gewerbesteuerverluste entfielen aber auf eben jene 19 Kernrevier-Kommunen direkt an den Tagebaurändern, argumentiert die Bürgermeisterrunde.

„Und eben deshalb muss die gesamte Strukturwandelförderung am stärksten genau dort ansetzen, wo auch am meisten wegfällt – also bei uns 19“, betont Heller.

Interessen des Rhein-Erft-Kreises nicht immer identisch mit Anrainern

Diese Sicht der Dinge ist nach dem Eindruck der 19 Stadtoberhäupter auf höherer Ebene noch nicht in ausreichendem Maße realisiert worden. Einer der Adressaten der Kritik ist dabei auch die ZRR mit Rhein-Erft-Landrat Michael Kreuzberg als Vorsitzendem der Gesellschafterversammlung an der Spitze.

„Die Interessen des gesamten Rhein-Erft-Kreises in der ZRR sind nicht immer deckungsgleich mit den Interessen der fünf hiesigen Tagebauanrainer-Kommunen“, deutete Andreas Heller vorsichtig einen aus seiner Sicht bestehenden Optimierungsbedarf an.

Bürgermeister fordern fünf Aufsichtsratsmandate

Sechs Landkreise, mehrere Handwerks- und Handelskammern und die Gewerkschaft IG BCE gehören zu den 14 tragenden ZRR-Mitgliedern, aber eben keine der Kernrevier-Städte. Sie fehlen folglich auch im von NRW-Staatssekretär Christoph Dammermann geführten ZRR-Aufsichtsrat.

Wohl wissend, dass sie keinen formaljuristischen, nach eigener Einschätzung angesichts ihrer direkten Betroffenheit aber einen moralischen Anspruch darauf haben, fordern die Bürgermeister nun unter anderem fünf ZRR-Aufsichtsratsmandate.

„Nicht um als Bedenkenträger aufzutreten oder um Kritik der Kritik willen zu üben“, betonte Eschweilers Bürgermeister Rudi Bertram als Gastgeber, „sondern um den Strukturwandel mit eigenen Ideen und Forderungen konstruktiv zu begleiten und um die Vorschläge der kommunalen Basis direkt in die übergeordneten Gremien hineintragen zu können.“

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