Viele Menschen gerettetBedburger Paar organisiert schnelle Hilfe für Ukrainer

Lesezeit 4 Minuten
Wladimir Hoffmann (hinten links) und seine Frau Oksana (3.v.l.) haben schon mehr als 100 Menschen aus der Ukraine geholt und in Sicherheit gebracht. Acht von ihnen haben sie in ihrem eigenen Zuhause in Bedburg-Kaster aufgenommen.

Wladimir Hoffmann (hinten links) und seine Frau Oksana (3.v.l.) haben schon mehr als 100 Menschen aus der Ukraine geholt und in Sicherheit gebracht. Acht von ihnen haben sie in ihrem eigenen Zuhause in Bedburg-Kaster aufgenommen.

Bedburg – „Sie müssen unbedingt schreiben, dass wir den Menschen in Deutschland und vor allem hier in Bedburg unendlich dankbar sind“, bittet Svetlana den Reporter. „So viel Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit hatten wir niemals erwartet. Wir sind überwältigt.“ Die ebenfalls vor dem Krieg geflüchteten Menschen, die um die junge Frau aus der Ukraine herumstehen, nicken zustimmend, während Wladimir Hoffmann ihre Worte vom Russischen ins Deutsche übersetzt.

Sie haben sich versammelt im großen Wohn- und Esszimmer von Wladimir und Oksana Hoffmann. Einige Flüchtlinge aus anderen Unterkünften sind zum Mittagessen nach Kaster gekommen und gesellen sich zu den nicht weniger als acht Frauen, Kindern und Jugendlichen, die die Hoffmanns auf unbestimmte Zeit bei sich aufgenommen haben.

Zusammenrücken in der Not

Das Haus ist zwar recht geräumig, für so viele Bewohnerinnen und Bewohner aber eigentlich nicht gedacht. „Doch es funktioniert. In diesen Zeiten muss man einfach zusammenrücken. Wir fühlen uns fast schon wie eine richtige Großfamilie“, sagt Wladimir Hoffmann.

Der 44-jährige Geschäftsmann ist selbst vor fast 30 Jahren als Russlanddeutscher mit seinen Eltern aus Sibirien ausgewandert und hat während seiner Zeit als Zeitsoldat bei der Bundeswehr in Süddeutschland seine spätere Ehefrau Oksana kennengelernt, eine Ukrainerin. Bedburg ist ihnen längst zur neuen Heimat geworden.

Russlanddeutscher hilft Ukrainern

Hoffmann lässt keinen Zweifel daran, auf welcher Seite er nicht trotz, sondern gerade wegen seiner russischen Vergangenheit steht: „Ich bin in der UdSSR aufgewachsen und weiß, was es bedeutet, in einem totalitären System leben zu müssen. Unter Putin hat die Unterdrückung nun wieder ein kaum noch für möglich gehaltenes Maß angenommen.“

Viel enger als nach Russland sind die Beziehungen der Hoffmanns in die Ukraine und vor allem in Oksanas Herkunftsstadt Mykolajiw. Die Provinzhauptstadt mit in Friedenszeiten fast 500.000 Einwohnern liegt etwa 100 Kilometer nordöstlich von Odessa.

Schnelle Hilfe

„Wir haben dort ganz viele Freundinnen, Freunde und Verwandte, die wir regelmäßig besuchen und mit denen wir seit langem engen Kontakt pflegen. So klingelte schon am ersten Tag des russischen Überfalls um 5 Uhr morgens mein Handy. Da war mir schnell klar: Wir müssen möglichst viele Leute aus Mykolajiw rausholen, und zwar sofort“, berichtet Wladimir Hoffmann.

Während viele hier zu Lande noch ungläubig und entsetzt staunten, wurde der Bedburger schon aktiv: „Vor fünf Jahren hatte ich dem großen Kulturzentrum in Mykolajiw einen ausgedienten Reisebus gestiftet, damit die Musikgruppen zu Auftritten fahren können. In eben diesem Bus gingen nun schon am 24. Februar über 50 Leute auf die Flucht, und der Bus ist seitdem mehrmals auch als rappelvoller Hilfsgütertransporter hin- und her gependelt“, berichtet er weiter. „Am 25. Februar sind wir außerdem mit Autos losgefahren, um weitere Flüchtlinge an der Grenze aufzusammeln.“

Im Hotel untergebracht

Erste Bleibe für viele Flüchtlinge waren freie Zimmer im Kölner Aparthotel My Cologne, das die Hoffmanns betreiben. Von dort aus konnte man inzwischen rund 100 Menschen in Privatunterkünfte weitervermitteln. Wladimir Hoffmann arbeitet dabei eng mit der Stadtverwaltung und der Initiative „Bedburg hilft“ zusammen, deren Engagement er in den höchsten Tönen lobt.

„Überhaupt erleben wir gerade eine Solidarität, die ich in diesem Ausmaß kaum für möglich gehalten hätte“, sagt er und appelliert gleichzeitig an die Bürgerinnen und Bürger, weiterhin Geld, Sachspenden und möglichst auch Unterkünfte bereitzustellen. Die Stadt tue alles, um die Flüchtlinge bestmöglich zu versorgen. „Aber wir wissen ja nicht, wie viele noch kommen und wie lange das Grauen noch dauert“, gibt er zu bedenken. „Es geht wirklich um Leben und Tod. Die Menschen in den bombardierten Städten erleben gerade die Hölle auf Erden.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Diejenigen, die bei ihm in Kaster untergebracht sind, hätten sich ganz gut eingelebt; die meisten Kinder gingen sogar schon zur Schule. „Täglich steht bei uns zu Hause Deutschunterricht auf einer Youtube-Lernplattform auf dem Programm. Es gibt sogar Momente, in denen wir das alles kurz vergessen und gemeinsam lachen können.“

Aber es flössen auch Tränen im Hause Hoffmann, erzählt der Bedburger. „Jeder hier hat Freunde und Angehörige, die noch in Mykolajiw ausharren müssen.“ Abends versuchten alle, telefonischen Kontakt zu den Zurückgebliebenen herzustellen. Morgens gingen sie als erstes ins Internet, um Informationen über die Ereignisse der Nacht zu bekommen. „Zuerst dachten wir ja noch, Mykolajiw würde es vielleicht nicht ganz so schlimm treffen. Aber auch dort gibt es schlimme Luftangriffe und Bodenkämpfe. So haben wir am Dienstagvormittag die schrecklichen Bilder von dem durch einen Raketenangriff total zerstörten Kreishaus gesehen und die Meldungen von mehr als 20 weiteren Toten gelesen. Das sind diese Momente voller Angst, Trauer und Verzweiflung, die einem das Herz zerreißen und in denen dieser Krieg auch hier in Kaster ganz nah ist.“

Rundschau abonnieren