Zuckerfabrik-GeländeInvestoren wollen 100 Millionen für Wohnquartier investieren

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Bedburg – Das Gerling-Quartier und der Siebengebirge-Komplex in Köln, die neue Synagoge in Ulm, der Bauhaus-Campus in Dessau und das Sophien-Palais in Hamburg sind nur einige Beispiele: Professor Johannes Kister und seine Kollegen vom renommierten Kölner Architektur- und Stadtplanungsbüro KSG haben in den vergangenen 25 Jahren schon viele große Baupläne geschmiedet. Auf der KSG-Homepage muss man lange scrollen, um die Liste der Wettbewerbserfolge vom Anfang bis zum Ende zu lesen. Aber es geht immer noch ein bisschen größer.

Das Projekt, mit dem Professor Kister nun liebäugelt, trägt keinen geringeren Arbeitstitel als die Bezeichnung „Neue Stadt Bedburg“, und das scheint nicht zu hoch gegriffen zu sein: Nicht weniger als ein komplett neues urbanes Wohnquartier für bis zu 3000 Menschen könnte bald im Herzen der Schlossstadt entstehen – genauer gesagt auf dem seit langem brachliegenden 30-Hektar-Terrain der ehemaligen Zuckerfabrik zwischen dem Real-Markt im Westen, dem Schloss im Norden, der Landesstraße 361 im Osten und den Blerichener Teichen im Süden.

Was der namhafte Architekt den staunenden Mitgliedern des Stadtentwicklungsausschusses am Dienstag wortgewandt präsentierte, ist allem Anschein nach schon ein bisschen mehr als nur eine städtebauliche Vision. Immerhin gibt es nicht nur grobe Planskizzen und ein Styropor-Modell, sondern auch eine ernsthaft interessierte Investorengruppe, die mehr als 100 Millionen Euro in die „Neue Stadt Bedburg“ pumpen würde. Skeptiker werden zu bedenken geben, dass sich schon mancher hochtrabende Zuckerfabrik-Plan zerschlagen hat.

Architekt mit städtebaulichen Visionen: Professor Johannes Kister präsentierte im Bedburger Stadtentwicklungsausschuss die Ideen für eine „Neue Stadt“ auf dem Gelände der alten Zuckerfabrik.

Architekt mit städtebaulichen Visionen: Professor Johannes Kister präsentierte im Bedburger Stadtentwicklungsausschuss die Ideen für eine „Neue Stadt“ auf dem Gelände der alten Zuckerfabrik.

Für das Wohnviertel „Bedburger Höfe“, das komplett mit erneuerbaren Energien versorgt werden sollte, fand sich kein Investor. Und für einen großflächigen Solarpark, den das Koblenzer Unternehmen Sybac Solar auf der grünen Wiese bauen wollte, gab die Kommune das städtebauliche Filetstück nicht her. Es gehört ihr zwar gar nicht, aber jegliche Nutzungsänderung bedarf der planungsrechtlichen Zustimmung der Stadt.

Ausgerechnet Sybac Solar ist trotz der vor Jahresfrist kassierten Abfuhr jetzt wieder da. Die Firma hat das Grundstück inzwischen von Pfeifer & Langen erworben und sich der Stadt in Erweiterung ihres bislang auf Solarparks beschränkten Geschäftsfeldes als Investor für ein neues Wohnviertel auf der alten Industriebrache angedient. Probleme mit dem schwammigen Untergrund haben sich nach neuen Untersuchungen von selbst erledigt, weil sich der Boden mit den Jahren offenbar ausreichend gesetzt und verfestigt habe.

Bürgermeister Sascha Solbach war nach eigenem Bekunden zunächst überrascht, als Sybac auch anbot, ein nordöstlich an das Zuckerfabrikgelände angrenzendes städtisches Grundstück gleich mit zu überplanen. „Ich war mir nicht sicher, ob das Unternehmen ein solches Großprojekt stemmen kann. Aber Sybac scheint über ein ausgezeichnetes Netzwerk zu verfügen.

Und als man dann auch noch Professor Kister als Masterplaner präsentierte, bin ich hellhörig geworden. Denn Kister ist kein Mann, der seine kostbare Zeit für irgendwelche Wolkenkuckucksheime verschwendet.“ Auch seien das Marktumfeld und die Nachfrage gerade in einer Mittelstadt wie Bedburg günstig, um ein solch mutiges Projekt zu starten. Noch ist Kisters Planung zwar nicht weit über ein erstes Grobkonzept hinausgekommen, aber der Architekt schwärmt in höchsten Tönen von den städtebaulichen Möglichkeiten auf dem Zuckerfabrikgelände.

„Echte Neugründung“

„Das Gebiet in diesem wunderbaren Grünraum direkt an der Erft ist fast so groß wie der alte Bedburger Kern. Da reden wir nicht von einem herkömmlichen Neubaugebiet mit einen paar Häuserreihen und Stichstraßen. Nein, wir sprechen von einer echten Neugründung in Ergänzung zur gewachsenen Altstadt“, so Kister, „und eine solche Neugründung muss höchsten städtebaulichen Ansprüchen gerecht werden. Sie braucht eine soziale und urbane Infrastruktur und sie muss auch in Sachen Nachhaltigkeit und Ökologie wegweisend sein.“

Unterschiedliche Wohnformen

So sehen die Pläne denn auch nicht nur ganz unterschiedliche Wohnformen von Reihenhäusern über hochwertige Stadtappartements und Seniorenwohnungen bis hin zu sozialem Mietwohnungsbau in verkehrsberuhigtem Umfeld vor, sondern auch einen Kindergarten, eine Grundschule, Geschäfte, Gastronomie, ein Hotel und ein Ärztehaus. Und es ist viel Grün mit Parklandschaften und Spielplätzen geplant.

Die Politiker diskutierten noch nicht groß und wollen das Ganze nun erst einmal sacken lassen, sie zeigten sich aber fürs Erste schon sehr angetan von dem Großprojekt. „Das ist eine spannende Geschichte, an deren Vorantreiben wir gemeinsam noch viel Freude haben werden“, meint der Bürgermeister.

Und man will keine Zeit verlieren. Schon Anfang nächsten Jahres sollen die Flächennutzungsplanänderungen und die Bebauungsplanentwürfe für die „Neue Stadt“ auf den Weg gebracht werden.

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