Fast verhungerte AlinaFreund hatte Angst, „dass sie morgens nicht mehr aufwacht“

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bmmutterprozess

Die angeklagte Bergheimerin vor dem Landgericht in Köln

Köln/Bergheim – Für Monika S. (24, Name geändert) kommt es vor Gericht möglicherweise schlimmer als erwartet. Die dreifache Mutter sitzt seit Anfang April gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten wegen versuchten Mordes durch Unterlassen auf der Anklagebank.

Eine lebenslange Freiheitsstrafe scheint denkbar. Ursprünglich war die Staatsanwaltschaft noch von versuchtem Totschlag ausgegangen, doch die Ermittlungen hatten ergeben, dass die „böswilligen, grausamen Misshandlungen“ in Form von Vernachlässigung und Verwahrlosung der damals fünfjährigen Tochter Alina das Mordmerkmal der Grausamkeit erfüllen könnten.

Fall Alina: Diese Mordmerkmale könnten in Betracht kommen

Alina wog Mitte August, als sie mit einem Rettungswagen in eine Klinik kam, bei einer Größe von 98 Zentimetern nur noch 8,2 Kilogramm. Am vorletzten Verhandlungstag hat nun das Gericht erklärt, auch ein weiteres Mordmerkmal könne in Betracht kommen: „Zur Verdeckung einer Straftat.“ Immerhin habe die Beweisaufnahme ergeben, dass der lebensbedrohliche Zustand der Tochter dem Paar spätestens ab dem 11. August bewusst gewesen sei.

Es gibt entsprechende Chatverläufe in den Akten, die dies dokumentieren. So soll beispielsweise der Lebensgefährte geäußert haben, er könne sich durchaus vorstellen, „dass Alina eines morgens da liegt und nicht mehr aufwacht“. Obwohl dem Paar klar gewesen sein soll, dass Alina schnellstmöglich in medizinische Hände gehöre, blieben die beiden untätig. Möglicherweise „aus Angst davor, dass ihnen dann auch der kleinere Bruder weggenommen würde“.

Inwieweit das zweite Mordmerkmal – das möglicherweise eine Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und damit eine noch höhere Strafe als die üblichen 15 Jahre nach sich zieht – zum Tragen kommt, darüber will das Gericht am kommenden Freitag entscheiden und gegebenenfalls einen rechtlichen Hinweis erteilen.

Alinas jüngerer Bruder wog elf Kilo mehr als seine Schwester

Noch an anderer Stelle wurde deutlich, dass Monika S. und ihr Partner in der Familie mit zweierlei Maß gemessen hatten. Alinas Bruder, der im Januar 2016 zur Welt kam und gerade mal ein Jahr und zwei Monate jünger ist als seine Schwester, wog bei der rechtsmedizinischen Untersuchung 19 Kilogramm und war 108 Zentimeter groß.

Sein Vorsorge- sowie Impfheft war einwandfrei: „Es war alles darin notiert, was ärztlich empfohlen wird“, sagte dazu die Leitende Oberärztin der Rechtsmedizin, Sybille Banaschak. Rein körperlich sei er „gut entwickelt“ gewesen, allerdings wurden bei ihm auch Entwicklungsverzögerungen wie bei Alina festgestellt, beispielsweise im sprachlichen Bereich: Dies führte Banaschak auf ein mögliches fehlerhaftes „Erziehungs- und Betreuungsverhalten“ zurück.

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Zuvor hatten abschließend noch einmal Psychiater und Psychologen das Wort. Beide hatten in ihren Gutachten eine verminderte Schuldfähigkeit für die Mutter verneint, was bedeutet, dass sie die volle strafrechtliche Verantwortung tragen muss. Hervorgehoben wurde dabei noch einmal die „manipulative Eigenschaften“ der Mutter, die stets „in ihrem eigenen Interesse gehandelt habe“ und, anstatt Alina zu helfen, vielmehr mit sich selbst beschäftigt war. Abschließend hieß es von beiden Sachverständigen: „Sie hat realisiert, dass Alina dem Tode nahe war, aber sie hat sich vor der Verantwortung gedrückt.“

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